Win­kende Eva Högl (SPD): Sym­bolbild für die End­phase der bun­des­deut­schen Demokratie

Der bekannte Jour­nalist Alex­ander Wendt (Focus) schreibt an Eva Högl, die in die Geschichte der Abson­der­lich­keiten eines sui­zi­dalen Staats­wesens durch ihr fröh­liches Winken ange­sichts des IS-Mas­sakers von Bar­celona ein­gehen wird. Wir doku­men­tieren hier den Text:

„Liebe Eva Högl, wahr­scheinlich wissen Sie es schon: ich bin der­jenige, der die kurze Sequenz aus dem Video eines öster­rei­chi­schen Senders abge­filmt und online gestellt hatte, in der Sie fröhlich winken und den Mund auf­reißen, während Martin Schulz vor Ihnen ver­sucht, seine Text­bau­steine zu dem IS-Mas­saker von Bar­celona eini­ger­maßen zu sortieren.

Nein, ich hatte am letzten Freitag nicht geglaubt, dass fast 700 000 Leute mein Video auf­rufen würden. Offenbar trifft es also bei sehr vielen einen Nerv. Und zwar völlig unab­hängig davon, ob die Leute Ihre Erklärung für plau­sibel halten oder nicht, Sie hätten anfangs nicht ver­stehen können, was Ihr Par­tei­vor­sit­zender sagte. Nach einigen Minuten konnten Sie es offen­sichtlich doch, jeden­falls setzten Sie dann ein staats­tra­gendes Gesicht auf.

In Ihrer selbst­exkul­pie­renden Erklärung hatten Sie übrigens schon im ersten Absatz etwas über „Hetzer*innen“ und die AfD geschrieben. Ich weiß nicht, ob Sie mich damit meinen. Ich gehöre keiner Partei an, und das Posten eines Videos, auf dem Sie her­um­hampeln, wird man schwerlich als Hetze bezeichnen können. 

Aber zurück zum eigent­lichen Punkt: warum treffen diese 20 Sekunden den Nerv so vieler Men­schen? Weil manche Bilder Wahr­heits­bilder sind, die hoch­kon­zen­triert einen Zustand zeigen. Sehr, sehr viele Men­schen – wie Leute Ihres Berufs­standes sagen: die Men­schen draußen im Land – ertragen die Trau­er­phrasen nach jedem isla­mi­schen Anschlag nicht mehr, die gespielte Bestürzung, die aus­giebige Schil­derung des Leids, die Ver­si­cherung, jetzt dürfe sich die Gesell­schaft nicht spalten lassen – als ob das nicht schon längst pas­siert wäre – , sie ertragen die all­fällige Fest­stellung nicht mehr, gegen den Terror gebe es nun einmal kein Mittel, es gebe „keine absolute Sicherheit“.

Nach einer abso­luten Sicherheit fragt niemand. Eine relative Sicherheit würde den aller­meisten schon genügen. Also: Ein Stopp der unge­re­gelten Ein­wan­derung von papier­losen jungen Männern, die in ihrer über­großen Mehrheit niemand poli­tisch ver­folgt. Eine Abschiebung aller 500 000 abge­lehnten Asyl­be­werbern mit allen Mitteln des Rechts, auch der Abschie­behaft. Eine Schließung aller sala­fis­ti­scher Moscheen. Die Anwendung des Para­graphen 129 a (Bildung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­nigung) auf alle so genannten Gefährder. Prä­ven­tivhaft. All das ist nach der Rechtslage nicht nur möglich, sondern sogar geboten. Und es ist Sache von Poli­tikern wie Ihnen, diese größte relative Sicherheit durchzusetzen.

Sie sind stell­ver­tre­tende Vor­sit­zende einer Regie­rungs­fraktion. Und was tun Sie? Nach dem Mas­saker von Paris hielten Sie eine Rede im Bun­destag, in der Sie ver­kün­deten, die Schließung der Grenze für wohl­ge­merkt illegale Ein­wan­derung – um etwas anderes geht es gar nicht – müsse auf jeden Fall unter­bleiben, alles andere wäre „ein Kniefall vor den Ter­ro­risten und Terroristinnen“.

Würden Sie in Fragen der ganz nor­malen Lebens­si­cherheit von ganz nor­malen Men­schen den gleichen Eifer wie beim Gendern an den Tag legen, wäre das schon ein Schrittchen in die richtige Richtung. 

