Thys­sen­Krupp: Das Ende einer Legende

Stahl ist in Deutschland Legende. In diesen Wochen endet völlig unnö­ti­ger­weise eine Ära, auf die man nicht unbe­dingt stolz sein muss, aber eine, die das Land ehedem geprägt hat, wie heute bei­spiels­weise die Auto­mo­bil­in­dustrie. Für Anleger und Börsen wird das gra­vie­rende Folgen haben.

(Von Florian Josef Hoffmann)

Manche werden sich weh­mütig an das Fir­menlogo von Krupp in Essen erinnern, drei inein­ander ver­schlungene Ringe, Olympia-ähnlich. Diese Logo sym­bo­li­siert die stäh­lernen Stahl­reifen auf den Rädern der Räder der Eisenbahn, aus einem Stück geschmiedet, mit dem Krupp mär­chen­haften Reichtum erwab. Sie sym­bo­li­sierten den Stolz der Stahl­räder für Eisen­bahnen, denen eine besondere Legierung und die Schmiede eine besondere Härte verlieh. Das neue Material hatte im ersten Welt­krieg die Bestimmung, den Sieg her­bei­zu­führen – was gründlich misslang. Die „Dicke Bertha“ wurde zum Symbol dafür. Der Volksmund hatte für die größte Kanone aller Zeiten den Vor­namen der Allein­erbin Bertha Krupp von Bohlen und Halbach ent­liehen. Auch zu den Stahl­ge­wittern des Zweiten Welt­kriegs lie­ferte Krupp einen mas­siven Beitrag, was ihrem Sohn Alfried nach dem Krieg eine lang­jährige Haft­strafe einbrachte.

Alfried Krupps Gegen­spieler Heinrich Baron Thyssen-Bor­ne­misza de Kászon hatte sich mit seiner August-Thyssen-Hütte am gesell­schaftlich nicht so eli­tären Nie­der­rhein eta­bliert und war wohl gleich­falls Kriegs- und NS-Pro­fiteur. Vor zwanzig Jahren, also ein halbes Jahr­hundert später, ent­stand der ver­meint­liche Stahl­gigant Thys­sen­Krupp unter Schmerzen – viele erinnern sich an die Aufgabe des Stahl­stand­ortes Rhein­hausen -, in diesen Wochen ist der Konzern Geschichte. Selbst­aufgabe, Übergabe in die Hände der indi­schen Tata-Gruppe, die sich damit von der fünften auf die vierte (!) Stelle der Welt­rang­liste vor­schiebt, die von Arcelor-Mittal, eben­falls indisch, ange­führt wird.

h6 Thyssen als Welt­macht des Stahls: vorbei!

Wer glaubt, wir reden hier über Giganten, der irrt. Die Welt­rang­liste der Her­stel­ler­länder führt China an, wo auch einige der aus­län­di­schen Her­steller Pro­duk­ti­ons­standorte haben. In China wird circa achtzehn mal so viel Stahl pro­du­ziert wie in Deutschland. Die Legende hat ein Ende. Und die Fusion ist unnötig. Sie ist ein Produkt des Preis­ver­falls und der Preis­verfall ist ein Produkt des Über­an­gebots auf den Welt­märkten. Und gerade das Über­an­gebot ist unnötig und über­flüssig, denn es kann durch die Ver­ein­barung von Quoten und Kon­tin­genten geregelt werden. Damit lassen sich die Markt­preise so regeln, dass kein Her­steller von Mas­sen­gütern Ver­luste machen muss, also auch keiner aus­scheiden muss, wobei dann auch die Ver­sor­gungs­si­cherheit für die Indus­trie­kunden (Bau, Schiffbau, und Auto­mo­bilbau vor allem) gesi­chert ist und in gleicher Weise die Arbeits­plätze der Arbeit­nehmer. Gegen eine solche Men­gen­re­gu­lierung gibt es vor allem zwei Argumente:

Meist­ge­nanntes Argument von Kar­tell­be­hörden und Ver­brau­cher­schützern ist: Der Ver­braucher, also der Abnehmer, bezahlt zu viel. Das Argument ist einfach wider­legbar: Wenn sich die Her­steller auf Kon­tin­gente einigen, die zu kos­ten­de­ckenden Preisen führen, dann ist die Kon­se­quenz keine andere, als die, dass faire Preise bezahlt werden, dass also Leis­tungen leis­tungs­ge­recht ver­gütet werden. Bei rui­nösem Wett­bewerb zahlt der Abnehmer zu wenig, nur bei fairen Preisen zahlt er leistungsgerecht.

