Die Genos­sen­ver­si­cherung ist pure Ideologie

Ein SPIEGEL–Bericht zeigt, dass das „ideo­lo­gisch auf­ge­ladene Projekt“ der soge­nannten Bür­ger­ver­si­cherung kein ein­ziges Problem löst, aber viele mit sich bringt.
(Von Dr. Rainer Zitelmann)
Der SPIEGEL steht der soge­nannten „Bür­ger­ver­si­cherung“, also der Ein­heits-Zwangs­ver­si­cherung, kei­neswegs ablehnend gegenüber, muss aber in einer aus­führ­lichen Analyse ein­räumen, dass es sich um ein „ideo­lo­gisch auf­ge­la­denes Projekt“ handle, welches lediglich dazu geeignet sei, „den Umstand zu besei­tigen, dass eine Gruppe Pri­vi­le­gierter sich dem gesetz­lichen Soli­dar­system ent­ziehen kann“. „Aller­dings ist das Modell, anders als oft behauptet, kein Ansatz um andere Pro­bleme des Gesund­heits­systems zu besei­tigen, auch nicht die finanziellen.“

Aus­bluten der Pri­vaten Krankenversicherung

Im Gegenteil: Öko­nomen sprechen von Mehr­be­las­tungen im zwei­stel­ligen Mil­li­ar­den­be­reich. Zudem führe die Bür­ger­ver­si­cherung zu einem „lang­samen Aus­bluten“ der Pri­vaten Kran­ken­ver­si­che­rungen, so der SPIEGEL: „Die ver­blie­benen PKV-Ver­si­cherten müssten damit rechnen, dass ihre Bei­träge explo­dieren. Viele Anbieter würden am Ende völlig vom Markt ver­schwinden. Und niemand in der SPD wäre über diesen Kol­la­te­ral­schaden traurig.“ Damit nicht gleich auch noch die Ärzte rui­niert werden, bastelt die Politik an hoch­kom­plexen „Lösungen“, denn ein Viertel der Pra­xis­ein­nahmen erzielen Ärzte heute im Durch­schnitt mit Pri­vat­ver­si­cherten, obwohl nur jeder zehnte Patient privat ver­si­chert ist.

Und warum das alles?

Warum man Mil­lionen Pri­vat­ver­si­cherte in massive finan­zielle Schwie­rig­keiten treiben und private Kran­ken­ver­si­che­rungen rui­nieren will, zeigt der SPIEGEL gleich zu Beginn des Bei­trages. Er berichtet hier von einem homo­se­xu­ellen Paar, das in getrennten War­te­zimmern Platz nehmen müsse, weil der eine privat und der andere gesetzlich ver­si­chert sei. Den Pri­vat­ver­si­cherten packe wegen dieser Unge­rech­tigkeit „die Wut“: „Ich finde das asozial“, so zitiert ihn das Magazin. Warum er sich dann nicht einfach frei­willig mit seinem Partner in den War­teraum für die Kas­sen­pa­ti­enten setzt, sondern „wütend“ im schö­neren War­teraum für die Pri­vat­pa­ti­enten Platz nimmt, verrät der Artikel aller­dings nicht.
Statt­dessen behauptet der SPIEGEL: „Von der Stän­de­ge­sell­schaft hat sich das Land vor mehr als hundert Jahren ver­ab­schiedet. Nur im Gesund­heits­wesen lebt auch im Jahr 2017 eine Zwei­klas­sen­ge­sell­schaft fort.“ Diese Behauptung ist offen­sichtlich absurd. In der Bahn gibt es eine erste und eine zweite Klasse, im Flugzeug kann man sogar zwi­schen First Class, Business und Economy wählen. Auch gibt es keine Ein­heits­hotels, sondern manche schlafen im 2‑S­terne-Hotel, andere im 5‑S­terne-Hotel. Die Unter­schiede zwi­schen First Class und Economy sind dabei wesentlich größer als die zwi­schen den Leis­tungen für einen privat und einen gesetzlich Ver­si­cherten. Auch der SPIEGEL räumt ein, dass das duale deutsche Gesund­heits­system als bei­spielhaft gelte – „es ver­sorgt im Krank­heitsfall alle Ver­si­cherten gut“.

Genos­sen­ver­si­cherung ist pure Neid- und Symbolpolitik

Bei der Kam­pagne für die Ein­heits-Zwangs­ver­si­cherung, die die SPD mit dem Euphe­mismus „Bür­ger­ver­si­cherung“ bezeichnet (sonst kennt die SPD bekanntlich eher „Genossen“ als „Bürger“) handelt es sich um eine reine Neid­kam­pagne, damit sich die SPD als Partei der „sozialen Gerech­tigkeit“ pro­fi­lieren kann. „Für die Sozi­al­de­mo­kratie“, so der SPIEGEL, „hat das Projekt die gleiche Bedeutung wie der Min­destlohn vor vier Jahren“. In der Wahr­nehmung der meisten Deut­schen, so wird in dem Beitrag behauptet, gebe „es kaum ein grö­ßeres Gerech­tig­keits­problem als das Neben­ein­ander von gesetz­licher und pri­vater Kran­ken­ver­si­cherung“. Das ist aller­dings eine sehr gewagte Behauptung, denn in keiner Umfrage der Mei­nungs­for­schungs­in­stitute vor der Bun­des­tagswahl, die nach den größten Pro­blemen des Landes fragte, tauchten der Wunsch nach einer „Bür­ger­ver­si­cherung“ und die angeblich rasende Wut über die kür­zeren War­te­zeiten für Pri­vat­pa­ti­enten auch nur unter „ferner liefen“ auf. An der Spitze standen dagegen die – von der SPD baga­tel­li­sierten – Sorgen um die Folgen der Zuwanderung.
 
Dr. Rainer Zitelmann / TheEuropean.de