Doch bevor ich zu meinem Kommentar komme, ein Zitat aus der Focus Online, wo gestern ebenfalls über Immobilien geschrieben wurde:
„Hat der Preiswahnsinn also bald ein Ende? Nein, heißt es in einer aktuellen Studie der Deutschen Bank zum Häuser- und Wohnungsmarkt in Deutschland im Jahr 2018: „Bis der Preisgipfel erreicht wird, dürften – zumindest in den meisten deutschen Metropolen – noch einige Jahre vergehen.“ Die Nachfrage übersteigt noch immer das Angebot. Der Job-Boom lockt immer mehr Menschen in die Städte. Bisher leerstehende Immobilien werden bezogen. In München gibt es inzwischen fast gar keine leerstehenden Wohnungen mehr. Ein weiterer Grund für einen anhaltenden Anstieg der Immobilienpreise ist der nur schleppend vorankommende Neubau. Bundesweit fehlen rund eine Million Wohnungen. Deswegen erwarten die Experten der Deutschen Bank auch für das Jahr 2018 eine hohe Preis- und Mietdynamik. Wer eine Immobilie kaufen möchte, muss also auch in den kommenden Jahren noch mit zunehmenden Preisen rechnen.“ bto: das mag alles stimmen. Dennoch warne ich eindringlich davor, überstürzt mitzumachen. Siehe mein Kommentar unten.
→ Focus.de: „Preiswahnsinn hält an: Warum Sie eher heute als morgen eine Immobilie kaufen sollten „, 25. Januar 2018
Die Immobilienmärkte boomen: Zuwanderung, billiges Geld und Furcht um das Geld treibt die Preise. Die wohl größte Gefahr für Ihr Vermögen.
Immobilien sind ein hervorragendes Investment. Nicht nur hört man dies auf jeder Dinnerparty in Deutschland und kann es an den jährlichen Preissteigerungen ablesen. Es ist auch höchst wissenschaftlich bestätigt. In „The rate of Return on Everything 1870–2015“ haben die Wissenschaftler Òscar Jordà, Katharina Knoll, Dmitry Kuvshinov, Moritz Schularick, und Alan M. Taylor den Ertrag verschiedener Assetklassen über 145 Jahre analysiert. Die Ergebnisse sind sehr interessant:
- Der Ertrag von risikofreien Anlagen ist mit ein bis zwei Prozent pro Jahr absolut und relativ gesehen tief. Nicht nur dies. Die vermeintlich „risikofreien“ Anlagen bieten auch keinen Schutz vor Phasen hoher Inflation. Kein Wunder also, dass wir Deutschen, obwohl wir hart arbeiten und viel sparen, zu den Ärmsten in der Eurozone gehören. Deshalb kann ich auch nicht verstehen, warum unsere Politik immer denkt, wir sollten „alle retten“.
- Auf lange Sicht liegt der Ertrag von risikoreichen Assets zwischen sechs und acht Prozent im Jahr. Immobilien erbringen ungefähr den gleichen Ertrag wie Aktien.
- Dabei waren nach dem Zweiten Weltkrieg die Schwankungen an den Aktienmärkten weitaus ausgeprägter und weltweit synchroner als in den Immobilienmärkten. Letztere schwankten deutlich weniger und waren zudem global voneinander unabhängig.
Immobilien sind also eine Anlageklasse, die so viel Ertrag bringt wie Aktien, dabei weniger schwankt und zudem unabhängig ist von den Entwicklungen in anderen Märkten.
Getrieben von Leverage
Allerdings muss man wissen, dass Immobilien wie keine andere Assetklasse von der Funktionsweise unserer Geldordnung profitieren. Banken finanzieren nichts lieber als vermeintlich risikoarme Immobilien. Unbegrenzte und für fast null Kosten produzierbare Kaufkraft trifft so auf ein begrenztes Gut. Die Preise müssen steigen und setzen damit einen sich selbst verstärkenden Kreislauf in Gang. Sobald eine Immobilie zu einem höheren Preis verkauft wird, wirkt sich das auf den Preis aller Immobilien in der Gegend aus. Das Preisniveau insgesamt beginnt zu steigen. Dies erhöht das Eigenkapital aller Immobilienbesitzer und ermöglicht es ihnen wiederum, mehr Kredite aufzunehmen, um weitere Immobilien zu kaufen. Für die Käufer sind die gestiegenen Preise zwar unangenehm, aber dank der unbegrenzten Finanzierungsmöglichkeiten durch die Banken verkraftbar, vor allem mit Blick auf die weitere zu erwartende Preissteigerung. Dabei wird das System immer mehr selbstreferenziell. Hauspreise gelten als günstig, relativ zu dem, was man in anderen Ländern bereits bezahlt oder aber auch hier bald bezahlen wird.
