Polen ist noch nicht ver­loren: Linke Par­tei­dis­ziplin vs. gelebter Glaube

Vor einer Woche, am Mittwoch den 16. Januar, gingen trotz Schnee­treibens und Eises­kälte Tau­sende Polen auf die Straße. In War­schau und vielen wei­teren, pol­ni­schen Städten for­derten haupt­sächlich Frauen ihre Rechte ein. „Rettet Frauen!“ heißt die Frau­en­rechts­gruppe, die zu den Pro­test­mär­schen auf­ge­rufen hatte.
Der Grund: Die Regierung arbeitet zur Zeit an einem neuen Gesetz, durch das die in Polen sowieso schon sehr schwierige Erlaubnis zur Abtreibung noch weiter ein­ge­schränkt wird. Zwei Inter­es­sen­gruppen haben Pro­jekte zur Geset­zes­reform der Abtrei­bungs­re­ge­lungen in Polen ein­ge­reicht. Seit 1993 ist eine Kin­des­ab­treibung nur in drei Fällen möglich: Das Leben der Mutter ist durch das Aus­tragen des Kindes oder die Geburt gefährdet, der Fötus ist schwer behindert oder die Schwan­ger­schaft ist ein Ergebnis einer Ver­ge­wal­tigung oder eines Inzests.
Im Oktober 2016 gab es schon einmal einen Vorstoß für eine weitere Ver­schärfung des Abtrei­bungs­rechtes, den man aber nach Pro­testen wieder fallen ließ.
Die eine Gruppe unter dem Slogan „Stoppt Abtreibung!“ möchte das sowieso sehr restriktive Gesetz weiter ver­schärfen. Auch schwere Miss­bil­dungen des Fötus sollen kein Grund zur Abtreibung mehr sein.
Das genaue Gegenteil möchte die Inter­es­sen­gruppe „Retten wir die Frauen!“. Sie tritt für eine Libe­ra­li­sierung des Abtrei­bungs­rechtes und freien und kos­ten­losen Zugang zu Ver­hü­tungs­mitteln, sowie Sexu­al­auf­klä­rungs­un­ter­richt in den Schulen ein.
Beide Vor­schläge wurden im Pol­ni­schen Par­lament, den Sejm ein­ge­reicht. Bereits am 10. Januar stimmte das Par­lament darüber ab, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das die Abtreibung nach­weislich kranker Föten ver­bietet. Am selben Tag wurde das Projekt „Retten wir die Frauen!“ zur wei­teren Beratung durch das Par­lament abge­lehnt. Damit ist nur die Initiative „Stoppt Abtreibung!“ in den Par­la­ments­aus­schuss vorgedrungen.
Dass dies möglich war, liegt aus­ge­rechnet an der Oppo­sition, von der sich die Initiative „Retten wir die Frauen!“ Unter­stützung erhofft hatte. Die beiden großen Oppo­si­ti­ons­par­teien OP (Plat­forma Oby­wa­telska, „Bür­ger­plattform“) und „Modern“ (Nowo­c­zesna) haben sich quasi selbst sabo­tiert. Obwohl bei der Abstimmung über die beiden Initia­tiven Frak­ti­ons­zwang bestand, lehnten drei Abge­ordnete der „Bür­ger­plattform“ das Projekt „Retten wir die Frauen!“ ab, weitere 29 Abge­ordnete der Partei erschienen nicht zur Abstimmung. Und auch bei der „Modernen“ ent­hielt ein Abge­ord­neter sich der Stimme und zehn weitere erschienen eben­falls nicht.
Bei der Wich­tigkeit des Themas und der poli­ti­schen Brisanz in Polen ist nicht davon aus­zu­gehen, dass die „Quer­treiber“ nur aus Schlud­rigkeit nicht zur Abstimmung erschienen. Sie wollten ganz offen­sichtlich nicht für eine Libe­ra­li­sierung der Abtreibung stimmen. Erstaun­li­cher­weise nahmen diese Abge­ord­neten der Oppo­si­ti­ons­partei damit eine deutlich „katho­li­schere“ Haltung ein, als einige der Abge­ord­neten der regie­renden PiS-Partei (Prawo i Spra­wi­ed­liwość, zu Deutsch: Recht und Gerech­tigkeit). Sogar der PiS-Vor­sit­zende Jaroslaw Kac­zynski und einige weitere Abge­ordnete seiner Partei stimmten dafür, die Initiative zur Libe­ra­li­sierung der Abtreibung in den Par­la­ments­aus­schuss zur Beratung zu bringen.
