Die Leit­kultur in der gespal­tenen Gesell­schaft — Oder: der gemeinsame Nenner ist verloren

Homogene Gesell­schaften haben immer auch homogene kul­tu­relle Struk­turen. Die längste Zeit wurden die kul­tu­rellen Grund­be­din­gungen Europas zum über­wie­genden Teil durch meta­phy­sische (reli­giöse) und klas­sisch-phi­lo­so­phische Fun­da­mente gebildet: Das Chris­tentum und die Auf­klärung waren die beiden Kom­po­nenten, die jene Syn­these ergaben, auf die man sich quer durch den Kon­tinent, ja eigentlich in der gesamten west­lichen Welt, mit Erfolg einigen konnte. Die euro­päi­schen Nationen und die auto­chthonen Völker besaßen zwar ihre spe­zi­fi­schen kul­tu­rellen Unter­schiede, im Kern ori­en­tierten sich aber alle an der genannten Synthese.
Kul­tu­relle Transformation
Das alles ist durch eine tief­grei­fende Umschichtung der Welt­an­schau­ungen in den letzten Jahr­zehnten anders geworden. Genauer: Seit der soge­nannten “68er-Revo­lution” ist der euro­päische Konsens kein solcher mehr. Wir bekamen zwar 1989 Ost­europa zurück und konnten den Kom­mu­nismus endlich über­winden, aber die poli­tische Ori­en­tierung, die uns die 68er hin­ter­lassen haben, ist uns geblieben.
Das kon­ser­vativ-bür­gerlich-nationale Selbst­ver­ständnis wurde von den 68ern solange ange­griffen, kri­ti­siert und ange­patzt, bis ihm ein gewisser Hautgout anhaftete, der zumindest man­gelnde Moder­nität und ein irgendwie rück­wärts gewandtes Denken ver­mit­telte. Das Meta­phy­sische ist zugunsten einer säku­laren Haltung in den Hin­ter­grund getreten und die klas­sische Phi­lo­sophie hat sich durch die Frank­furter Schule in eine mora­lisch-poli­tische Erzie­hungs­an­stalt gewandelt, die nur mehr die links­ori­en­tierten Ein­stel­lungen guthieß und als Muster für die gesell­schaft­liche Gestaltung  eben nur diese Hal­tungen zuließ.
Die soge­nannten “Rechten” — also die Kon­ser­va­tiven, die Bür­ger­lichen, die Natio­nalen und die Wirt­schafts­li­be­ralen — haben sich diese Ummünzung gefallen lassen, weil die Linken eine spe­zielle Waffe gegen sie ein­setzten (und dies noch immer tun): Die Rede ist von der Nazi-Keule. Tra­di­tio­nelle Werte wie Nation, Brauchtum, Staatsvolk und regionale kul­tu­relle Iden­tität ver­loren des­wegen massiv an Bedeutung. Man fürchtete sich, in den massiv vom Kul­tur­mar­xismus der Frank­furter Schule geprägten Medi­enwelt öffentlich als Brauner gebrand­markt zu werden.
Zusatz­fak­toren des Wandels
Aber auch andere Fak­toren trugen zum Wandel bei: Das Erfolgs­modell “Familie” ero­dierte zuse­hends, da die Frauen durch die Pille die Kon­trolle über die Emp­fängnis erlangten und sich so vom bio­lo­gi­schen Los der stän­digen Schwan­ger­schaften “befreien” konnten. Die Gebur­ten­raten gingen seither dra­ma­tisch zurück und haben sich nun bei einer Rate von 1,4 Kinder pro Frau auf einem stabil nied­rigen Wert ein­ge­pendelt. In der Rea­lität ist dieser Wert lang­fristig mit einem Aus­sterben der euro­päi­schen Gesell­schaften ver­bunden, da die Erhal­tungsrate einer Popu­lation etwa 2,1 Kinder pro Frau beträgt. Die ersten Effekte sehen wir bereits: Das Gene­ra­ti­ons­ver­hältnis beginnt, sich nach­haltig zu ver­schieben. Wir leben in einer Alten­ge­sell­schaft, die am Kin­der­mangel leidet.
