Syri­en­krieg: And the Winner iiiiiis … Russiaaaah!

Der Berg kreiste und gebar ein Mäuschen. Der Ver­bal­mi­li­ta­rismus des Westens ließ schon Ängste vor dem Dritten Welt­krieg keimen, Mütter standen hier vor dem Kin­der­garten und fürch­teten, dass wir alle sterben. Kinder standen stumm und bang mit großen Augen drumherum.
Dann in der Nacht von Freitag auf Samstag, schossen die Ame­ri­kaner, Fran­zosen und Briten offi­zi­ellen Zahlen zufolge 103 Raketen ab.
 
Straf­aktion“, bevor das Ver­brechen über­haupt bewiesen war – von der Schuld ganz zu schweigen
Das Ganze geschah, noch bevor über­haupt das OPCW (Orga­ni­sation für das Verbot che­mi­scher Waffen) die Sache vor Ort auf­klären, ja über­haupt nur in Augen­schein nehmen konnte, ob über­haupt ein Angriff mit che­mi­schen Waffen statt­ge­funden hatte.
Zur Erin­nerung: Selbst die USA musste zugeben, dass es außer den höchst umstrit­tenen Weiß­helmen keinen Beleg dafür gab, dass ein Che­mie­waf­fen­an­griff geschehen ist. In einem Wohn­gebiet in Dhuma gab es eine Explosion, die Men­schen rannten hinaus, auf einmal schrie jemand, das sei ein Gift­gas­an­griff gewesen und Panik brach aus. Ärzte des Kran­ken­hauses, in die die Men­schen flohen, sagten danach vor der Kamera aus, dass es gar keine Hin­weise für Gift­gas­ver­let­zungen gegeben habe. Moskau gab hierzu eine umfang­reiche Pres­se­kon­ferenz und legte die Beweise vor.
https://www.youtube.com/watch?v=sUr9vBrDcqg
Die USA haben nach dem üblichen Motto, erst mal Bomben drauf­werfen, dann — viel­leicht – nach­sehen, ob der Vorwurf über­haupt stimmt, am liebsten aber mög­lichst hin­terher jede Auf­klärung ver­eiteln. Dieses Vor­gehen hat weltweit Pro­teste aus­gelöst, da es allen Rechts­grund­sätzen wider­spricht. Überall gingen die Men­schen auf die Straße, um ihren Protest gegen einen durch nichts zu recht­fer­ti­genden Angriffs­krieg auf ein gequältes Land zu protestieren.
https://www.youtube.com/watch?v=ewcAe-LERiI
Der schweizer Ver­tei­di­gungs­mi­nister Guy Par­melin stellte in typisch schweizer bescheiden-unum­wun­dener Art fest: „Man hätte die Unter­su­chung abwarten können“. Erst hätten die Beweise für die Ver­brechen des syri­schen Macht­habers erbracht werden müssen.
Die OPCW war ent­schlossen, doch Experten nach Dhuma zu senden, doch am gest­rigen Montag zeigte sich, dass der west­liche Rake­ten­an­griff auf Syrien seinen Zweck erfüllt hatte: Das Sicher­heits­de­partment des UN-Sekre­ta­riats erteilte wegen der Sicher­heitslage keine Erlaubnis, Dhuma zu besuchen.
Schon im Vorfeld hatte die Anglo-Ame­ri­ka­nische Achse ver­sucht, die Mission der Orga­ni­sation zu unter­mi­nieren, indem sie ein Veto gegen die Ent­sendung ein­legte, statt­dessen die Zusam­men­stellung eines ihnen genehmen Unter­su­chungs­aus­schusses ver­langte – was Russland wie­derum mit seinem Veto ver­hin­derte. Als klar wurde, dass die OPCW ent­schlossen war, doch nach Dhuma zu reisen, waren es die USA, die Zweifel an der Objek­ti­vität der OPCW andeu­teten und unter­stellten, Russland wolle vor Ort die Ergeb­nisse der Kom­mission beeinflussen.
Das gesamte Che­mie­waf­fen­ar­senal Syriens ist im Übrigen schon im Oktober 2013 unter der Auf­sicht des OPCW zer­stört und die Pro­duk­ti­ons­stätten still­gelegt worden.
 
