Ber­tels­manns Mär­chen­stunde: “Muslime in Europa – inte­griert, aber nicht akzeptiert?”

Es sind lauter hübsche, junge Leute, die da ein Grup­pen­selfie schießen. Vier, viel­leicht fünf Europäer und zwei oder drei Migranten. Erkenn­barer Migra­ti­ons­hin­ter­grund, aber auch nicht allzu fremd­län­disch aus­sehend. Aus­ge­lassen fröhlich sind sie, und der junge Mann mit dem Kraushaar in der Mitte hält das Handy hoch, um diesen har­mo­ni­schen, glück­lichen Moment in Pixeln zu bannen. Ein ein­ge­schwo­renes Grüppchen bester Freunde, so scheint es. Helle, freund­liche, moderne Umgebung, das Bild könnte aus dem neuen Ikea-Katalog stammen. Da sind auch ständig alle gna­denlos gut drauf, aus allen Winkeln der Welt im Mul­ti­kulti-Ikea-Heim bei­sammen und futtern in trauter Ein­tracht aus den vier­eckigen Papp­schachteln vom China Restaurant.

Es ist die optimale, bild­liche Umsetzung der Über­schrift eines Berichtes, her­aus­ge­geben am 24. August von der Ber­tels­mann­stiftung. „Reli­gi­ons­mo­nitor: Inte­gration von Mus­limen in Deutschland macht Fort­schritte“ froh­lockt der Titel. Man liest den Text und glaubt an eine Beschreibung aus einem anderen Land. „Sprach­kom­petenz, Bildung, Teilhabe am Arbeits­leben und inter­re­li­giöse Kon­takte von Mus­limen in West­europa. Man schaut ver­dutzt noch einmal hin. Ja, tat­sächlich, sie reden von Deutschland, denn gleich kommt die Watschn für die Deut­schen: Die For­scher sehen Deutschland auf einem guten Weg, auch wenn Teile der Gesell­schaft die Inte­gra­ti­ons­er­folge zu wenig aner­kennen. Diese Teile der Gesell­schaft sind natürlich „das Pack“, die Popu­listen, die Rechten, die Into­le­ranten, die AfD-Wähler, igitt.

Dass es nicht noch sehr viel besser läuft, als es eh schon tut, ist natürlich nur die „Gesell­schaft“ schuld, also wir Deut­schen. Dazu wird ein Zitat-Insert gebracht, in dem der Ver­ant­wort­liche für diese Unter­su­chung, nämlich der „Director“ und Ber­telsmann-Manager, seine eigene Studie mit einem Zitat seiner eigenen Meinung als Wahrheit ex Cathedra untermauert:

„Der inter­na­tionale Ver­gleich zeigt, dass nicht Reli­gi­ons­zu­ge­hö­rigkeit über die Erfolgs­chancen von Inte­gration ent­scheidet, sondern staat­liche, wirt­schaft­liche und gesell­schaft­liche Rahmenbedingungen“

Stephan Vopel,
Experte für gesell­schaft­lichen Zusam­menhalt der Ber­telsmann Stiftung.

Damit ist schon im Prinzip alles gesagt, was diese Unter­su­chung an Ergeb­nissen bringt.

Der Besuch der Moschee zu bestimmten Zeiten ist für den streng­gläu­bigen Muslim Pflicht. Anders, als christ­liche Europäer, kann er sich die Zeiten für den Got­tes­dienst nicht passend zu seinen geschäft­lichen Ter­minen ver­legen. Muss der Arbeit­geber darauf Rück­sicht nehmen?

Beruf­liche Nach­teile für „hoch­re­li­giöse Muslime“ fordern von der Gesell­schaft noch mehr Toleranz und Nach­gie­bigkeit. Stän­diges Beten, Moschee­gänge, Fasten und andere reli­giöse Vor­schriften, die die Arbeitzeit unter­brechen und in Beschlag nehmen, dürften nicht für Nach­teile bei der Bewerbung sorgen, findet Yasemin El-Menouar, die Islam-Expertin der Bertelsmann-Stiftung.