Ich habe mir in den letzten drei Tagen auf Ihrer Face­book­seite ange­sehen, was Sie, Frau Högl, als Abge­ordnete tun. Sie winken sehr viel. Sie schütteln Hände. Sie wün­schen Mus­li­minnen und Mus­limen einen schönen Ramadan. Sie treffen sich mit den Mit­gliedern irgend­welcher Vereine, Sie weihen Denk­mäler ein. Und Sie ermahnen die Bürger unentwegt zum fried­lichen Zusammenleben.

Wissen Sie was, Frau Högl: das zivile Zusam­men­leben bekommen die Bürger und Bür­ge­rinnen ganz gut allein hin. Alles, was sie dafür brauchen, ist ein Staat, der die Ein­haltung von Recht durch­setzt, der eine men­schen­mög­liche Sicherheit garan­tiert, ordent­liche Ver­kehrswege und gute Schulen. Dafür ist tat­sächlich der Staat zuständig und niemand anderes. Dafür zahlen nicht alle aber doch ziemlich viele Bürger Steuern.

Sie, Frau Högl, sind Spit­zen­kan­di­datin der SPD Berlin, Sie wirken also sehr weit oben in dem Lan­des­verband der Partei mit, die Berlin seit ewigen Zeiten regiert. Ich weiß nicht, ob Sie sich dafür inter­es­sieren: aber Berlin ist die unsi­cherste Groß­stadt Deutsch­lands. Die öffent­lichen Ver­kehrs­mittel sind mise­rabel. Steigen Sie einmal in Lis­sabon oder Sin­gapur in eine U‑Bahn, wenn Sie wissen wollen, wie Nah­verkehr im 21. Jahr­hundert aus­sieht. Die Ber­liner Schulen zählen aner­kann­ter­maßen zu den schlech­testen des Landes.

Kurzum: alles, wofür Sie und andere Poli­tiker tat­sächlich Ver­ant­wortung tragen, liegt im elenden Zustand dar­nieder. Als Poli­ti­kerin beschäf­tigen Sie sich statt­dessen aus­schließlich mit Dingen, die Sie nichts angehen. 

Auf allen Feldern, die Ange­le­gen­heiten des Staates sind, sagen Sie ent­weder nichts. Oder, im Fall der gesetzlich vor­ge­schrie­benen Grenz­si­cherung, dass es nicht geht.

Und dazu kommt noch ein zweiter Punkt, der mehr und mehr Men­schen auf­fällt, und der sie wütend macht: Sowohl der isla­mische Terror – Sie wissen schon, die Ter­ro­risten und Ter­ro­ris­tinnen – als auch die ein­ge­wan­derte All­tags­kri­mi­na­lität: beides trifft Nor­mal­bürger und nicht Poli­tiker. Poli­tiker wohnen auch außer­or­dentlich selten in den gründlich ver­b­un­teten Vierteln wie Moabit oder dem Essener Norden. Ihre Kinder gehen nicht auf Schrott­schulen. Poli­tiker sind nicht auf öffent­liche Ver­kehrs­mittel ange­wiesen. Auch nicht auf das gesetz­liche Rentensystem.

Genau diese Dinge schießen in dieser Video­se­quenz zusammen, in der Sie lachen und quiet­schen, als würden Sie auf einem Kar­ne­vals­wagen stehen und Kamelle schmeißen, während der SPD-Chef Sätze inein­an­der­schachtelt, die auf den Punkt zulaufen: traurig das alles in Barcelona.

Aber leider nichts zu machen. Sie, Eva Högl, sind die Inkar­nation der in einer Partei auf­ge­stie­genen Gschaftl­hu­berin, die unentwegt irgendwo zugegen ist, sich zu Wort meldet, Pres­se­mit­te­lungen her­ausgibt, ihr Gesicht in die Kamera hält und ansonsten die Arbeit als Mit­glied eines Ver­fas­sungs­organs verweigert.

Sie sind, das haben Sie mit Ihrem Auf­tritt geschafft, ein iko­no­gra­fi­scher Typus für die spät­rö­mische Phase der bun­des­deut­schen Demo­kratie geworden. Diesen Status kann Ihnen keiner mehr nehmen. 

Mit besten Grüßen, Alex­ander Wendt

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Dieser Artikel erschien ursprünglich hier:  https://philosophia-perennis.com/2017/08/24/winkende-eva-hoegl-spd-symbolbild-fuer-die-endphase-der-bundesdeutschen-demokratie/

 

 

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