Die Bür­ger­plattform-Par­la­men­tarier, die gegen den Frak­ti­ons­zwang abge­stimmt haben, wurden aus der Partei aus­ge­schlossen, die „Schwänzer“ haben mit Geld­strafen zu rechnen. Die Schwänzer der „Modernen“ müssen an gemein­nützige Ein­richtung Straf­gelder zahlen. Drei pro­mi­nente Abge­ordnete lassen ihre Par­tei­mit­glied­schaft erst einmal ruhen.
Kri­tiker argu­men­tieren, dass, würde die Erlaubnis zum Abort miss­ge­bil­deter Föten abge­schafft, Schwan­ger­schafts­ab­brüche in Polen prak­tisch voll­ständig ver­boten wären. 96% aller legalen Abtrei­bungen in Polen werden wegen schwer geschä­digter Föten vor­ge­nommen. Das lässt ent­weder den Schluss zu, dass es ins­gesamt nur wenige Abtrei­bungen in Polen gibt, denn solche Miss­bil­dungen sind nicht häufig. Oder dass die Dia­gnose „schwere Miss­bildung“ deutlich häu­figer gestellt wird, als es Miss­bil­dungen gibt. Sollte es so sein, dass diese Dia­gnose oft aus Gefäl­ligkeit gestellt wird, um der Frau eine Abtreibung zu ermög­lichen, könnte das die wahre Intention der Initiative “Stoppt Abtreibung!” sein.
West­liche Medien wähnen die Oppo­sition in Polen nun vor der Selbst­zer­störung und dem Aus. Man sollte hier aber sehr genau unter­scheiden. Es ist zwei­erlei, in Oppo­sition gegen die all­mächtige PiS zu stehen und gegen diese Partei zu wettern — oder für eine Sache zu stimmen, die dem katho­li­schen Glauben dia­metral gegen­über­steht. Denn Polen ist ein sehr katho­li­sches und patrio­ti­sches Land. „Gott, Ehre, Vaterland“ sind in Polen keine finster-reak­tio­nären Ent­glei­sungen, sondern Handlungsmaximen.
Als im Herbst sechs Abge­ordnete der „Bür­ger­plattform“ für eine gegen Polen gerichtete Reso­lution des EU-Par­la­ments stimmten, erhielten sie stan­tepede die Quittung dafür: In Katowice wurden ihre Bilder sym­bo­lisch an Holz­galgen gehängt, die Polizei sah sich das in aller Ruhe an. Ein Lokal­po­li­tiker der PiS twit­terte sogar „Bitte Galgen dazu­stellen und die ganze Bür­ger­plattform aufhängen.“
Das Kreuz mit der EU Auswirkungen der Europäischen Integration auf die Verbindung von Katholizismus und nationaler Identität in Polen von [Waschinski, Gregor]Am Natio­nal­fei­ertag 11. November, an dem Polen 1918 seine staat­liche Sou­ve­rä­nität wie­der­erlangte, gab es Märsche von 100.000 Leuten durch War­schau – unter der Losung des alten, pol­ni­schen, reli­giösen Liedes „Boże, coś Polskę“ („Wir Polen wollen Gott!“) Damit gemeint ist die nationale Iden­tität des katho­li­schen Polens und die Ablehnung der „gott­losen EU“ sowie der Muslime, die diese EU den Polen auf­zwingen will. Trans­pa­rente mit „Gott, Ehre und Vaterland“ hängen am 11. November in allen Schulen und Uni­ver­si­täten des Landes. Diese drei Maximen werden oft und gern bei auf­rüt­telnden Reden als Schluss­appell gebraucht.