Beim Lesen der Studie fällt auf, dass hier Meister der sprach­lichen Camou­flage am Werk waren. Hier gleich zu Anfang eine Passage als Beispiel:
„Große mus­li­mische Bevöl­ke­rungs­gruppen sind für die meisten euro­päi­schen Gesell­schaften ein relativ neues Phä­nomen … Aller­dings wurden daraus erst ver­zögert gesell­schafts­po­li­tische Gestal­tungs­not­wen­dig­keiten abge­leitet. Dies hat damit zu tun, dass sowohl die Ein­wan­derer selbst als auch die Mehr­heits­ge­sell­schaft Ansprüche an die gesell­schaft­liche Gleich­stellung des Islams und an die soziale Inte­gration der Muslime erst in dem Maße for­mu­lierten, wie das Bewusstsein wuchs, dass die Muslime bleiben würden und West­europa zu ihrer Heimat geworden ist.“ (Seite 10 der Studie, Her­vor­hebung durch den Autor)

Dies ist schlicht unwahr. Die (noch) Mehr­heits­ge­sell­schaft (die Deut­schen) hat nicht den Anspruch der Gleich­stellung des Islams for­mu­liert, ganz im Gegenteil. Laut Focus finden dieses Jahr 70% der Deut­schen, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, etwa ein Drittel emp­findet den Alltag in Deutschland sogar als „von der zuneh­menden Anzahl von Mus­limen negativ beein­flusst“. Von einer For­derung der Mehr­heits­ge­sell­schaft nach Gleich­stellung des Islam kann also keine Rede sein. Es ist auch nicht so, dass das Ver­ständnis und Wohl­wollen für den Islam in dem Maße gewachsen sei, wie den Deut­schen bewusst wurde, dass die Migranten gekommen sind, um zu bleiben. Im Gegenteil: Mitte 2016 waren nur 60% der Deut­schen der Meinung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Im August 2014 waren es sogar nur 52%, die den Islam aus­drücklich als nicht zu Deutschland gehörig sahen.

All die schönen For­mu­lie­rungen der Studie können nicht darüber hin­weg­täu­schen, dass der blanke Wahr­heits­gehalt all dieser euphe­mis­ti­schen Säu­se­leien gegen Null geht.

Bei­spiel Inte­gration im Arbeitsmarkt. 

Die mus­li­mi­schen Pro­banden wurden bei­spiels­weise befragt, ob sie arbeitslos seien oder berufs­tätig. Die Antwort wurde unhin­ter­fragt als wahr ange­nommen, und so kam man auf eine Zahl von nur 7% Arbeits­lo­sigkeit unter den befragten Mus­limen — und das sei von den 5% Arbeits­lo­sigkeit bei den Deut­schen nicht weit ent­fernt. Das steht im Wider­spruch zu den offi­zi­ellen Zahlen der Bun­des­agentur für Arbeit. Zu einer Zeit, als es noch keine Mas­sen­mi­gration nach Deutschland gab, die Zahlen der arbeits­losen und auf Sozi­al­leis­tungen ange­wie­senen Flücht­linge und Zuwan­derer also noch nicht in die Sta­tis­tiken Eingang gefunden haben, finden wir in der Arbeits­markt­be­richt­erstattung der Bun­des­agentur für Arbeit aus dem Juni 2014 fol­gende Angaben in der Zusammenfassung:

„Der Anteil von Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund in der Bevöl­kerung lag im Jahr 2012 bei 20 Prozent. Von den 2,17 Mil­lionen Arbeits­losen (Dezember 2013) mit Angaben zum Migra­ti­ons­status hat mit 770.000 deutlich mehr als ein Drittel (36 Prozent) einen Migrationshintergrund.“
In der gesamten Bun­des­re­publik lag im Jahr 2012 der Migranten in Deutschland bei 20%
Bei ca. 80 Mil­lionen Ein­wohnern waren das 16 Mil­lionen Men­schen mit Migrationshintergrund.
Davon waren 770.000 arbeitslos. Das ent­spricht einem Arbeits­lo­sig­keits-Pro­zentsatz von 4,8% im Jahr 2012.
Der Anteil der deut­schen Arbeits­losen, von den 64 Mil­lionen Deut­schen, die nach Abzug der Ein­wohner mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund bleiben, beträgt nach Abzug der 770.000 nicht­deut­schen Arbeits­losen in abso­luten Zahlen 1.400.000 (Eine Million Vier­hun­dert­tausend). Das ent­spricht einem Arbeits­lo­sig­keits-Pro­zentsatz von 2,1% im Jahr 2012.
Also halb so viele, wie bei den Migranten.
Damals war die Welt aber noch halbwegs in Ordnung.

