Der mutmaßliche islamistische Kämpfer Hussein Z. trug eine Fußfessel. Dennoch konnte der syrische Flüchtling den deutschen Behörden problemlos entkommen, indem er sich mit dem Flugzeug in die Türkei absetzte.
(Von Michael Müller)
Als an einem Oktobermorgen die Fußfessel des Islamisten Hussein Z. eine Stunde lang nicht mehr gesendet hatte, schlugen die Bediensteten der „Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder“ (GÜL) im hessischen Bad Vilbel Alarm. Zwar war das letzte Signal von Hussein Z. vom Flughafen Hamburg gekommen. Doch die Beamten machten sich zunächst keine Sorgen. Denn es ist nicht möglich, die Fessel loszuwerden. Zudem dachten sie, dass er damit nicht durch die Sicherheitskontrolle kommen würde. Doch dann orteten die Systeme Hussein Z. gegen neun Uhr plötzlich 2.000 Kilometer südöstlich der Hansestadt am Flughafen Athen. Dorthin war der Syrer offenbar problemlos an Bord eines britischen Billigfliegers gelangt. Dies berichtet der SPIEGEL.
Deutschlandweit überwacht die GÜL derzeit 96 Männer mithilfe von Fußfesseln. Doch die Flucht war für den syrischen Islamisten offenbar sehr einfach. Er buchte einen Flug, setzte sich ins Flugzeug und schon war er den deutschen Behörden entkommen.
Nur Bayern überwacht schon Islamisten per Fußfessel
Hussein Z. galt im internen Analysesystem der bayerischen Polizei als Person mit hohem Risiko, als besonders gefährlicher Gefährder, dem ein terroristischer Anschlag zuzutrauen ist. Im Ausland dürfen ihn deutsche Beamte mittels Fußfessel nicht mehr kontrollieren.
Ursprünglich wurden Fußfesseln vor allem bei Sexualstraf- und Gewalttätern eingesetzt, die ihre Freiheitsstrafe verbüßt haben, aber weiterhin als gefährlich gelten. Doch nun sollen die Fesseln verstärkt auch zur Kontrolle von Islamisten eingesetzt, die noch keine Straftat verübt haben.
Bayern verabschiedete die dafür notwendige Gesetzesänderung im Sommer. Nur hier wurde die Technik bei islamistischen Gefährdern bereits in zwei Fällen praktisch eingesetzt. Zumindest bei einem der beiden scheint die Fessel noch dessen Aufenthaltsort zu senden. Baden-Württemberg folgte in dieser Woche mit einer eigenen Gesetzgebung zur Fußfessel. In Sachsen-Anhalt steht ein Gesetzentwurf noch zur Debatte. Und in Nordrhein-Westfalen schaffte es das Thema immerhin schon in den Koalitionsvertrag von CDU und FDP.
Der 35-jährige Syrer Hussein Z. kam im Jahr 2015 als Flüchtling nach Deutschland. Seitdem ist er der Würzburger Polizei durch zahlreiche Straftaten aufgefallen, unter anderem wegen mehrerer Gewaltdelikte. Im Juni dieses Jahres erfuhr der Generalbundesanwalt durch Zeugenaussagen, dass Hussein Z. in Syrien Anführer mehrerer islamistischer Rebellengruppen gewesen sein soll. Ermittler des Landeskriminalamts Bayern fanden Internetvideos, die ihn bei Kämpfen zeigen sollen. Die Bundesanwaltschaft leitete daraufhin ein Verfahren wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Doch die Beweislage war schwach. Für einen Haftbefehl reichten die Informationen der Ermittler nicht. Allerdings wurde der Fall Hussein Z. mehrfach im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) des Bundes und der Länder thematisiert. Nach Aussagen eines Beamten habe er sich nämlich „sehr, sehr merkwürdig verhalten“.
So einfach gelang Hussein Z. die Ausreise aus Deutschland
https://youtu.be/PpCLtUlWa4g
Als der Syrer im August im Jobcenter Aschaffenburg mit Selbstmord drohte, kam er für zwei Monate in eine Art Präventivhaft, ohne dass ein Haftbefehl gegen ihn existierte. Dann wurde ihm die Fußfessel verordnet, mit der er Anfang Oktober wieder frei kam. Mit der Fußfessel aus Bayern zog er nach Hamburg zu Mutter und Schwester. Der Polizei sagte er, dass er demnächst über Griechenland in die Türkei reisen werde. Er wolle seinen Sohn aus einem Krankenhaus im türkisch-syrischen Grenzgebiet nach Deutschland holen. Nur zwei Tage später flog er dann tatsächlich nach Athen. „Ausreiseverhinderungsgründe lagen weder strafrechtlich, noch ausländerrechtlich oder polizeirechtlich vor“, teilte die Polizei Würzburg auf Anfrage des SPIEGEL mit. Auch sei der Flughafen Hamburg aus rechtlichen Gründen nicht als Aufenthaltsverbotszone deklariert worden. Denn die bayerische Polizei darf einem Fußfesselträger Verbotszonen nur in Bayern auferlegen, nicht aber in Hamburg oder in anderen Bundesländern.
Die für Ausreisekontrollen zuständige Bundespolizei wiederum hatte keine Handhabe, einen Fußfesselträger am Boarding zu hindern, weil Fußfesseln im Gegensatz zu Nagelscheren keine gefährlichen Gegenstände nach dem Luftsicherheitsverkehrsgesetz sind. Zwei Tage nach dem Abflug meldete sich Hussein Z. erneut bei den Beamten in Würzburg. Er sei nun in der Türkei angekommen, sagte er. Wahrscheinlich will er wirklich nur seinen Sohn abholen. Doch die Behörden können ihn nicht orten. Denn die Fußfessel funkt nicht mehr.
Michael Müller / BerlinJournal.biz