Dieses Zusammenspiel unbegrenzter Kaufkraft und begrenzten Angebots ist der entscheidende Erklärungsfaktor für stetig steigende Vermögenspreise und Schulden. Schon 2015 habe ich aufgezeigt, dass der französische Ökonom Thomas Piketty in seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ nur Symptome beschreibt. Parallel zum Anstieg der Immobilienpreise lässt sich nämlich ein deutlicher Anstieg der Hypothekenkredite feststellen, weshalb Immobilienblasen weitaus gefährlicher für das Finanzsystem sind als Blasen an den Aktienmärkten. Von Kryptowährungen ganz zu schweigen.
Blasen entstehen regelmäßig
Blasen an Immobilienmärkten sind eine regelmäßige Erscheinung. Erinnert sei an die US-Immobilienblase, den Boom in Irland und Spanien bis zur Euro-Schuldenkrise und die zunehmenden Blasenrisiken in China, Kanada und Australien. Die UBS identifiziert derzeit gleich mehrere Städte in der Welt mit einem erheblichen Blasenrisiko.
- Vancouver
- London
- Stockholm
- Sydney
- München
Allen gemeinsam ist ein knappes Angebot, die Verfügbarkeit billigen Geldes und der Glaube, dass Immobilien niemals im Preis fallen können.
München ist in Deutschland keineswegs alleine. Auch andere Städte wie Frankfurt und Berlin zeigen Blasentendenzen. Nun kann man die Preisentwicklung bei uns durchaus rationalisieren – eine wichtige Voraussetzung für jede Blase. Neben dem anhaltenden billigen Geld der EZB sind dies vor allem die Folgen der Zuwanderung nach Deutschland, der Attraktivität der Ballungsräume, der teilweise gegebenen Misswirtschaft der Kommunen – Paradebeispiel wie so oft ist Berlin – und der Angst der Bürger um ihre Ersparnisse angesichts ungelöster Eurokrise und der hohen Gelddruckgeschwindigkeit der EZB.
Auch ohne Blase sind Immobilien gefährlich
Ob wir in Deutschland in einer Blase bei Immobilien stecken oder auf eine zulaufen ist letztlich irrelevant. Viel wichtiger sind die langfristigen Aussichten und diese bleiben bei nüchterner Betrachtung mau. Da ist zum einen die demografische Entwicklung, die zu einem Rückgang der Bevölkerung in Deutschland führen wird. Daran wird auch die ungebremste Zuwanderung nichts ändern. Hinzu kommt, dass letztere vor allem im unteren Marktsegment eine Rolle spielt und gerade günstigen Wohnraum verteuert.
Dieser intensivere Wettbewerb im unteren Preissegment dürfte die Politik noch mehr auf den Plan rufen. Statt die Ursachen zu bekämpfen, wird weiterhin auf marktfremde Eingriffe gesetzt werden. Weitere Begrenzungen für Vermieter sind dabei nur eine Frage der Zeit, vor allem, weil sich damit so schön Symbolpolitik betreiben lässt.
Auch von anderer Seite droht Immobilien in Deutschland Ungemach. Zwar mag es sein, dass das Bundesverfassungsgericht die Grundsteuer in der heutigen Form für verfassungswidrig hält. Doch daraus zu schließen, es käme zu einer Entlastung, ist naiv. Im Gegenteil darf auf eine weitere Steigerung der Belastung gewettet werden.
Politisch bietet sich ohnehin nichts so sehr an, wie eine höhere Besteuerung der Immobilien. Zum einen, eben weil sie immobil sind und sich dem Zugriff der Politiker nicht entziehen können. Zum anderen, weil sich an ihnen gut eine Neiddebatte führen lässt. Stehen Immobilien doch auch bei uns für einen guten Teil des Vermögenszuwachses in den letzten Jahrzehnten.
Noch mag es nicht so weit sein wie in Frankreich, wo – wie hier ausführlich diskutiert – faktisch eine (Teil-)Enteignung der Immobilienbesitzer zugunsten der klammen Staatskassen der Euroländer als „Sanierungsidee“ im Élysée-Palast Gehör findet. Doch wird Neid und Inkompetenz der Politiker auch hierzulande letztlich zulasten der Hauseigentümer gehen.
Auch Immobilien hält man global
Was mich zum Fazit führt: Immobilien gehören in jedes Portfolio, wie von mir immer wieder betont. Dabei sollten wir jedoch auch hier auf eine regionale Streuung achten, zum einen, um Klumpenrisiken zu reduzieren, zum anderen, weil die Entwicklung der Immobilienmärkte, wie die zitierte Studie zeigt, global nicht miteinander korreliert sind. Dabei muss es kein direktes Immobilieninvestment sein, da dies nur die wirklich Vermögenden tätigen können. Es ist möglich, über Immobilienaktien und Real Estate Investment Trusts (REITS) an der Entwicklung anderer Märkte teilzuhaben. Das sollte bedenken, wer mit weiteren Investitionen am deutschen Immobilienmarkt liebäugelt.
→ WiWo.de: „Die Immobilienfalle“, 25. Januar 2018
Dr. Daniel Stelter / www.think-beyondtheobvious.com