Option des Angriffs auf rus­sische Ein­rich­tungen lag auf dem Tisch
US-Ver­tei­di­gungs­mi­nister James Mattis legte drei Vari­anten für einen „Vergeltungs“-Luftschlag vor. Option Nummer 1 sah Angriffe auf syrische Objekte vor, die direkt mit che­mi­schen Waffen in Ver­bindung stehen sollen. Option zwei bezog auch mili­tä­rische Kom­man­do­zentren und wis­sen­schaft­liche For­schungs­ein­rich­tungen mit ein, die mit Che­mie­waffen in Zusam­menhang stehen können. Option drei sah Angriffe auf die Ein­heiten der rus­si­schen Luft­abwehr in Syrien vor. Die Russen hatten klar gewarnt, dass sie in diesem Fall aktiv werden und den Absender der Raketen angreifen würden.
Das wäre wahr­scheinlich der Ein­stieg in einen direkten Schlag­ab­tausch zwi­schen Russland und den USA geworden, dessen Ende schwer abzu­schätzen wäre. Angeblich soll Trump tat­sächlich dieser Option zuge­neigt gewesen sein und Ver­tei­di­gungs­mi­nister Mattis habe das verhindert.
 
Ein – gott­seidank! — wir­kungs­loser Angriff und eine pein­liche Schlappe für die USA & CO
Wie überall zu lesen ist, wurden ins­gesamt 103 Raketen auf Luft­waf­fen­stütz­punkte, For­schungs­ein­rich­tungen, Flug­häfen und Wohn­ge­biete abgeschossen.
Sergej Rudskoi, der Chef der rus­si­schen Haupt­ver­waltung für Ope­ra­tives im Gene­ralsstab, gab dem rus­si­schen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium die nackten Zahlen bekannt.
 
103 Raketen, davon 84 alte Tomahawks
Von den 103 Raketen haben die Briten acht SCALP-Raketen abge­feuert, die Fran­zosen elf SCALP-Raketen, davon acht durch Kampfjets (die Russen wollen aber keine fran­zö­si­schen Kampfjets beob­achtet haben) und drei von Schiffen, die anderen 84 Mis­siles waren Toma­hawks der alten Klasse, die die Ame­ri­kaner abge­schossen haben.
Bekann­ter­maßen ist die syrische Armee mit ebenso alten Buk-Sys­temen aus­ge­stattet, die genau auf diesen Typ Tomahawk aus­gelegt sind. Das sollte eigentlich auch im Pen­tagon bekannt sein.
 
70 Prozent der Raketen wurden abgeschossen
Die Erfolgs­quote des „mus­ku­lösen Angriffs“ war offenbar mehr als bescheiden. 71 der 103 Raketen wurde von der syri­schen Luft­abwehr vom Himmel geholt. Die genauen Zahlen der Raketen, die vor dem jewei­ligen ange­grif­fenen Ziel abge­fangen wurden:
Mili­tär­flug­platz Duvali: Vier von vier Raketen eliminiert
Flug­platz Dumair: Zwölf von zwölf Raketen eliminiert
Flug­platz Blej: 18 von 18 Raketen eliminiert
Flug­platz Al Schairat: Zwölf von Zwölf Raketen eliminiert
Mili­tär­flugplaz Mezze (außer Betrieb): fünf von neun Raketen eliminiert
Flug­platz Homs: 13 von 16 Raketen eli­mi­niert (keine ernsten Schäden)
Orte Barsa und Dscha­ramana: Sieben von 30
 
Mach’ Dich bereit, Russland, denn sie werden kommen, schön und neu und smart
Im Gegensatz zu den Beschrei­bungen der Main­stream­m­edien, die sich geradezu an der Feu­er­kraft des Westens berau­schen und begeistert Videos von star­tenden Toma­hawks zeigen, und wider­sprüch­liche Zahlen liefern, waren es angeblich vor allem Toma­hawks der alten Gene­ration, die die Ame­ri­kaner abge­feuert haben. Die Elogen der „Welt“ bemerken ein wenig am Rande: „Dieser Standard-Marsch­flug­körper, der bereits in den Irak-Kriegen 1991 und 2003 zum Einsatz kam, hat eine Reich­weite von bis zu 2500 Kilometern.“
Wo waren denn die schönen, smarten, neuen Missiles?
Die USA behaupten nun wieder ihrer­seits, dass alle Ziele getroffen worden seien, und die syrische Luft­abwehr über­haupt nicht in Aktion getreten sei. Donald Trump twit­terte: „Mission erfüllt!“, der Schlag sei perfekt aus­ge­führt worden und alle Ziele erfolg­reich getroffen. 

