Auf einmal entdecken Merkel & Co ihre Liebe für die Marktwirtschaft und halten die Fahne des Freihandels hoch. Doch wer selbst die Marktwirtschaft immer stärker einschnürt, kann sie nicht glaubwürdig verteidigen.
(Von Dr. Rainer Zitelmann)
Der Abbau von Zöllen und Handelsbeschränkungen hat mehr zur Bekämpfung der Armut auf dieser Welt beigetragen als sämtliche Entwicklungshilfe-Milliarden und alle Demonstrationen gegen die angeblich unmenschliche kapitalistische Globalisierung. Wer die Geschichte des Kampfes um den Freihandel kennt, der weiß, dass die Anhänger des Freihandels gerade im Interesse breiter Bevölkerungsschichten und besonders der Armen argumentierten – und gegen die nach Privilegien strebenden Vertreter einheimischer Industrie, die vom Protektionismus profitierten.
Dass Donald Trump nun den Freihandel in Frage stellt, passt zu der anti-marktwirtschaftlichen Grundstimmung, die sich spätestens seit der Finanzkrise vor zehn Jahren weltweit verschärft hat: Der „ungezügelte“ Markt und die „Deregulierung“ werden von Medien, Intellektuellen und Politikern als die Bösewichte dargestellt.
Und nun entdeckt man auf einmal in Deutschland die Liebe für freie Märkte, wenn es an die eigenen Interessen geht. Besonders fünf deutsche Leitbranchen – Automobilindustrie, Elektrotechnik, Maschinenbau, Pharmaindustrie und Präzisionsinstrumente – wären massiv betroffen, käme es wirklich zu einem Handelskrieg. Mehr als 1,5 Millionen Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt vom Geschäft mit den USA ab. Besonders wenn Trump seine Drohung wahrmachte und massive Zölle auf deutsche Autos erheben würde, wäre das brandgefährlich für Deutschland.
Merkel unglaubwürdig
Doch wie glaubwürdig ist es, wenn sich Merkel und andere Politiker der GroKo als Vertreter des Freihandels aufspielen? Man kann nicht nur dann für Marktwirtschaft sein, wenn es den eigenen Exportinteressen gelegen kommt. Merkel hat in den vergangenen Jahren die deutsche Energiewirtschaft so massiv geschädigt, wie es kein Donald Trump hätte tun können: Systematisch wird sie zu einer Planwirtschaft umgebaut. Als nächstes hat sich die Politik die deutsche Automobilindustrie vorgeknöpft, die man zu Quoten für die Produktion von Elektroautos zwingen will. Vor wenigen Jahren noch erklärten alle Öko-Fans, Verbraucher sollten, wenn sie schon nicht ganz auf das Auto verzichten und Fahrrad fahren, unbedingt umweltfreundliche Dieselautos kaufen, um die Welt vor dem Klimagau zu retten. Jetzt sind Dieselfahrzeuge Teufelszeug und Merkel setzt als neues Planziel, dass die Deutschen bis 2020 eine Million Elektroautos kaufen. Man kann schon jetzt vorhersagen, dass, sollten sich alle mit Elektroautos eingedeckt haben, dann die Kampagne gegen E‑Autos beginnen würde, weil die Produktion der Batterien umweltschädlich ist.
Nur dann für die Marktwirtschaft einzutreten, wenn deutsche Exportinteressen unmittelbar betroffen sind, ist nicht glaubwürdig. Besonders absurd wirkt es, wenn sich jetzt SPD, Linke und Grüne, die eben noch vereint gegen TTIP und Freihandel demonstrierten, über Trump erregen.
An Trump: Baut einfach bessere Autos!
Trump hat auch kein marktwirtschaftliches Koordinatensystem. Die Steuerreform war überwiegend eine gute Sache. Aber auf der anderen Seite spielt Trump den großen Arbeiterführer und stellt sich zusammen mit den US-Gewerkschaften gegen den Freihandel und redet Unternehmen in ihre Unternehmensstrategie hinein. Schon kurz nach seiner Amtsübernahme drohte er per Twitter und in persönlichen Gesprächen US-Firmen, wenn sie neue Niederlassungen in anderen Ländern als den
USA eröffneten.
Trump macht sich lächerlich, wenn er Deutschland kritisiert, weil wir den amerikanischen Markt mit deutschen Autos überschwemmten, aber zu wenig US-Autos kauften. Mr. Trump: Das nennt man Marktwirtschaft! Der Verbraucher entscheidet! Und wir bauen halt nun mal bessere Autos als ihr. Lernt, bessere Autos zu bauen, und dann werden die Europäer auch mehr amerikanische Autos kaufen. So einfach ist das. Der Grund, warum mehr Amerikaner deutsche Autos kaufen als Deutsche amerikanische Autos, liegt nicht darin, dass Amerikaner mit 2,5 Prozent niedrigere Zölle auf europäische Autos erheben als Europa mit 10 Prozent auf US-Autos.
Statt Trump im Stahlstreit mit Vergeltung zu drohen und zu erklären, dass man Whisky höher besteuert, würde ich vorschlagen, dass wir Europäer einseitig die Zölle für US-Autos auch auf 2,5 Prozent senken. Man würde sehen, dass sich kaum etwas ändern würde. (Abgesehen davon, verhält es sich bei anderen Produkten umgekehrt und die USA nehmen im Schnitt mit 3,2 Prozent nur 0,7 Prozentpunkte weniger Zölle als die Europäer.)
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Dr. Rainer Zitelmann für TheEuropean.de