Trotz Fußfessel konnte der Gefährder Hussein Z. den bayrischen Behörden entkommen. (Screenshot: YouTube)

Gefährder ent­kommt Behörden trotz Fußfessel

Der mut­maß­liche isla­mis­tische Kämpfer Hussein Z. trug eine Fuß­fessel. Dennoch konnte der syrische Flüchtling den deut­schen Behörden pro­blemlos ent­kommen, indem er sich mit dem Flugzeug in die Türkei absetzte. 

(Von Michael Müller)

Als an einem Okto­ber­morgen die Fuß­fessel des Isla­misten Hussein Z. eine Stunde lang nicht mehr gesendet hatte, schlugen die Bediens­teten der „Gemein­samen elek­tro­ni­schen Über­wa­chungs­stelle der Länder“ (GÜL) im hes­si­schen Bad Vilbel Alarm. Zwar war das letzte Signal von Hussein Z. vom Flug­hafen Hamburg gekommen. Doch die Beamten machten sich zunächst keine Sorgen. Denn es ist nicht möglich, die Fessel los­zu­werden. Zudem dachten sie, dass er damit nicht durch die Sicher­heits­kon­trolle kommen würde. Doch dann orteten die Systeme Hussein Z. gegen neun Uhr plötzlich 2.000 Kilo­meter süd­östlich der Han­se­stadt am Flug­hafen Athen. Dorthin war der Syrer offenbar pro­blemlos an Bord eines bri­ti­schen Bil­lig­fliegers gelangt. Dies berichtet der SPIEGEL.

Deutsch­landweit über­wacht die GÜL derzeit 96 Männer mit­hilfe von Fuß­fesseln. Doch die Flucht war für den syri­schen Isla­misten offenbar sehr einfach. Er buchte einen Flug, setzte sich ins Flugzeug und schon war er den deut­schen Behörden entkommen.

Nur Bayern über­wacht schon Isla­misten per Fußfessel

Hussein Z. galt im internen Ana­ly­se­system der baye­ri­schen Polizei als Person mit hohem Risiko, als besonders gefähr­licher Gefährder, dem ein ter­ro­ris­ti­scher Anschlag zuzu­trauen ist. Im Ausland dürfen ihn deutsche Beamte mittels Fuß­fessel nicht mehr kontrollieren.

Ursprünglich wurden Fuß­fesseln vor allem bei Sexu­al­straf- und Gewalt­tätern ein­ge­setzt, die ihre Frei­heits­strafe verbüßt haben, aber wei­terhin als gefährlich gelten. Doch nun sollen die Fesseln ver­stärkt auch zur Kon­trolle von Isla­misten ein­ge­setzt, die noch keine Straftat verübt haben.

Bayern ver­ab­schiedete die dafür not­wendige Geset­zes­än­derung im Sommer. Nur hier wurde die Technik bei isla­mis­ti­schen Gefährdern bereits in zwei Fällen prak­tisch ein­ge­setzt. Zumindest bei einem der beiden scheint die Fessel noch dessen Auf­ent­haltsort zu senden. Baden-Würt­temberg folgte in dieser Woche mit einer eigenen Gesetz­gebung zur Fuß­fessel. In Sachsen-Anhalt steht ein Gesetz­entwurf noch zur Debatte. Und in Nord­rhein-West­falen schaffte es das Thema immerhin schon in den Koali­ti­ons­vertrag von CDU und FDP.

Der 35-jährige Syrer Hussein Z. kam im Jahr 2015 als Flüchtling nach Deutschland. Seitdem ist er der Würz­burger Polizei durch zahl­reiche Straf­taten auf­ge­fallen, unter anderem wegen meh­rerer Gewalt­de­likte. Im Juni dieses Jahres erfuhr der Gene­ral­bun­des­anwalt durch Zeu­gen­aus­sagen, dass Hussein Z. in Syrien Anführer meh­rerer isla­mis­ti­scher Rebel­len­gruppen gewesen sein soll. Ermittler des Lan­des­kri­mi­nalamts Bayern fanden Inter­net­videos, die ihn bei Kämpfen zeigen sollen. Die Bun­des­an­walt­schaft leitete dar­aufhin ein Ver­fahren wegen des Ver­dachts auf Mit­glied­schaft in einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­nigung ein. Doch die Beweislage war schwach. Für einen Haft­befehl reichten die Infor­ma­tionen der Ermittler nicht. Aller­dings wurde der Fall Hussein Z. mehrfach im Gemein­samen Ter­ro­ris­mus­ab­wehr­zentrum (GTAZ) des Bundes und der Länder the­ma­ti­siert. Nach Aus­sagen eines Beamten habe er sich nämlich „sehr, sehr merk­würdig verhalten“.

So einfach gelang Hussein Z. die Aus­reise aus Deutschland

https://youtu.be/PpCLtUlWa4g

 

Als der Syrer im August im Job­center Aschaf­fenburg mit Selbstmord drohte, kam er für zwei Monate in eine Art Prä­ven­tivhaft, ohne dass ein Haft­befehl gegen ihn exis­tierte. Dann wurde ihm die Fuß­fessel ver­ordnet, mit der er Anfang Oktober wieder frei kam. Mit der Fuß­fessel aus Bayern zog er nach Hamburg zu Mutter und Schwester. Der Polizei sagte er, dass er dem­nächst über Grie­chenland in die Türkei reisen werde. Er wolle seinen Sohn aus einem Kran­kenhaus im tür­kisch-syri­schen Grenz­gebiet nach Deutschland holen. Nur zwei Tage später flog er dann tat­sächlich nach Athen. „Aus­rei­se­ver­hin­de­rungs­gründe lagen weder straf­rechtlich, noch aus­län­der­rechtlich oder poli­zei­rechtlich vor“, teilte die Polizei Würzburg auf Anfrage des SPIEGEL mit. Auch sei der Flug­hafen Hamburg aus recht­lichen Gründen nicht als Auf­ent­halts­ver­botszone dekla­riert worden. Denn die baye­rische Polizei darf einem Fuß­fes­sel­träger Ver­bots­zonen nur in Bayern auf­er­legen, nicht aber in Hamburg oder in anderen Bundesländern.

Die für Aus­rei­se­kon­trollen zuständige Bun­des­po­lizei wie­derum hatte keine Handhabe, einen Fuß­fes­sel­träger am Boarding zu hindern, weil Fuß­fesseln im Gegensatz zu Nagel­scheren keine gefähr­lichen Gegen­stände nach dem Luft­si­cher­heits­ver­kehrs­gesetz sind. Zwei Tage nach dem Abflug meldete sich Hussein Z. erneut bei den Beamten in Würzburg. Er sei nun in der Türkei ange­kommen, sagte er. Wahr­scheinlich will er wirklich nur seinen Sohn abholen. Doch die Behörden können ihn nicht orten. Denn die Fuß­fessel funkt nicht mehr.

 

Michael Müller / BerlinJournal.biz