Die Kon­kurs­ver­schleppung beim Euro geht weiter

In Italien regieren mit Lega und der 5‑S­terne-Bewegung jetzt knall­harte Euro-Kri­tiker das hoch ver­schuldete Land. Kommt es zur Macht­probe mit Berlin und Brüssel?

  • Der Fall Italien zeigt einmal mehr: Der Euro ist im Kern krank.
  • Das Rezept Umver­teilung funk­tio­niert auf Dauer nicht.
  • Die Sze­narien ver­heißen für die Zukunft der Wäh­rungs­union nichts Gutes.

Es kehrt wieder Ruhe ein in Europa und an den Finanz­märkten. Wie schon nach den Wahlen in den Nie­der­landen und Frank­reich kommt es scheinbar auch in Italien nicht zur großen Krise der Eurozone. Alles gut also? Nein, weit gefehlt! Der Euro ist im Kern krank und wird nur mit starkem poli­ti­schen Willen und der aggres­siven Geld­po­litik der Euro­päi­schen Zen­tralbank am Leben erhalten. Fun­da­mental haben sich in der Eurozone die Ungleich­ge­wichte in den ver­gan­genen Jahren ver­größert, nicht verkleinert.
Der Euro war und ist ein poli­ti­sches Projekt. Schon vor der Ein­führung haben nam­hafte Öko­nomen aus der ganzen Welt deutlich davor gewarnt. Die Mit­glieds­länder wären nicht homogen genug, und es würden wesent­liche Aspekte für eine funk­ti­ons­fähige Wäh­rungs­union fehlen: namentlich ein zen­trales Budget, gemeinsame Besteuerung und eine funk­tio­nie­rende Regelung für den Fall von Staats­bank­rotten. Das anfänglich scheinbare Erfolgs­projekt Euro war in Wahrheit ein Boom auf Pump, aus­gelöst durch die deut­liche Zins­senkung auf deut­sches Niveau. Ver­mö­gens­preise, Löhne und Schulden explo­dierten in Irland, Spanien, Por­tugal und Grie­chenland. Italien erlebte keinen Boom, machte es sich aber mit hohen Staats­schulden dank tiefer Zinsen gemütlich.
Umver­teilung ist keine Lösung
2008 platzte der Traum vom funk­tio­nie­renden Euro. Die ver­meint­liche Anglei­chung der ver­schie­denen Wirt­schaften stellte sich als Illusion heraus. Im Gegenteil: Sie haben sich laut IWF statt­dessen weiter aus­ein­an­der­ent­wi­ckelt. Die Politik wei­gerte sich aber, die grund­le­genden Kon­struk­ti­ons­mängel des Euro zu berei­nigen. Erst das Ver­sprechen von EZB-Chef Mario Draghi, „alles Erdenk­liche zu tun“, rettete den Euro – vorerst.
Doch Nega­tiv­zinsen und der mil­li­ar­den­schwere Aufkauf von Wert­pa­pieren von Staaten und Unter­nehmen können die eigent­lichen Pro­bleme – zu viele Schulden und diver­gie­rende Wett­be­werbs­fä­higkeit – nicht lösen. Das könnte nur die Politik. Frank­reich sieht die Lösung in einer Haf­tungs­ge­mein­schaft des relativ geringer ver­schul­deten Deutsch­lands mit den anderen Ländern. Stich­worte sind Ban­ken­union, Euro­budget und Euro­fi­nanz­mi­nister. Lösen kann man das Problem durch mehr Umver­teilung aller­dings nicht. Staat­liche Transfers können gar nicht so groß sein, um das zu bewäl­tigen, sagt auch der IWF. Außerdem: Weshalb sollen die deut­schen Pri­vat­haus­halte, die zu den ärmsten in der Eurozone gehören, für die Schulden zum Bei­spiel Ita­liens ein­stehen? Die dor­tigen Pri­vat­haus­halte sind rund dreimal so vermögend.
Der Euro spaltet Europa, statt zu einen
Immer offen­sicht­licher wird, dass der Euro Europa mehr spaltet, als dass er es eint. Die Kri­sen­länder sind hoch ver­schuldet und nicht wett­be­werbs­fähig. Deutschland kann dafür mehr expor­tieren, diese Exporte aber über den Aufbau zins­loser For­de­rungen (Stichwort „Target2“) selber bezahlen. Ein öko­no­misch noch nie funk­ti­ons­fä­higes Kon­strukt wird poli­tisch zunehmend untragbar. Klar ist, dass der Euro auf Dauer nicht über­leben kann. Viel­leicht rettet man eine kleine Wäh­rungs­union, oder aber es gibt eine Rückkehr zur Situation vor 1999. Der Aus­blick ist düster.

  • Sze­nario 1: Italien oder ein anderes Land tritt aus. Es gäbe einen chao­ti­schen Verfall, der wohl zur schlimmsten Krise der Geschichte an den Welt­fi­nanz­märkten führen würde.
  • Sze­nario 2: Die Poli­tiker ver­stärken ihre Umver­teilung, und die EZB kauft dau­erhaft Wert­pa­piere auf. Damit kauft sie der Politik Zeit, aber Sze­nario 1 droht am Ende doch.
  • Sze­nario 3: Die Poli­tiker fassen Mut und ent­schließen sich, die faulen Schulden von Staaten und Pri­vaten gemeinsam abzu­tragen, ver­bunden mit einer Umver­teilung zwi­schen den Ländern.
  • Sze­nario 4: Die EZB kauft in so einem großen Umfang Schulden auf, dass sie sich dem Ruf nach einem Schul­den­erlass nicht mehr ver­wehren kann. Die Fast­re­gie­renden in Rom hatten ja schon einen Erlass von 250 Mil­li­arden Euro gefordert. In diesem Sze­nario dürften es mehrere Bil­lionen sein, die so von der EZB aus der Welt geschafft würden. Kon­se­quenz für den Geldwert? Sehr unsicher!

Deutschland hat sich in eine erpressbare Situation manövriert
Deutschland hat sich in den ver­gan­genen Jahren in eine erpressbare Situation manö­vriert. Mitt­ler­weile sind die Target2-For­de­rungen der Bun­desbank nahe 1000 Mil­li­arden Euro, und Italien ist mit Abstand der größte Schuldner. Damit haben weniger die Ita­liener ein Problem als wir. Tritt Italien aus der Eurozone aus, gehen die ita­lie­nische Notenbank und der Staat zwangs­läufig Konkurs. Ange­sichts dieses Sze­narios wird die deutsche Regierung zu großen Zuge­ständ­nissen bereit sein. Meine Pro­gnose: Man wird der EZB grünes Licht geben für eine Mone­ta­ri­sierung der Schulden. Mit der Tra­dition der Bun­desbank hat das dann end­gültig nichts mehr zu tun.
 


Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com
XING.de: „Die Kon­kurs­ver­schleppung beim Euro geht weiter“, 7. Juni 2018