In neueren Sta­tis­tiken der Bun­des­agentur für Arbeit findet man „Erste Ergeb­nisse“ aus dem Juni 2016 zu den Arbeits­markt­sta­tis­tiken zu geflüch­teten Men­schen. Darin werden aner­kannte Schutz­be­rechtige und geduldete Aus­länder zusam­men­ge­fasst. Hierzu heißt es in der Statistik:
„Im Juni 2016 waren 297.000 Geflüchtete als Arbeit­su­chende gemeldet, von ihnen waren 213.000 aner­kannte Schutz­be­rech­tigte, 78.000 Asyl­be­werber und nur 6.000 geduldete Aus­länder. Grund­sätzlich werden aner­kannte Schutz­be­rech­tigte von Job­centern und Asyl­be­werber und geduldete Aus­länder von Arbeits­agen­turen betreut. Von den Flücht­lingen waren 131.000 arbeitslos.“

Dazu ist anzu­merken, dass diese Zahlen lediglich die ein­ge­wan­derten Men­schen erfassen, die sich gemeldet haben, regis­triert sind und tat­sächlich Arbeit suchen. Illegale und Unter­ge­tauchte sind nicht erfasst. Auch nicht solche, die gar nicht Arbeit suchen. Von diesen 297.000 Regis­trierten sind 131.000 arbeitslos. Das ent­spricht einer Arbeits­lo­sen­quote von 44% — wohl­ge­merkt, unter denen, die über­haupt Arbeit suchen.

Im Wei­teren nennt die Sta­tistik die Qua­li­fi­ka­tionen der Flücht­linge, die Arbeit suchen:„Arbeit­su­chende Flücht­linge sind weit über­wiegend männlich (76 Prozent) und zu einem großen Teil jünger als 30 Jahre (47 Prozent). Von ihnen haben 26 Prozent keinen Haupt­schul­ab­schluss und 74 Prozent keine formale Berufs­aus­bildung. 26 Prozent können Abitur bzw. Hoch­schul­reife und 9 Prozent eine aka­de­mische Aus­bildung vor­weisen. Im Ver­mitt­lungs- und Bera­tungs­ge­spräch legen Arbeits­ver­mittler und Arbeit­su­chende einen ersten Ziel­beruf fest. Danach kommen von den Geflüch­teten 58 Prozent für Hel­fer­tä­tig­keiten, 15 Prozent für Fach­kraft- und Spe­zia­lis­ten­tä­tig­keiten und 4 Prozent für Exper­ten­tä­tig­keiten in Frage“.

Diese wenig hoff­nungs­spen­denden Qua­li­fi­ka­tionen machen es sehr schwer, über­haupt eine beruf­liche Betä­tigung für die 74% ohne Berufs­aus­bildung zu finden, schon gar eine Tätigkeit, die ein eini­ger­maßen aus­kömm­liches Leben bietet. Zwei Drittel der Migranten ver­fügen über keine oder äußerst rudi­mentäre Kennt­nisse im Schreiben, Lesen oder Rechnen.

Eine Indus­trie­ge­sell­schaft wie Deutschland hat aber wenig Hilfs­ar­bei­ter­stellen zu bieten, dafür sind die Pro­duk­ti­ons­ab­läufe zu sehr auto­ma­ti­siert. Der Wille zur Aus­bildung ist bei den Neu­an­kömm­lingen aber eher zurück­haltend aus­ge­prägt, und so titelte die Süd­deutsche im April 2017 „Inte­gration — der große Job-Flop“. 70% der Flücht­linge, die aus Afgha­nistan, Syrien oder dem Irak nach Deutschland kamen, brachen ihre Aus­bildung wieder ab. Das war aller­dings 2013, als es noch wenige Flücht­linge gab. Man sich konnte sich damals noch so um die Neu­ein­steiger kümmern, wie es erfor­derlich war. Die Situation hat sich seither sehr verschlechtert.

So schreibt die Welt, dass, obwohl 75% der Betriebe dazu bereit wären, Flücht­linge als Arbeit­nehmer, Aus­zu­bil­dende oder Prak­ti­kanten auf­zu­nehmen, nur sehr wenige Asyl­be­werber und Flücht­linge inter­es­siert oder fähig sind, aller­dings viele auch noch in Sprach­kursen Deutsch lernen. Man geht davon aus, dass die­je­nigen, die wirklich Arbeit wollen, acht bis zehn Jahre brauchen werden, bis sie in den Arbeits­markt inte­griert sind. Die Euphorie ist ver­flogen, lautet das Resümée.

Im Mai 2017 ist die Zahl der arbeits­su­chenden Flücht­linge stark gewachsen — seit Juli 2016 um rund 48 Prozent auf 475.823 Per­sonen, laut offi­zi­eller Statistiken.

