Von Nordenfan - Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, Link

Wie­der­auf­er­stehung oder end­gül­tiger Fall — Was wird aus der Deut­schen Bank?

Die Deutsche Bank will bald 8.000 Arbeits­plätze streichen. Die Scha­den­freude über den suk­zes­siven Fall der „Grö­ßen­wahn­sin­nigen“, so Spiegel, ist groß. Der Bör­senkurs steht heute dort, wo vor 30 Jahren. Das sei die Strafe für die vielen Geschäfts­skandale, dreiste Bilanz­tricks, Glo­ba­li­sie­rungs­exzesse, und die Arroganz des Manage­ments – wird breit ver­kündet. Die Frage, wie es mit dem eins­tigen Bran­chen­primus wei­tergeht, welches Aus­wirkung der erneute Einstig des aggres­siven US-Investors Cer­berus mit sich bringt, schildert Dr. Viktor Heese in zwei Szenarien.

Das 1 x 1 der Ban­ken­krisen und wie diese aus ihnen herauskommen

Direkte Insol­venzen geschehen im Ban­ken­sektor, wie 2008 bei Lehman Brothers, selten. „Tech­nisch“ liegen sie vor, wenn ein Geldhaus zah­lungs­un­fähig wird, weil es keine Liqui­dität am Geld­markt bekommt oder durch die Finanz­auf­sicht (BAFin) wegen Eigen­ka­pi­tal­mangels geschlossen wird. Dieser tritt als Folge von Ver­lusten durch Schief­lagen im Kredit- oder Bör­sen­ge­schäft und not­wen­diger Abschrei­bungen ein.

In der Rea­lität gängig sind dagegen nur „indi­rekte Insol­venzen“ wie Bank­käufe, Zer­schla­gungen, Fusionen und fried­liche oder feind­liche Über­nahmen, wenn eine Bank ihre juris­tische Selb­stän­digkeit ver­liert. Oft gibt es ein Happy End: Ein Finanz­in­vestor, der sich in die Geschäfts­po­litik nicht ein­mischt, springt ein oder es fließt fri­sches Geld aus der Kapi­tal­erhöhung und es gibt wieder Ruhe mit der Aufsicht.

Auch Liqui­di­täts­pro­bleme sind selten. Kurz­fristig sind sie unpro­ble­ma­tisch, weil sich Banken finden, die gerne zu hohem Zins Geld ver­leihen. Letzt­endlich hat man dafür auch die EZB. Lang­fristig kann es aber Liqui­di­täts­pro­bleme bei feh­lender Fris­ten­kon­gruenz geben – wie bei der Abwicklung der DePfa -, wenn auf­grund fal­scher Zins­er­war­tungen lang­fristige Kredite mit kurz­fris­tigem Geld refi­nan­ziert werden. Es kann pas­sieren, dass der Pech­vogel in der nega­tiven Zins­marge stecken bleibt. Auch kann, wie 2009, im Sektor großes Miss­trauen herr­schen und keine Bank der anderen Geld leihen will („Liqui­di­täts­streik“).

Wichtig ist let­zendlich, ob nur eine Bank Pro­bleme hat oder der ganze Sektor. Für die ein­zelne Bank ist der zweite Fall viel güns­tiger, weil dann mit großer Wahr­schein­lichkeit sys­te­misch rele­vante Groß­banken wegen der Angst vor dem „Domino-Effekten“ mit Ret­tungs­schirmen am Leben gehalten werden.

Worst-Case Sze­nario bei der Deut­schen Bank – Über­nah­me­gefahr, Bilanz­ri­siken, Ertragsdelle

Heute sind ita­lie­nische Groß­banken stärker gefährdet als die Deutsche Bank. Diese ist jedoch bedeut­samer. Ihr Ausfall könnte wegen welt­weiter Ver­net­zungen Tur­bu­lenzen auf den inter­na­tio­nalen Finanz­märkten aus­lösen. 2016 war die Deutsche Bank mit 50 Bill. Euro im Deri­va­te­be­reich der welt­größte PlayerSys­tem­risiko. Kann ein solcher Riese „fallen gelassen“ werden? Mehrere fatale Ereig­nisse müssten schon auf­treten, damit das ein­tritt. Selbst wenn die direkte Insolvenz unwahr­scheinlich ist, bleibt die Frage einer indi­rekten Insolvenz immer noch offen.