Die kul­tu­relle Trans­for­mation wurde von ihren trei­benden Pro­pa­gan­disten stets mit wohl­klin­genden Eti­ketten ver­sehen und damit erfolg­reich ver­kauft: Begriffe wie die Freiheit des Ein­zelnen, die Selbst­ver­wirk­li­chung, die Gleich­stellung und die Vielfalt sind nur einige der Schlag­worte, von denen sich unzählige Leute ver­blenden ließen.
“Einheit durch Vielfalt”, so lautet einer der geschmei­digen Schlachtrufe unserer kul­tur­mar­xis­ti­schen Welt­ver­bes­serer. Gerade diese vor allem durch den Gen­de­rismus gekenn­zeichnete Vielfalt, die immer auch Gleichheit bedeuten soll, zeigt uns die mons­tröse Absur­dität des 68er-Pro­jektes:  Eine Gesell­schaft, in der die Diversity zum zen­tralen Dogma geworden ist, kann sich in letzter Kon­se­quenz nur noch auf­lösen und lediglich eine Zweck­ge­mein­schaft zahl­loser “Ichs” bilden, die mal diese und mal jene kurz­fristig und zufällig gemein­samen Inter­essen verfolgen.
Wenn diese Indi­viduen ihre jeweilige Selbst­ver­wirk­li­chung suchen sollen, dann müssen deren Inter­essen ja indi­vi­duell und daher völlig ver­schieden sein. Sie werden also unun­ter­brochen wechseln und andere sein — und das kann nur zum Chaos führen. Wenn diese Gesell­schaft dann ande­rer­seits auch noch die Gleichheit erreichen will (und das ist ihr futu­ris­ti­sches Credo), so muss sie am Ende nicht das freie Indi­viduum, sondern den geschlechts­losen Ein­heits­men­schen her­vor­bringen, der in der Mao-Uniform sein Dasein fristet. Anders ist Gleichheit nicht zu haben.
Dieser Wider­spruch zwi­schen Gleichheit und Indi­viduum ist unauf­lösbar und wir sehen an ihm zwei­felsfrei: Der gesamte Kul­tur­mar­xismus und die 68er-Denke sind Lügen­ge­bäude und Hirn­ge­spinst in einem. Diese poli­tische Phi­lo­sophie stellt nur eine Karotte vor der Nase des sinn­su­chenden Men­schen dar, kann aber niemals ihre süßen Heils­ver­spre­chungen erfüllen.
Zeit der Erkenntnis, Zeit der Entscheidung
Doch die Zeit der Erkenntnis ist ange­brochen. Die Mas­sen­mi­gration, die ein wei­teres und zen­trales Ziel der linken Denke dar­stellt, hat vielen Men­schen die Augen geöffnet.  Die Zweifel an den hier geschil­derten und  in großen Teilen der Politik und der Medien tief ver­an­kerten Posi­tionen der Frank­furter Schule nehmen sichtlich und spürbar zu. Der Ausgang der öster­rei­chi­schen Natio­nal­ratswahl und die frisch ange­lobte Mitte-Rechts-Regierung ist das sichtbare Zeichen dafür.
Aber das ist erst der Anfang: Die Rück­be­sinnung auf die Tra­di­tionen und auf die kon­ser­va­tiven Hal­tungen ist voll im Gange und die welt­an­schau­liche Neu­aus­richtung hat unauf­haltsam begonnen. Aller­dings wird eine Rückkehr zu einem gemein­samen gesell­schaft­lichen Nenner in Europa sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich werden.
Man wird sich daher über­legen müssen, ob man nicht lieber eine völlige poli­tische Neu­ordnung des Kon­ti­nents anstreben sollte. Hier die Länder, Völker und Nationen, die ihre Stärke aus ihrer Geschichte und ihrer eigenen kul­tu­rellen Iden­tität beziehen und dort die Regionen und Gesell­schafts­gruppen, die sich dem Kul­tur­mar­xismus nicht mehr ent­ziehen können oder wollen und sich schon jetzt auf neue Herren vor­be­reitet haben.  Das mag wie eine Vision klingen, ist aber womöglich die bessere Variante als eine per­ma­nente kon­flikt­ge­neigte Situation, die auf­grund der aus­ein­ander stre­benden Inter­essen den Kon­tinent und den Kul­turraum Europa in die Dau­er­krise stürzen.
Dr. Marcus Franz / thedailyfranz.at