So richtig glaub­würdig ist das aller­dings nicht, denn übli­cher­weise prä­sen­tieren die Ame­ri­kaner gerne umfang­reiches Bild­ma­terial, wie wun­derbar sie mit „chir­ur­gi­scher Prä­zision“ ihre Ziele treffen und ver­öf­fent­lichen Videos und Satel­li­ten­fotos rund um die Welt. Dieses Mal bleibt die Diashow selt­sa­mer­weise aus. Es gibt es nur ein­drucks­volle, don­nernde Rake­ten­ab­schüsse zu sehen – aber nur ein US-ame­ri­ka­ni­sches Satel­li­tenbild von einem Treffer. Und der ist wenig beeindruckend.

Auf dem Boden sieht das so aus:

Überdies ist es wenig glaub­würdig, dass die syrische Luft­abwehr über­haupt nicht in Aktion getreten sei, sondern erst nach dem Angriff, wo man quasi noch ein bisschen „hin­ter­her­ge­ballert“ habe: „Nach US-Angaben gab es dagegen prak­tisch keine nen­nens­werte syrische Abwehr, die rus­si­schen Abfang­ra­keten seien nicht ein­ge­setzt worden. Die Syrer hätten erst Abfang­ra­keten abge­feuert, als der Angriff prak­tisch schon vorbei gewesen sei.“
Der syrische Prä­sident Assad bemerkt dazu nicht ohne einen gewissen spöt­ti­schen Unterton: „Gestern sahen wir eine US-ame­ri­ka­nische Aggression, und wir wehrten sie mit Raketen ab, die in den 70er Jahren pro­du­ziert wurden. Seit den 90er Jahren stellten US-ame­ri­ka­nische Filme die rus­si­schen Waffen als rück­ständig dar, heut­zutage aber sehen wir, wer tat­sächlich zurück­bleibt.“
Diesmal spielen beim „Auf-die-Brust-trommeln“ aber auch nicht alle west­lichen Medien mit. So zieht die ame­ri­ka­nische Ausgabe der Huf­fington Post fol­gendes Fazit:

  • Alle stra­te­gisch bedeut­samen Ziele seien unter dem rus­si­schen „Abwehr­schirm“ geblieben – Trump habe es nicht gewagt, diesen anzugreifen.
  • Assad werde „die Offensive nicht stoppen“, und man habe Russland „nicht herausgefordert“.
  • Trumps Ziel war, „Assads Hand­lungen“ zu ver­hindern – dieses wurde nicht erreicht.

 
Der Ruf der macht­vollen USA ramponiert?
Das ist peinlich für die USA. Wenn tat­sächlich die in Syrien ein­ge­setzten, fast vierzig Jahre alten BUK-Luft­abwehr-Systeme vom Typ S‑125, S‑200, „Buk“ und „Kwadrat“ aus noch sowje­ti­scher Fabri­kation ca. 70% der schönen, neuen smarten US-Raketen vom Himmel geholt haben, und vieles spricht tat­sächlich dafür, dann hat sich der Platz­hirsch USA bis auf die Knochen bla­miert. Nicht nur, dass die „unbe­siegbare US-Armee“ ihren Nimbus in Syrien ein­büßen könnte, die Rüs­tungs­pro­dukte von Rand-Cor­po­ration & Co. könnten sich zukünftig gewissen Reser­viert­heiten bei den Käufern auf dem Welt­markt aus­ge­setzt sehen.
Syrien geht dagegen gestärkt aus dieser Nacht von Freitag auf Samstag hervor.
Nach Wiktor Macha­rowskij, einem Politi-Experten und Jour­na­listen, sieht das Fazit des mus­ku­lösen, abge­wo­genen, west­lichen Ver­gel­tungs­schlag für Unbe­wie­senes so aus:

  • Kein Soldat der syri­schen Armee sei getötet worden.
  • Kein Flugzeug oder Hub­schrauber der syri­schen Armee sei zer­stört worden.
  • Es habe kein zufäl­liges Ein­dringen in die Ver­ant­wor­tungszone der rus­si­schen Flug­ab­wehr­systeme gegeben.
  • Kein Flug­platz der syrische Streit­kräfte sei betroffen worden.
  • 71 der 103 Raketen seien ver­loren worden.
  • Keine Zivi­listen seien ums Leben gekommen.

