... die mutigste Freiheitsbekundung, die das Deutsche Volk je abgelegt hat: Sowjetische Panzer auf den Straßen Leipzigs im Mai 1953

17. Juni 1953: Der (ver­gessene) Frei­heitstag der Deutschen

Einen Tag wie den 17. Juni 1953 haben wohl nur die Deut­schen zustande bringen können und sie dürfen auf den größten Volks­auf­stand in ihrer Geschichte zurecht stolz sein. 
(Von Adam Baron von Syburg)
Was ist das größte Datum der deut­schen Geschichte, wenn man ein solches jemals aus­findig machen könnte oder müsste? Ist es der 18. Januar 1871, der Tag der Reichs­gründung? Ist es der 9. November 1918, die Aus­rufung der Republik durch Genosse Philipp Schei­demann? Ist es der 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung vom Natio­nal­so­zia­lismus, welcher in Ost- und Mit­tel­deutschland nahtlos in den gewalt­tä­tigen Sozia­lismus überging? Ist es der 23. Mai 1949, die Ver­kün­digung des Grund­ge­setzes für die Bun­des­re­publik Deutschland, der huma­nis­tischsten Ver­fassung, die sich Deutschland je gegeben hat? Ist es der 9. November 1989 als die Freiheit über das Frei­luft­ge­fängnis und die Deutsche Teilung siegte? Ist es der 3. Oktober 1990 an dem die staat­liche Wie­der­ver­ei­nigung voll­zogen wurde?
Ohne Zweifel waren alle diese Daten wichtige und grund­le­gende Weg­sta­tionen auf dem Weg zu unserem heu­tigen demo­kra­ti­schen, wie­der­ver­ei­nigten Deutschland. Doch hatten meist nur wenige Poli­tiker das Zepter in der Hand.
Der 8. Mai war eine (not­wendige) Befreiung von Außen. Das Grund­gesetz wurde von (weisen) Männern und Frauen abge­legen auf der Insel Her­ren­chiemsee erar­beitet. Der Mau­erfall 1989 war das Ergebnis der Mon­tags­de­mons­tra­tionen, aber vor allem eben auch des glück­lichen Ver­spre­chers von Schab­owski. Die staat­liche Ver­ei­nigung im Jahre 1990 ist freilich die größte Zäsur der jün­geren deut­schen Geschichte. Das Ende der 45 Jahre dau­ernden Teilung ist eine Erfolgs­ge­schichte, die dem Korea­ni­schen Volk bis heute ver­wehrt ist. Der 3. Oktober wurde gewählt, um den 41. Jah­restag der DDR am 7. Oktober (Tag der Republik) nicht mehr begehen zu müssen. Er bleibt trotz der schönen Zahl „drei“ und der pas­senden Jah­reszeit im gol­denen Oktober ein will­kür­liches Datum. Hätte Kohl den 1. Oktober für gut und richtig befunden, wäre es der 01.10. geworden oder viel­leicht auch erst der 01.01.1991. Wer weiß das schon? Der Herbst passt zumindest zur melan­cho­li­schen deut­schen Volks­seele besser als der Hoch­sommer. Aber der 3. Oktober ist und bleibt ein poli­ti­sches Kunstdatum.
Dagegen ist der 17. Juni 1953 kein von Poli­ti­ker­schreib­ti­schen vor­be­rei­teter Ver­wal­tungstag gewesen, sondern er war der von unten, von ein­fachen Arbeitern spontan ver­wirk­lichte Wider­standstag und die mutigste Frei­heits­be­kundung, die das Deutsche Volk je abgelegt hat. 
„Reiht euch ein! Wir wollen freie Men­schen“ hieß es damals an jenem Mittwoch im Juni ’53 in Berlin (Ost). Sie haben sich ein­ge­reiht. Die Arbeiter in Ost­berlin zogen mit den schwarz-rot-gol­denen Fahnen zum und auf das Bran­den­burger Tor, rissen die sowjet­kom­mu­nis­tische rote Flagge her­unter und hissten an ihrer Stelle die deutsche Flagge. Für ein paar Stunden war die SED besiegt, schien die Revo­lution und die Wie­der­ver­ei­nigung des Vater­landes zum Greifen nah zu sein. Doch dann rollten erbar­mungslos die Panzer…
Die Abschaffung des 17. Juni als Natio­nal­fei­ertag tritt den Mut von über einer Million DDR-Bürgern mit Füßen, die sich trauten der SED Paroli zu bieten. 