In der Schrift „Neuer Natio­na­lismus im öst­lichen Europa: Kul­tur­wis­sen­schaft­liche Per­spek­tiven“ findet sich auf Seite 271 das Zitat: „Katho­li­zismus ist keine Ergänzung zum Polentum, die es gewis­ser­maßen schat­tiert, statt­dessen ist er vielmehr in seinem Wesen ver­haftet, er defi­niert in hohem Maße sein Wesen. Jeder Versuch, bei uns den Katho­li­zismus vom Polentum zu trennen, die Nation von der Religion und der Kirche zu trennen, bedeutet die Zer­störung des urei­genen Wesens der Nation.“
Der Spiegel sin­niert in seinem Beitrag über das seltsame „Ver­sagen“ der Oppo­sition bei dem Thema Abtrei­bungs­li­be­ra­li­sierung und zitiert dann den Direktor des Fer­dinand-Lassalle-Zen­trums in Breslau mit den Worten: “Kon­stant sind bei der Oppo­sition nur die Dis­kre­di­tie­rungen von Kac­zynki und seiner PiS als Faschisten oder Dik­ta­toren. Damit lassen sich aber keine Wäh­ler­stimmen gewinnen”.
Genau hier muss man ansetzen, um zu ver­stehen, was in Europa, im „Westen“ gerade geschieht. In Polen sehen wir es bei der Abtrei­bungs­de­batte, wie durch ein Brennglas.
Das­selbe Problem hat die Linke im „Westen“ auch. Sie hat ihre Ideale, die zum Bei­spiel der Sozialist und Ehrenmann Fer­dinand Lassalle ver­kör­perte, längst ver­gessen. „Der Arbeiter“ inter­es­siert sie nicht mehr. Die Linke hat als ihr neues Hät­schelkind nun den „Flüchtling“ zwangs­ad­op­tiert, weil man mit diesem neuen Kli­entel auch gleich die anti­ras­sis­tische Attitüde ver­knüpfen und elegant jeden, der ver­nünftige Ein­wände gegen eine unkon­trol­lierte Migration erhebt, in die Ras­sismus-Ecke werfen kann.
Die Linke braucht das zur Selbst­le­gi­ti­mation weil sie keine großen Ideen mehr hat, für die sie steht. Sie hasst ihre eigenen Völker und ihr Kampf erschöpft sich längst in einem „Anti­fa­schismus“, der in klas­si­scher Aus­prägung nur noch in win­zigen Rand­gruppen der euro­päi­schen Gesell­schaften zu finden ist. Ersatz­weise wird daher jede kon­ser­vative Partei oder Denk­richtung zu Faschisten erklärt, um als Ziel­objekt für ihren hohlen Schein-Anti­fa­schismus her­zu­halten, an dem sie sich unter Einsatz faschis­ti­scher Ver­hal­tens­weisen abarbeitet.
Der neu­ro­tische Selbsthass der Linken, ihr anti-weiße Ras­sismus und die weit­gehend schon geglückte Zer­setzung der Nationen, Völker, Familien, die sich die Linke auf die Fahnen geschrieben hatten, zeigt nun Wirkung und ist überall zu sehen: Das Fehlen großer Ideen, fun­dierter Bildung, inspi­rie­render Ziele, auf­stre­bender, tüch­tiger Erfinder, Denker, Künstler, Huma­nis­ti­scher Ideale, Men­schen­liebe, idea­lis­ti­scher Staats­männer, begeis­ternder Initia­tiven, des Enga­ge­ments für das Gemeinwohl. Statt­dessen Unter­drü­ckung der Freiheit des Geistes, des Wortes, des Mutes, des Glaubens … all das liegt erstickt und erwürgt unter dem Lei­chentuch linker PC, über­bor­denden Büro­kra­tismus’, läh­mender Angst vor Denun­ziation und Zensur.
In Polen zeigte sich bei der Abtrei­bungs­the­matik, dass selbst in der linken Oppo­sition noch Men­schen sitzen, die auch unter Druck nicht bereit sind, gegen ihren tief­ver­wur­zelten Glauben zu handeln. Die Moral und Got­tes­liebe über Par­tei­dis­ziplin stellen. Linke, denen ihr Glaube mehr wert ist, als linke PC und Par­tei­dis­ziplin. Polen ist noch nicht verloren.