 
Pres­ti­gegwinn für Russland, Blamage für den Westen
Russland hat in der ganzen Affäre an Ansehen und Ver­trauen gewonnen. Als Einzige haben die Russen maßvoll gehandelt und gesprochen. Zu Recht haben sie erst eine saubere Unter­su­chung der Umstände gefordert, nämlich, ob es a) über­haupt einen Che­mie­waf­fen­an­griff gegeben hat und, falls, dann b) wer der Täter ist.
Dass „der Westen“ dies nicht einmal abge­wartet hat, ist demas­kierend und schändlich. Es erweckt den drin­genden Ein­druck, dass das Ergebnis einer unab­hän­gigen Unter­su­chung gar nicht her­aus­kommen darf.
Man erinnere sich an den US-Angriffs­krieg gegen den Irak, der auch auf­grund Vor­würfe von erfun­denen und nie gefun­denen Mas­sen­ver­nich­tungs­waffen vom Zaun gebrochen wurde. Der Fall 9–11 ist bis heute nicht geklärt, nur, dass Afgha­nistan und der Irak nichts damit zu tun hatten, dürfte auch Lieschen Müller in Hin­ter­tup­fingen bekannt sein. Die USA haben eine lange Tra­dition, frei erfundene Vor­würfe als Kriegs­grund heranzuziehen.
Russland hat kühlen Kopf bewahrt und nicht einmal während des Luft­schlages ein­ge­griffen und die west­lichen Aggres­sor­seite sei­ner­seits attackiert.
Russland wurde als Schutz­macht und einzige, legal in Syrien anwe­sende, fremde Macht nicht vom Westen über die Angriffs­pläne infor­miert. Russland hat sei­ner­seits alle Absichten und Schritte gegenüber allen Par­teien trans­parent kommuniziert.
Die USA, Groß­bri­tannien und Frank­reich haben den völ­ker­rechtlich rechts­wid­rigen, ver­bre­che­ri­schen und nicht mit der Völ­ker­ge­mein­schaft abge­stimmten Angriffs­krieg auf Syrien mit Thea­ter­donner, Groß­mäu­ligkeit und unbe­wie­senen Schuld­zu­wei­sungen selbst­herrlich begonnen und eine kläg­liche Figur abgegeben.
Russland prahlte dagegen weder mit Waffen, noch ras­selte es mit dem Säbel, hat aber offenbar seinen Schützling Syrien kom­petent, zurück­haltend und effi­zient beraten und unter­stützt, ohne große Worte her­um­zu­po­saunen. Denn auch darüber dürfte sich jeder im Klaren sein: Ohne rus­sische Unter­stützung wäre die Sache ganz anders ausgegangen.
Das sieht die Welt­ge­mein­schaft sehr genau.
Überdies stellt sich die Frage, was denn „der Westen“ hätte machen wollen, wenn Russland nicht so besonnen geblieben, sondern tat­sächlich selbst zum Angriff über­ge­gangen wäre? Will dann “der Westen” allen Ernstes auf syri­schem Ter­ri­torium gegen Russland kämpfen? Welche west­liche Armee möchte ihre Sol­daten dort unten gegen die Syrer, die Russen, die Iraner, die His­b’ollah und mög­li­cher­weise noch Chi­nesen ver­heizen? Oder viel­leicht auf dem jeweils eigenen Ter­ri­torium? Hat das eigentlich mal jemand im Pen­tagon, in der Downing Street oder im Elysée-Palast ganz zu Ende gedacht? Was denkt sich eigentlich Herr von und zu Gut­tenberg- Atlan­tik­brücke, wenn er eine Betei­ligung der mick­rigen Rest­be­stände einer deut­schen Bun­deswehr in einem Syri­en­ge­metzel fordert? Und dabei auch noch als Argument ins Feld führt, die deutsche Bevöl­kerung würde „das Ver­trauen ver­lieren“, wenn Frau Bun­des­kanz­lerin Dr. Merkel nicht vor­nedran mit dabei ist, den Dritten Welt­krieg zu entfachen.
Die deutsche Bevöl­kerung, Herr zu Gut­tenberg-Atlan­tik­brücke, hat über­haupt kein Ver­ständnis für jeg­liche Kriegs­trei­berei und die Idee, mit Russland womöglich einen Krieg anzu­fangen, lässt ernst­hafte Zweifel an Ihrer Zurech­nungs­fä­higkeit aufkommen.
Eines haben die USA auf jeden Fall erreicht: In der Region Naher und Mitt­lerer Osten ist ihr Ruf (und der des so genannten Westens) mitt­ler­weile voll­kommen ram­po­niert, die Glaub­wür­digkeit weit­gehend dahin. Kein gutes Resumée nach vielen Jahren Umstürze in diversen Ländern und vielen Toten und Gefal­lenen – auch in den eigenen Reihen.