Im Gegensatz zu den pos­tu­lierten Ergeb­nissen der Ber­telsmann-Stiftung ist die Inte­gration in den Arbeits­markt sowohl bei den schon länger in Deutschland lebenden Migranten und besonders bei den Flücht­lingen nicht so eine strah­lende Erfolgs­ge­schichte, wie die Stiftung es dar­stellen möchte.

“Kul­tu­relle Distanz” als Hin­dernis für Integration

Flücht­lings­ströme nach Europa — haupt­sächlich junge Männer. (Bild: public domain)

Dazu kommt in der Tat noch das Problem der „kul­tu­rellen Distanz“. Dieses Problem beruht sicher auch zu einem guten Teil auf bei­der­sei­tigen Vor­ur­teilen, die aber nicht – wie die Ber­telsmann-Studie zu ver­mitteln bemüht ist, fast gänzlich von den Deut­schen aus­gehen. Freund­liche, dankbare, auf­ge­schlossene Men­schen, die hier­her­kommen, sich ein­gliedern, enga­gieren und den Deut­schen offen und tolerant begegnen, würden die Reser­viert­heiten der Deut­schen in wenigen Jahren abbauen, so dass nur die echten, Ewig-Gest­rigen und ein­ge­fleischte Ras­sisten die mus­li­mi­schen Neu­bürger weiter ablehnen würden. Den­je­nigen Mus­limen und anderen Ein­wan­derern, die sich so freundlich und auf­ge­schlossen zeigen, erweisen sich 95% der Deut­schen auch als offen und freundlich.

Dass die wach­sende Ablehnung gegen Muslime einen Grund hat, arbeitet der Migra­ti­ons­for­scher Ruud Koopmans sehr gut heraus.

Im Gegensatz zur Ber­telsmann-Studie, die behauptet, die Muslime seien sehr gut inte­griert und das auch auf dem Arbeits­markt, und dass auch hoch­re­li­giöse Muslime, die etwa 40% (!) der Muslime in Deutschland stellen, bei etwas mehr Toleranz und Ent­ge­gen­kommen keine Pro­bleme im Arbeits­markt ver­ur­sachen würden, kommt Koopmans mit sorg­fäl­tigen Recherchen auf ein anderes Ergebnis:

„In allen euro­päi­schen Ländern liegen mus­li­mische Immi­granten bei fast allen Merk­malen der Inte­gration mit Abstand hinter allen anderen Ein­wan­de­rer­gruppen zurück. Das gilt für den Arbeits­markt, aber auch für Bil­dungs­er­geb­nisse, für inter­eth­nische Kon­takte, also solche mit der hei­mi­schen Bevöl­kerung, und die Iden­ti­fi­kation mit dem Wohnland.“

In seinen Unter­su­chungen machte er drei Haupt­fak­toren aus, die durch “Kul­tu­relle Distanz”-Probleme bei der Inte­gration auf dem Arbeits­markt hin­derlich sind: „Sprach­kennt­nisse, inter­eth­nische Kon­takte — vor allem Hei­raten als inten­sivste Form — und Wert­vor­stel­lungen über die Rolle der Frau.“

Hoch­re­li­giöse Muslime müssen einen Katalog von Ver­hal­tens­normen befolgen, die sich kaum mit dem Leben in der west­lichen Welt ver­ein­baren lassen.

Hoch­re­li­giöse Muslime, nur um ein Bei­spiel zu nennen, dürfen einer Frau nicht einmal die Hand geben, die Frau hat den Blick zu senken, wenn ein Mann zugegen ist, und so ein Mann wird unter keinen Umständen einer Frau gehorchen. Eine unver­schleierte Frau ist für ihn eine Pro­sti­tu­ierte und eine Ungläubige überdies und steht – dem Koran nach – noch unter der Stufe eines Tieres. Da in der west­lichen Arbeitswelt etwa die Hälfte der Kol­legen aus Frauen besteht und viele davon in lei­tender Position, muss man nicht weiter erläutern, warum eine fruchtbare Zusam­men­arbeit kaum möglich ist.

