Kri­mi­na­lität in Deutschland: Wenn Jour­na­listen keine Fragen stellen wollen

Großer Auf­merk­samkeit erfreuen sich dieser Tage die vorab ver­öf­fent­lichten Eck­daten der Poli­zei­lichen Kri­mi­nal­sta­tistik. Zwar wird diese vom Bun­des­in­nen­mi­nister erst im Mai vor­ge­stellt, doch wurden den Jour­na­listen bereits jetzt erste Zahlen für 2017 genannt. Mit Begeis­terung ver­kün­deten die Redak­tionen, dass sich die Kri­mi­na­lität in Deutschland deutlich auf dem Rückzug befindet. Der rund zehn­pro­zentige Rückgang ist der größte seit fast 25 Jahren. Soweit die gute Nach­richt. Doch es gäbe so viel mehr zu sagen. Die Bericht­erstattung zu den vorab bekannt­ge­wor­denen Zahlen ist ein wei­teres Bei­spiel dafür, dass Deutsch­lands Medien zwar kei­nes­falls lügen, aber unisono nicht bereit sind, die ganze Wahrheit zu erzählen. Was Fragen auf­werfen oder gar Schlüsse ermög­lichen würde, wird nur ange­deutet oder gleich ganz weg­ge­lassen. Denn der erfreu­liche Befund, dass es 2017 nur noch rund 5,76 Mil­lionen Straf­taten gegeben hat, ist bei näherer Betrachtung alles andere als beru­higend. Der Rückgang von etwas mehr als 600.000 Fällen geht nämlich fast voll­ständig auf das Konto der Dieb­stahls­de­likte sowie der Ver­stöße gegen Auf­ent­halts­be­stim­mungen. Letztere sind für mehr als die Hälfte des Rück­gangs ver­ant­wortlich, wie Oliver Malchow, Vor­sit­zender der Gewerk­schaft der Polizei, erläutert. Wäh­rend­dessen ist die Zahl der Gewalt­taten im Jah­res­ver­gleich nur leicht rück­läufig und die Zahl der Morde ange­stiegen. Eines darf zudem nicht über­sehen werden: Es handelt sich um das Jahr 2017, das erst den Beginn einer Welle von Gewalt­ver­brechen mar­kiert, bei der nicht nur Mes­ser­at­tacken inzwi­schen zum Alltag gehören.

Für den Rückgang der Ver­stöße gegen Auf­ent­halts­be­stim­mungen ist auch eine groß­zü­gigere Aus­legung verantwortlich

Aus Bür­ger­sicht wünscht man sich, dass die Befassung mit diesen Straf­tat­be­ständen ebenso aus­führlich erfolgt wie etwa die jour­na­lis­tische Dar­stellung der Dieb­stahls­kri­mi­na­lität. Es obliegt also einmal mehr freien Medien wie der Libe­ralen Warte, hier für etwas Klarheit zu sorgen und den Infor­ma­ti­ons­an­spruch der Bürger zu erfüllen. Natürlich ist es ein Sicher­heits­gewinn, dass die Zahl der Taschen­dieb­stähle und Woh­nungs­ein­brüche spürbar zurück­ge­gangen ist. Fraglos ver­bessert es das Sicher­heits­emp­finden der Men­schen, wenn sie sich nicht mehr in dem Maße um ihr Hab und Gut sorgen müssen, wie dies noch vor Jahren der Fall war. Hier trägt der Kampf gegen ost­eu­ro­päische Die­bes­banden offen­kundig Früchte. Nur mit­telbar von Bedeutung für das Sicher­heits­emp­finden ist hin­gegen der Rückgang der Ver­stöße gegen Auf­ent­halts- und Asyl­ge­setze, für den nicht nur der nach­las­sende Zuwan­de­rungs­druck, sondern auch eine groß­zü­gigere Aus­legung des Begriffs der ille­galen Ein­wan­derung ver­ant­wortlich ist. Es hat sich natürlich her­um­ge­sprochen, dass es reicht, an der Grenze “Asyl” zu rufen, um nicht als ille­galer Ein­wan­derer zu gelten und auf einen Ver­bleib hoffen zu dürfen. Auch so wird eine Sta­tistik ent­lastet. Die aktuelle Ent­wicklung ist jeden­falls “kein Ruhe­kissen”, wie Rainer Wendt, Vor­sit­zender der Deut­schen Poli­zei­ge­werk­schaft erläutert. Denn der höheren Auf­klä­rungsrate steht eine unüber­sehbare Ver­rohung gegenüber, die sich sta­tis­tisch 2018 vor allem bei den Gewalt­ver­brechen bemerkbar machen dürfte.

Kri­mi­nologe Pfeiffer nimmt eine “gefühlte Kri­mi­na­li­täts­tem­pe­ratur” wahr und  erwartet, dass wir uns “an die neue Lage” gewöhnen

Dazu hat Christian Pfeiffer ganz eigene Ansichten. Der ehe­malige nie­der­säch­sische Jus­tiz­mi­nister (SPD) wird gerne als Experte bemüht, wenn es darum geht, Gewalt – spe­ziell von Migranten – zu rela­ti­vieren. Pfeiffer sieht den Rückgang auch darin begründet, dass “viele Flücht­linge Hoffnung schöpfen”. Er zeigt Ver­ständnis für die Gewalt sich feindlich gegen­über­ste­hender Zuwan­derer, “die in der­selben Turn­halle Matratze an Matratze” hätten liegen müssen. Nicht nur diese Analyse sorgt für Kopf­schütteln. Pfeiffer nimmt eine “gefühlte Kri­mi­na­li­täts­tem­pe­ratur” bei der Bevöl­kerung wahr, die sich wieder nor­ma­li­sieren werde, sobald wir uns “an die neue Lage” gewöhnen würden. Änlich äußern sich Angela Merkel, für die Mil­lionen von Migranten “nun einmal da” sind, und Wolfgang Schäuble, der ach­sel­zu­ckend fest­stellt, wir hätten zu akzep­tieren, dass es immer mehr Muslime in Deutschland gibt. Es wäre die Aufgabe seriöser Jour­na­listen, sich kri­tisch mit Ver­ant­wort­lichen aus­ein­an­der­zu­setzen, die die Kon­se­quenzen ihrer Politik derart fata­lis­tisch beschreiben. Viel­leicht haben sich die Redak­tionen dies ja für den 8. Mai auf­ge­hoben, wenn Horst See­hofer die Ein­zel­heiten der Sta­tistik vor­stellt. Dann gäbe es Gele­genheit einmal zu fragen, wie die Politik dem Umstand zu begegnen gedenkt, dass ein Drittel aller Täter Aus­länder sind, während ihr Anteil an der Bevöl­kerung selbst nach den enormen Zuwächsen der ver­gan­genen Jahre nur bei 12% liegt. Wahr­scheinlich wird diese Frage jedoch kein Jour­nalist stellen. Ein Teil der Ant­worten würde uns ohnehin nur verunsichern.
 

 
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