Wie viel Angst mussten sie gehabt haben als die sowje­ti­schen Panzer auf­ge­rollt sind und die ersten Schüsse fielen? Wie viele Demons­tranten mussten ihren Einsatz am 17. Juni mit dem Verlust ihres Arbeits­platzes, mit Zuchthaus, mit ihrer Gesundheit oder gar mit ihrem Leben bezahlen? 55 Tote sind über die gesamte DDR ver­teilt dokumentiert.
Es war ein großer Fehler der Kohl-Regierung: Mit Inkraft­setzen des Eini­gungs­ver­trages am 3. Oktober 1990 wurde der Natio­nal­fei­ertag der Bun­des­re­publik Deutschland, der Tag der deut­schen Einheit, vom Ereig­nistag 17. Juni auf den eben­jenen Ver­wal­tungstag des 3. Oktober gelegt. Der Tag der Deut­schen Einheit wurde nunmehr mit einem großen „D“ geschrieben.
Dabei geriet der Tag in Ver­ges­senheit, welcher tat­sächlich nicht von der poli­ti­schen Klasse ausging und den Men­schen mit dem Leben bezahlt haben. Der 17. Juni 1953 war in posi­tiver Hin­sicht wohl der größte Tag, den das Deutsche Volk je zustande gebracht hat. Und trotzdem wird keinem Ereig­nis­datum in unserer Geschichte der zweiten Hälfte des ver­gan­genen Jahr­hun­derts so viel Nicht­be­achtung, Des­in­teresse und Nicht­wissen zuteil wie dem 17. Juni. Ist man in den 1960ern in West­deutschland vie­lerorts noch jährlich am 17.06. mit den schwarz-rot-gol­denen Fahnen mar­schiert, muss man Gedenk­ver­an­stal­tungen heute schon wie eine Nadel in der Weite der Sahara suchen.
Sicher: An den öffent­lichen Gebäuden wird am 17. Juni auf Vollmast beflaggt (wenn es nicht ver­gessen wird). 
Im Bun­destag geben sich drei, vier Dutzend Abge­ordnete die Ehre zu einer kleinen Gedenk­stunde. In Berlin und anderen Städten, die am Volks­auftand teil­nahmen, werden Kränze nie­der­gelegt und hier und dort gibt es eine Rede vom ört­lichen CDU-Vor­sit­zenden. Der MDR bringt noch einen Pflicht-Spielfilm; even­tuell gibt es noch eine kurze Doku (aber bitte nicht zur Hauptsendezeit).
Doch was nutzt es? 99,8 Prozent der Bevöl­kerung werden weder von der Gedenk­stunde im Bun­destag, noch vom MDR-Film um Mit­ter­nacht noch von der Gedenkrede des ört­lichen Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten tangiert. 
Und an den meisten Schulen spielt der 17. Juni – auch dank der Schmal­spur­ge­schichts­lehr­pläne der Bun­des­länder – auch keine große Rolle mehr. Wenn er über­haupt noch behandelt wird, nimmt er zumeist eine Rand­notiz ein. Die Bespre­chung der Brecht-Zeilen „Die Lösung“ ist bereits Luxus im Geschichtsunterricht.
Die Deut­schen haben ihren Frei­heitstag ver­gessen. Die Deut­schen haben das Datum ver­gessen, das den Fran­zosen mit ihrem 14. Juli (1789) bis heute heilig ist. Dadurch haben die Deut­schen sich auch ein Stück selbst ver­gessen. Denn der deutsche 17. Juni stellt sogar den fran­zö­si­schen 14. Juli in den Schatten. Die paar Revo­luzzer an der Bas­tille können kaum mit dem Flä­chen­brand in der DDR mit­halten, der sich von Berlin (Ost) aus in die hin­tersten Winkel der SBZ ausbreitete.