Erstens: Wenn Groß­banken, wie die Deutsche, geschäftlich ange­schlagen sind, ver­suchen Hedge­fonds und spe­ku­lative Finanz­in­ves­toren, unter­stützt durch Rating­agen­turen durch aggressive, jedoch rechtlich zulässige Baisse-Stra­tegien (Leer­ver­käufe, Optionen), den Akti­enkurs so weit zu drücken, bis eine feind­liche Über­nahme lohnend wird. Sie unter­breiten dann ein Über­nah­me­an­gebot an die Aktionäre.

Zweitens: Diese Gefahr ist haus­ge­macht. Für die Frank­furter wäre äußerst riskant die ver­lust­reiche Glo­ba­li­sie­rungs­po­litik fort­zu­setzen, um ver­lo­renes Terrain als Global Player zurück zu gewinnen. Formal kann die Auf­sicht selbst einer ange­schla­genen Bank Risiko-Geschäfte nicht ver­bieten, wenn diese genügend (Risiko-)Kapital besitzt. Pro­ble­ma­tisch ist, dass Banken ihr Risi­ko­ka­pital mit „internen Modellen“ berechnen, die die Auf­sicht einfach abnickt. Existenz bedrohend sind ferner neue Scha­dens­er­satz­for­de­rungen, Abschrei­bungen und Kun­den­miss­trauen. Scha­dens­er­satz­for­de­rungen aus US-Alt­ge­schäften sind noch möglich und Abschrei­bungs­ri­siken in den – mit dem Fair Value bewer­teten Aktiva von 654 Mrd. € oder 40% der Bilanz­summe – auch. Eine Bewertung mit Fair Value anstatt mit dem Markt­preis birgt Risiken. Bei dem großen Rad, das die Deutsche in der Ver­gan­genheit gedreht hat, können Abschrei­bungen den dünnen Eigen­ka­pi­tal­puffer von 10 Mrd. € schnell auf­zehren. Das Net­to­ver­mögen je Aktie ist 2017 im Ver­gleich zum Vorjahr von 38€ auf 31€ weiter gesunken. Ganz schlimm wird es, wenn ope­ra­tiven Ver­luste auf­grund des „Kun­den­boy­kotts“ hin­zu­kommen. Die Deutsche Bank befindet sich seit Jahren in der Ertrags­delle, weil wenige mit ihr Geschäfte machen wollen. Die Erträge sind in den ersten drei Quar­talen 2017 erneut um 10% auf 20 Mrd. € gesunken. Allein mit Kos­ten­sen­kungen kann auf Dauer keine Gewinn­wende erzielt werden, auch wenn im dritten Quartal 2017 ein Sprung auf 649 Mio. € nach 278 Mio. € (Vorjahr) gelang. Die einst berühmt-berüch­tigte Ren­di­te­for­derung des Ex-Chefs Josef Ackermann von 25% klingt bei aktu­ellen mageren 3,5% wie ein Hohn.

Rea­lis­ti­sches Sze­nario gibt leichte Ent­warnung, das Tal der Tränen ist noch nicht durchschritten

Wie groß sind die oben genannten Gefahren in Wirklichkeit?

Erstens: Wer möchte schon einen risi­ko­be­haf­teten Bank­riesen über­nehmen auch wenn dieser mit 32 Mrd. € billig Bör­senwert billig erscheint (DAX-Primus SAP kostet 100 Mrd. €). In einer Über­nah­me­schlacht schießen die Kurse schnell in die Höhe. Die vier Groß­ak­tionäre C‑QUADRAT Special Situa­tions Dedi­cated Fund, BlackRock, Para­mount Ser­vices Hol­dings, Supreme Uni­versal Hol­dings und Cer­berus halten 25% der Aktien. Ein Über­nah­me­aspirant könnte sich über­nehmen, wenn die Mehrheit von 50,1% zu teuer wird. Erfahrene Inves­toren haben mehr Zeit und Geduld als die Klein­ak­tionäre und lassen sich von zunächst optisch hohen Über­nah­me­kursen – z.B. von 25 €, bei aktu­ellen Bör­senkurs von 16 € -, nicht blenden. Dennoch sind die vier Groß­adressen als spe­ku­lativ und „unge­duldig“ ein­zu­stufen und könnten etwas planen.

