Digitale Wirt­schaft – Nahles erklärt die Zukunft zum Feind

Ein paar Tage nach der Wahl lässt die SPD ihre Maske fallen. Statt Pläne für die digitale Zukunft zu prä­sen­tieren, werden anti­ka­pi­ta­lis­tische Res­sen­ti­ments bedient.

Jahren auch als Kan­di­datin für die Kanz­ler­schaft antreten könnte. Nahles gehörte als Schröder-Kri­ti­kerin schon immer dem linken Flügel der Partei an. Dabei hat sie in all ihren Jahren in der Politik gezeigt, dass sie vor allem einen aus­ge­zeich­neten Riecher für Macht besitzt – und das nötige Sitz­fleisch hat, um schwierige per­so­nelle Kon­stel­la­tionen in der Partei zu über­stehen. Ihr Ton ist oft rau, Kritik an sich selbst ver­trägt sie nicht so gut.

An ihrem ersten Tag als frisch gewählte Frak­ti­ons­vor­sit­zende hat Nahles aller­dings diesen Riecher in zwei schwachen Augen­blicken ver­loren. Über ihre Ankün­digung, der CDU „in die Fresse“ hauen zu wollen, ist schon sehr viel gesagt und get­wittert worden. Ihre zweite Ankün­digung ist dabei etwas unter­ge­gangen. Nahles will nämlich den „digi­talen Kapi­ta­lismus“ bekämpfen. Das sei neben der Union ihr wich­tigster Gegner. Damit meint sie offenbar die großen Inter­net­firmen, ihre Daten­sam­melwut und Ver­kaufs­platt­formen wie Amazon, die ihre Ange­stellten schlecht behandeln.

„Digi­taler Kapi­ta­lismus“ als Feind

Nun kann man über beide Themen natürlich dis­ku­tieren. Man sollte es sogar. Aber was sagt es eigentlich über Frau Nahles und ihre SPD aus, wenn nur ein paar Tage nach der Wahl die Digi­ta­li­sierung als wich­tigster Gegner neben der Union hin­ge­stellt wird?

Statt um digitale Visionen, Lea­dership und Zukunfts­pla­nungen geht es vor allem um Abwehr­stra­tegien. Ängste vor Job­verlust durch die auto­ma­ti­sierte Industrie werden geschürt. Auch die alte Leier von den Gefahren einer ständig erreich­baren Gesell­schaft kommt wieder auf das Tableau. Ohne Hinweis darauf, dass durch die Ver­netzung viel­leicht auch eine völlig neue Zeit­sou­ve­rä­nität ent­stehen könnte. Kapi­ta­lismus ist offenbar ziemlich schlimm, wenn man Andrea Nahles zuhört, schlimmer noch ist „digi­taler Kapitalismus“.

Man kann die Bemerkung der neuen Frak­ti­ons­chefin als reinen Popu­lismus abtun. Oder twittern, dass sie das Internet nicht ver­standen habe. Aber es ist viel grund­le­gender. Hatte die SPD wie alle anderen Par­teien in den Wahl­pro­grammen noch ange­kündigt, man werde sich um die Zukunft kümmern, die Kraft der Digi­ta­li­sierung nutzen, damit wir uns in Deutschland in vielen Bereichen ver­bessern können, fällt nach der Wahl ganz schnell die Maske. Was bei Andrea Nahles übrig bleibt, ist: Digi­ta­li­sierung nimmt uns ver­nünftige Arbeit weg, hin­ter­zieht Steuern, trägt nicht zum Gemeinwohl bei und gehört mit allen Kräften bekämpft.

Ihre wirk­liche Erneuerung ver­passt die SPD

Es ist schade, dass die SPD ihre his­to­rische Wahl­nie­derlage nicht zu einer wirk­lichen Erneuerung nutzt. Statt­dessen rückt nach dem wackeren und etwas blassen Thomas Oppermann die lange in der War­te­po­sition ver­har­rende Andrea Nahles in die erste Reihe. Wie bei der Erb­folge an einem könig­lichen Hof. Aller­dings hat sich die Welt da draußen dra­ma­tisch ver­ändert in den ver­gan­genen Jahren. Wir stehen vor völlig neuen, großen Her­aus­for­de­rungen, die neue Lösungen erfordern. Nur weil sie sich so lange in der Par­tei­hier­archie gehalten hat, soll Frau Nahles jetzt plötzlich kom­petent sein, diese Lösungen zu finden? Statt­dessen bekommen wir ein paar Tage nach der Wahl den ersten Geschmack davon, wie das Rück­zugs­ge­fecht gegen die digitale Zukunft bei der SPD aus­sehen soll: Sie hält fest an der Ver­gan­genheit, statt auf die Zukunft zu setzen.

Die Sozi­al­de­mo­kraten ver­geben so gleich in der ersten Woche als Oppo­sition eine große Chance. Da draußen sind nämlich junge Leute, die auf eine Partei warten, die sich mit ihnen und ihrer Welt beschäftigt. Mit ihrer neuen Arbeitswelt, mit den Her­aus­for­de­rungen und vor allem mit den Chancen. Da draußen sind Startups, die gerade die digitale Wirt­schaft erfinden. Weit weg von Schlag­worten wie „digi­taler Kapitalismus“.

 

Quelle: Grün­der­szene und TheE­urpean

Bild: Wiki­media