Nur soviel Steuerung wie nötig…

Meist­ge­nanntes Argument von Öko­nomen und libe­ralen Poli­tikern ist: Das ist keine Markt­wirt­schaft. Das Argument ist noch leichter widerlegt: In einer freien Markt­wirt­schaft variiert die Zahl der Anbieter und/oder die Ange­bots­menge stets, denn eine Markt­wirt­schaft ist nur dann frei, wenn der Anbieter das Recht hat, sein Angebot auf dem Markt zu redu­zieren oder sich ganz vom Markt zurück­zu­ziehen – aus welchen Gründen auch immer. Als Bei­spiel diene der Verkauf einer selbst­ge­nutzten Eigen­tums­wohnung. Es handelt sich um ein Bei­spiel, das jeder ver­steht, weil der Anbieter und das Angebot in diesem Fall zusam­men­fallen. Das Argument lautet: Niemand kann von einem Ver­käufer ver­langen, dass er seine Preis­vor­stel­lungen redu­ziert (oder ihm der Kunde den Preis kaputt machen darf), wenn er den erwar­teten oder ver­langten Preis nicht erzielt. Nein, jeder Anbieter muss das Recht haben, sein Angebot ganz oder teil­weise vom Markt nehmen, letztlich also die Ange­bots­menge auf dem Markt zu steuern.

Ob der Anbieter das alleine macht oder in Abrede mit anderen, spielt dabei keine Rolle. Auch in Abreden ist er frei, da sie am Ende nur dazu dienen, dass der Anbieter sein Recht auf einen fairen Preis wahr­nimmt. Die freie Steuerung des Angebots durch den freien Anbieter ist deshalb unbe­dingter Bestandteil einer freien Markt­wirt­schaft – was selbst­redend gerecht ist, weil der Nach­frager, der Kunde, der Ver­braucher nicht weniger frei ist. Auch er kann kommen und gehen, wann er will.

…. und die Tata-Thyssen-Fusion wäre vom Tisch!

Zurück zur Legende. Es gibt schon einen glo­balen Verband der Stahl­pro­du­zenten, „Worldsteel“ in Brüssel. Er könnte für seine Mit­glieder global die Kon­tin­gen­tierung in 60 Her­stel­ler­ländern mit 161 Pro­du­zenten steuern – wenn man ihn ließe. Sein Geschäfts­führer würde als erstes nach China reisen. In der Polit­zen­trale Peking würde er abge­wiesen, weil über die Pro­duktion der Stahl­hütten in China die „Lan­des­fürsten“ bestimmen. Und die sind auf die Ein­nahmen ange­wiesen. Deshalb erhöhen sie – jeder dabei nur an sich denkend – bei sin­kenden Markt­preisen per­manent die Pro­duktion, was zwar im ersten Moment die Ein­nahmen erhöht, aber schon bald danach die Preise wieder noch weiter sinken lässt. Auf dem Stahl­markt hat sich eine ruinöse Spirale nach unten in Gang gesetzt, die es auf­zu­fangen gilt.

Also müsste der Geschäfts­führer die „Lan­des­fürsten“ zum Gespräch nach Peking ein­laden und sagen: Wir stellen erst einmal fest, wie sich die Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­täten auf die Pro­vinzen ver­teilen. Danach ver­teilen wir Kon­tin­gente und Quoten, die zu einer Gesamt­pro­duk­ti­ons­menge führen, die den glo­balen Stahl­markt sättigt, aber nicht über­sättigt. Mit einer der­ar­tigen Quoten-Ver­ein­barung gehen die „Lan­des­fürsten“ zufrieden nach­hause, um sich auf stei­gende Ein­nahmen zu freuen, denn mit dem so bewirkten höheren Preis­niveau steigen für alle Anbieter die Ein­nahmen – und sie sta­bi­li­sieren sich –, obwohl (oder weil) überall weniger Stahl pro­du­ziert wird, denn: Eine Quo­ten­re­gelung, wie sie 25 Jahre lang in Deutschland für 100.000 Milch­bauern funk­tio­niert hat, funk­tio­niert auch bei 161 Stahl­ko­chern. Den Rest der glo­balen Stahlwelt nach dem­selben Schema zu über­zeugen, wäre ange­sichts eines Erfolges in China ein Klacks. Es würde überall Freude erzeugen, auch in Deutschland, denn die Fusion Tata – Thys­sen­Krupp wäre vom Tisch. Doch kein Ende der Legende?

Mehr zur Fusion der Stahl­sparten von Thyss­sen­Krupp und tata lesen Sie in Ihrer BÖRSE am Sonntag.

 

 

Quelle: TheEuropean.com