Es ist unklar, ob den Machern der Studie diese grund­le­genden Dinge nicht bekannt sind, wenn sie fordern, dass der Islam den­selben Stel­lenwert besitzen soll, wie die Euro­päische Kultur und Religion. Es wäre inter­essant zu erfahren, wie sie sich vor­stellen, dass eine Chefin einem ange­stellten, hoch­re­li­giösen Muslim Anwei­sungen gibt oder ihn sogar kri­ti­siert, ohne dass das zu ernst­haften Schwie­rig­keiten führt. Wie soll ein Betrieb damit umgehen, dass ein homo­se­xu­eller Mit­ar­beiter kei­nes­falls dem Hoch­re­li­giösen unter die Augen kommen darf, da dieser sich sonst gezwungen sehen könnte, den Homo­se­xu­ellen der vom Koran gefor­derten Strafe zuzu­führen. In vielen isla­mi­schen Staaten steht auf Homo­se­xua­lität die Todesstrafe.

Das, was die Ber­telsmann-Stiftung so hübsch als „hoch­re­ligiös“ bezeichnet, nennt man land­läufig auch „fun­da­men­ta­lis­tisch“. Darauf ange­sprochen, sieht Koopmans sehr wohl die Pro­bleme dieser Hoch­re­li­giösen, sich in die deutsche Gesell­schaft ein­zu­finden: „Deren strenge Reli­gio­sität bedeutet: Ablehnung anderer Bevöl­ke­rungs­gruppen, Anti­se­mi­tismus, Feind­schaft gegen Schwule, und die Idee, dass der Westen den Islam ver­nichten will. Außerdem: schwache Sprach­kennt­nisse und eine extrem kon­ser­vative Auf­fassung über die Rolle der Frau. Daher ist in dieser Gruppe das Problem der Arbeits­lo­sigkeit noch deutlich größer als bei anderen Muslimen.“

Den gerne vor­ge­brachten Einwand, mus­li­mische Migranten radi­ka­li­sierten sich erst durch die Erfahrung der Dis­kri­mi­nierung im Gastland Deutschland, wider­spricht Koopmans ener­gisch: „Das ist eine oft in den Raum gestellte Behauptung. Sie ist aber falsch. Wir haben in unserer großen Studie die Muslime gefragt, wie stark sie sich dis­kri­mi­niert fühlen, und nach Zusam­men­hängen zur Ent­wicklung eines fun­da­men­ta­lis­ti­schen Welt­bildes gesucht. Aber die gibt es nicht. Hass gegen Nicht-Muslime ist kein beson­deres Phä­nomen mus­li­mi­scher Ein­wan­derung, sondern ist in den Her­kunfts­ländern noch schlimmer. Die Radi­ka­li­sierung wird nicht erst hier in Europa pro­du­ziert, sondern kommt aus der mus­li­mi­schen Welt.“

Die Rolle der Frau in der isla­mi­schen Welt ist eine fun­da­mental andere als in Europa. Wie soll ein fun­da­men­ta­lis­ti­scher, nicht inte­grierter Muslim mit gleich­be­rech­tigten oder ihm vor­ge­setzten Frauen in der Arbeitswelt umgehen?

Ruud Koopmans Ergeb­nisse basieren nicht auf Sug­ges­tiv­fragen, schwam­migen Selbst­aus­künften und unge­nauen Defi­ni­tionen. Der Direktor der Abteilung Migration, Inte­gration, Trans­na­tio­na­li­sierung am Wis­sen­schafts­zentrum Berlin für Sozi­al­for­schung hat eine wis­sen­schaftlich saubere, seriöse und wirklich wis­sen­schaft­liche Unter­su­chung unter dem Titel „Funk­tio­niert Assi­mi­lierung? Bestim­mende sozio­kul­tu­relle Fak­toren der Teil­nahme am Arbeits­markt bei euro­päi­schen Mus­limen“ (Does assi­mi­lation work? Socio­cul­tural deter­mi­nants of labour market par­ti­ci­pation of European Muslims) durch­ge­führt, die man hier (kos­ten­pflichtig) abrufen kann.

Gelungene Inte­gration führt zum beruf­lichen Erfolg — nicht umgekehrt!