Das Ver­gessen des Volks­auf­standes von 1953 reiht sich ein in die 68er, den fol­gen­schweren und fort­dau­ernden Linksruck der Bundesrepublik, 
… die SED-freund­liche Ost­po­litik von Willy Brandt, die anti­deutsche Bewegung der Grünen, die Ent­christ­li­chung der CDU unter Kohl und erst recht unter Merkel und die völlige Aufgabe des Natio­nal­staats­ge­dankens im Euro­so­zia­lismus und im Sommer 2015.
Doch Deutschland wird sich nicht eher (wieder-)finden ehe es nicht den 17. Juni (wieder-)findet.
Denn der 17. Juni ist Vorbild für alle Zeit. Er war Vorbild für nach­fol­genden Volks­er­he­bungen und Volks­auf­stände in den anderen sozia­lis­ti­schen Satel­li­ten­staaten der UdSSR, ins­be­sondere für den 1956 in Ungarn.
Der deutsche Volks­auf­stand in den Tagen des Juni 1953 ver­körpert das genaue Gegenteil des sozia­lis­ti­schen Gesin­nungs­staates und steht somit auch in Fun­da­men­tal­op­po­sition zu den momen­tanen Links­blüten der Gegenwart.
Die Bun­des­re­publik Deutschland war dem Gedanken des 17. Juni schon einmal näher als heute; wenn­gleich es die Freiheit in Deutschland schon immer schwer hatte.
Traf es in den frühen Jahren der Bun­des­re­publik den Links­pro­gres­sismus, etwa Hil­degard Knef und den Pro-Ster­be­hilfe-Film „Die Sün­derin“, Homo­se­xuelle sowie Atheisten,…
… so trifft es heute den Rechts­kon­ser­va­ti­vismus, vor allem Islam­kri­tiker, (Massen-)Einwanderungskritiker, Katho­liken und Patrioten. 
So wie Knef damals von kon­ser­va­tiven Deut­schen beleidigt und gemobbt wurde, Stink­bomben in die Kinosäle geworfen wurden, Homo­se­xuelle psy­chisch bis in den Suizid getrieben wurden, ‚gefallene Mädchen‘ zur Zwangs­arbeit in – zumeist kirch­liche – Heime gebracht wurden…
… so werden heute die Autos von AfD-Poli­tikern zer­stört, ihre Haus­wände beschmiert oder sie direkt ver­prügelt, Kir­chen­ein­rich­tungen und Ehren­mäler geschändet, die Demo für Alle aggressiv nie­der­ge­brüllt und das Konto bei Facebook schnell mal für 30 Tage gesperrt.
Wer nicht im Main­stream mit­schwimmt, hat den Gegenwind nicht aus­schließlich in (legi­timer) Mei­nungs­äu­ßerung zu befürchten, sondern in (ille­gi­timer) psy­chi­scher und phy­si­scher, auch exis­tenz­be­dro­hender, Gewalt. Das ist das Gegenteil von Freiheit!
Wenn­gleich man bei aller Kritik an den desas­trösen gegen­wär­tigen Zuständen das Deutschland der Gegenwart nicht mit dem SED-Staat gleich­setzen sollte. Denn dies wäre eine Ver­höhnung der Opfer der SED-Dik­tatur und eine Ver­harm­losung des sowjet­kom­mu­nis­ti­schen Satellitenstaates.
Der 17. Juni sollte und Pflicht und Vorbild sein im Kampf für die Freiheit der Men­schen und die Einheit des Vaterlandes. 
Es gibt ein Bild mit einer besprühten Hauswand. Auf dieser steht schlicht: 
„Es lebe 17. Juni“
Ja, es lebe der 17. Juni (1953)!
 


Dieser her­vor­ra­gende Beitrag von Adam Baron von Syburg wurde erst­ver­öf­fent­licht auf dem Blog von David Berger — www.philosophia-perennis.com
Fotos: (1) Bun­des­archiv, B 285 Bild-14676 / Unknown / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wiki­media Commons (2) Stadt­archiv Eisenach, Bild 40.5 402 / NN / CC-BY-SA [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wiki­media Commons (3) By scanned by NobbiP (scanned by NobbiP) [Public domain], via Wiki­media Commons