Zweitens: Die kon­ser­vative Geschäfts­po­litik unter dem Kos­ten­fa­na­tiker John Creyen hat Bestand. Obgleich eine Aufgabe des Investment Ban­kings – nur 10% der Risi­ko­aktiva sollen langsam abgebaut werden – und eine Gesund­schrumpfung nicht spek­ta­kulär ver­kündet wurde, deutet sich ein Rückzug auf alte Kern­kom­pe­tenzen an. Das Haus plant wieder im Mit­tel­stand und im inlän­di­schen Kre­dit­ge­schäft führend zu werden. Vor der Glo­ba­li­sie­rungsära, die 1989 mit dem Kauf der zweit­klas­sigen Morgan Grenful begann, hatte der Ban­ken­primus im Privat- und Fir­men­kun­den­ge­schäft und in der Export­fi­nan­zierung sehr gutes Geld ver­dienen. Die Chancen bei Geschäften mit der Real­wirt­schaft stehen gut, da hier – anders als in der Groß­finanz – wenig oli­go­po­lis­tische Struk­turen herr­schen. Das Miss­trauen der Kunden bleibt jedoch.

Drittens: Wird das Eigen­ka­pital zu knapp, springen womöglich der Staat (siehe: Com­merzbank) und der euro­päische Ban­ken­ab­wick­lungs­fonds (ESF), ein. Josef Ackerman hätte sich zwar geschämt vom Staat Geld zu nehmen. Diese Zeiten sind aber vorbei. Neben der Kapi­tal­auf­sto­ckung hilft der ESF Banken ihre „faulen“ Kredite und Anlagen in eine Badbank aus­zu­lagern, die diese suk­zessive und Kurs schonend ver­kauft. Wie wirksam das ist, zeigt der Verlust von nur 11 Mrd. € – bei 127 Mrd. € Depot­vo­lumen – den der deutsche Vor­gänger des ESF, der SOFFIN einfuhr. Im Rahmen von Basel III darf zudem Fremd­ka­pital, die Tier-Anleihen, in Eigen­ka­pital umge­wandelt werden Es geht auch ohne Cer­berus mit der Ban­ken­rettung im Ernstfall. Wenn eine lang­fristige Sanie­rungs­aus­sicht rea­lis­tisch ist, wird investiert.

Eine Rettung ist noch keine geschäft­liche Sanierung

All diese Chancen wird die Deut­schen Bank sicher nutzen, auch wenn die Ertrags­ge­sundung durch das Tal der Tränen führt. Die vor­aus­schauende Börse scheint ihr schon Ver­trauen geben zu wollen, was am Kurs­an­stieg der Anleihen (Bei­spiel 6% mit WKN DB7XHP) sichtbar wird. Die meisten Papiere konnten seit dem Tief­punkt vor einem Jahr 40% zulegen.

Um neues Ver­trauen zu erlangen, ist eine Reihe von Maß­nahmen umzu­setzen: Die Deutsche Bank muss wieder all­ge­mein­ver­ständ­liche Geschäfts­be­richte ohne unver­ständ­liche Angli­zismen schreiben, sich von der Bilanz­akro­batik der Inter­na­tio­nalen Rech­nungs­legung (IFRS) lösen, die Umstruk­tu­rie­rungs­aben­teuer beenden (Ex-Chef Rolf Breuer „Die Deutsche Bank ist eine Dau­er­bau­stelle“), bei der Glo­ba­li­sierung leiser treten, ihre Ergeb­nisse ver­ste­tigen und die mil­lio­nen­schweren Boni­zah­lungen der Vor­stände einstellen.

Die lang­fristige Gene­sungs­prozess ver­läuft nicht ohne schmerz­liche Bles­suren, wie Mas­sen­ent­las­sungen, zeigen. Erfah­rungs­gemäß dauert er etwa fünf Jahre. Vor 2020 ver­passt der Anleger nichts, wenn er bei der Aktie der Deut­schen Bank noch nicht einsteigt.

Dr. Viktor Heese – war 17 Jahre als Wert­pa­pier­analyst bei der Deut­schen Bank beschäftigt und ist heute als Fach­buch­autor und Dozent tätig börsenwissen-für-anfänger.de