In der kos­tenlos ein­seh­baren Zusam­men­fassung (Abs­tract) heißt es:

„Num­erous studies have shown that even after con­trolling for relevant socio-eco­nomic back­ground variables, the labour market position of immi­grant mino­rities lags con­siderably behind that of natives. The label ‘ethnic pen­alties’ is often used to denote these gaps and reflects the idea that dif­fe­rences between natives and immi­grants that cannot be explained by demo­graphic and human capital variables must be due to dis­cri­mi­nation by employers. I challenge this inter­pre­tation by looking at the role of socio­cul­tural variables such as lan­guage pro­fi­ciency, inter­ethnic social ties and gender values as alter­native sources of unex­plained ethnic group dif­fe­rences. I use the data from the cross-national ‘Eurislam’ survey of four immi­grant ethnic groups of pre­do­mi­nantly Muslim belief—Turks, Moroccans, former Yugoslav Muslims and Pakistani—as well as native ethnics. The results indicate that once socio­cul­tural variables are taken into account, dif­fe­rences in rates of labour market par­ti­ci­pation and unem­ployment between native ethnics and the Muslim groups are strongly reduced and in many cases become sta­tis­ti­cally insi­gni­ficant. Using mediation ana­lyses, I demons­trate that the fin­dings do not fit a sce­nario that assumes that the cau­sality pri­marily flows from labour market par­ti­ci­pation to socio­cul­tural assi­mi­lation rather than the other way around.“

Über­setzung:
Zahl­reiche Studien haben gezeigt, dass – auch nach der Steuerung wich­tiger Variablen des Sozio-öko­no­mi­schen Hin­ter­grundes – die Lage ein­ge­wan­derter Min­der­heiten auf dem Arbeits­markt beträchlich hinter der der Ein­ge­bo­renen zurück­bleibt. Das Etikett „eth­nische Nach­teile“ wird oft benutzt, um diese Lücken zu benennen, es spiegelt den Gedanken wider, dass Unter­schiede zwi­schen Ein­ge­bo­renen und Immi­granten, die nicht durch demo­gra­fische und bil­dungs­ka­pital-Variablen erklärt werden können, an der Dis­kri­mi­nierung durch den Arbeit­geber liegen müssen. Diese Inter­pre­tation stelle ich in Frage, indem ich die Rolle der sozio­kul­tu­rellen Variablen unter­suche, wie zum Bei­spiel Sprach­fer­tig­keiten, inter­eth­nische soziale Bin­dungen und Gender-Wer­tig­keiten als andere, mög­liche Quellen der unge­klärten Unter­schiede zwi­schen eth­ni­schen Gruppen. Ich benutze das Daten­ma­terial der über­na­tio­nalen „Eurislam“-Studie zu vier eth­ni­schen Gruppen haupt­sächlich mus­li­mi­schen Glaubens: Türken, Marok­kaner, ehemals jugo­sla­wische Muslime und Paki­stani – wie auch die Ethnie der jeweils Ein­ge­bo­renen. Die Ergeb­nisse zeigen, dass, sobald man die sozio­kul­tu­rellen Fak­toren berück­sichtigt, die Unter­schiede in den Quoten der Teil­nahme am Arbeits­markt und der Arbeits­lo­sigkeit zwi­schen den ein­ge­bo­renen Ethnien und der mus­li­mi­schen Gruppen stark zurück­gehen, und in vielen Fällen sogar sta­tis­tisch unbe­deutend werden. Durch die Anwendung von Media­tions-Ana­lysen zeige ich auf, dass die Ergeb­nisse nicht zu einem Sze­nario passen, das davon ausgeht, dass der Kau­sal­zu­sam­menhang aus der Teilhabe am Arbeits­markt heraus, hin zur sozio­kul­tu­rellen Anpassung führt, sondern dass es genau anders­herum ist.
(Gemeint ist: Nicht die gelungene Ein­glie­derung im Arbeits­markt führt zur Inte­gration und Anpassung an das Gastland, sondern anders­herum: die gelungene Anpassung und Inte­gration führt zum Erfolg in der Arbeitswelt.)

Das von der Ber­telsmann-Stiftung pro­pa­gierte Modell, den „hoch­re­li­giösen Mus­limen“ einen Arbeits­platz anzu­bieten, an dem nicht sie sich anpassen müssen, sondern statt­dessen der Arbeit­geber ihrem (mit euro­päi­schen Gepflo­gen­heiten und Werten gänzlich inkom­pa­tiblen) Fun­da­men­ta­lismus noch weiter ent­ge­gen­kommt, um ein­seitig alle ihre Wünsche zu erfüllen, steht im Gegensatz zu den Erkennt­nissen Koopmans. Das Ber­telsmann-Modell geht aber auf­fällig konform mit den Bestre­bungen eben­jener Fun­da­men­ta­listen, Europa zu isla­mi­sieren sowie den Bemü­hungen Merkels und der linken Kräfte, alles Deutsche zu kri­mi­na­li­sieren, zu dif­fa­mieren und zu marginalisieren.