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Abpfiff für Schwarz-Rot-Gold: Die Angst der Politik vor der natio­nalen Identität

Nun hat das größte Fuß­ball­turnier der Welt auch für die deutsche Natio­nal­mann­schaft begonnen. Doch Stimmung will nicht recht auf­kommen, und das liegt nicht nur am schwachen Auf­tritt der DFB-Kicker. Selten war eine Fußball-Welt­meis­ter­schaft hier­zu­lande im Vorfeld von so großen Kon­tro­versen begleitet wie das vier­wö­chige Spek­takel in Russland. Vor allem die Nomi­nierung zweier Spieler, die offen mit dem natio­nal­is­la­mis­ti­schen Regime in der Türkei sym­pa­thi­sieren, hat vielen Fans die Laune ver­dorben. Doch auch jen­seits der Affäre um Mesut Özil und Ilkay Gün­dogan leidet die Iden­ti­fi­kation mit dem eigenen Team seit geraumer Zeit. Während viele andere Länder ihre Natio­nal­mann­schaft stolz mit den Farben ihrer Flagge bezeichnen oder sie kämp­fe­risch als “Löwen” ins Rennen schicken, ist die DFB-Truppe inzwi­schen über­wiegend zu einer Dele­gation blut­leerer Sport­di­plo­maten mutiert, die weder Stolz noch Lei­den­schaft aus­strahlen. See­lenlos prä­sen­tiert sich bereits beim Abspielen der Natio­nal­hymne “Die Mann­schaft”, wie die ehe­malige deutsche Fuß­ball­na­tio­nalelf nach mehr­fachem poli­ti­schen Glatt­bügeln heute noch heißen darf. Eher teil­nahmslos lassen die Spieler die Hymne über sich ergehen. Mancher bewegt zumindest die Lippen zur Musik, andere ver­weigern sich ganz – mit der kom­for­tablen Maßgabe aus­ge­stattet, kei­nes­falls mit­singen zu müssen. Wie wohl­tuend sind da im Kon­trast doch die beherzten Auf­tritte vieler anderer Teams, bei denen die gesamte Mann­schaft mit der Hand auf dem Herzen voller Inbrunst die eigene Hymne schmettert.

Im Wahn, Mil­lionen von Fuß­ballfans könnten mit einem Nazi-Virus infi­ziert werden, ist alles verpönt, was schwarz-rot-golden daherkommt

Deutschland ist ein Land ohne nationale Iden­tität. Und so schaut man aus den Elfen­bein­türmen der Berufs­po­litik mit Unbe­hagen auf eine Gesell­schaft, die zu Groß­ereig­nissen als Nation zusam­men­findet und ihre Unter­stützung mit der Beflaggung von Autos und Bal­konen doku­men­tiert. Viel lieber möchte das poli­tische Per­sonal Fan­meilen und Public Vie­wings als kun­ter­bunte Multi-Kulti-Events zele­brieren, die der all­um­fas­senden Ein­ladung an die Welt das freund­liche Will­kom­mens­ge­sicht ver­leihen. Denn wo es keine fremde Iden­tität gibt, da kommt man gerne hin. Und diesmal scheint das poli­tische Unbe­hagen größer denn je. Nach dem kurzen Hoff­nungs­schimmer, den das “Som­mer­märchen” des Jahres 2006 geweckt hatte, ist die berufs­po­li­tische Ver­krampfung im Umgang mit dem eigenen Natio­nal­be­wusstsein heute überall spürbar. Getrieben vom Wahn, eine bestimmte Partei könnte sich der natio­nalen Seele bemäch­tigen und Mil­lionen fei­ernder Fuß­ballfans mit einem Nazi-Virus infi­zieren, ist plötzlich wieder alles verpönt, was schwarz-rot-golden daher­kommt. Kein Wunder, dass die Umsätze mit Fan­ar­tikeln in den deut­schen Farben mau sind. Dem Trikot der eigenen Natio­nal­mann­schaft hat man die Farben gleich ganz aus­ge­trieben. In schnödem schwarz-weiß-grau kommt ein Fan daher, der sich das über 80 Euro teure Leibchen seiner Kicker über­streift. Und wer es dennoch wagt, sich mit den Natio­nal­farben zu schmücken, muss die Antifa fürchten. Deren poli­ti­scher Arm, die Links­jugend, ruft seit langem zu der Straftat auf, Deutsch­land­fahnen an Autos abzuknicken.

Nicht für Natio­na­lismus steht die deut­schen Flagge, wie die tür­kei­ver­liebte Claudia Roth meint, sondern für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit

Nicht ganz so weit geht Claudia Roth, immerhin eine der Vize­prä­si­denten des Deut­schen Bun­destags. Doch auch sie macht keinen Hehl aus ihrer sattsam bekannten Ver­achtung für alles Natio­nal­staat­liche. Es ist ein Zeichen unserer Zeit, dass eine Frau ein so ein­fluss­reiches par­la­men­ta­ri­sches Amt ausüben darf, die sich offen gegen eines der bedeu­tendsten Symbole unserer Demo­kratie stellt. Denn nicht für Natio­na­lismus steht die deut­schen Flagge, wie die frem­delnde Grüne meint, sondern für Freiheit und Rechts­staat­lichkeit. Das gilt ganz und gar nicht für die tür­kische Fahne, mit der sich Roth so gerne zeigt. Ernst nehmen kann man die unge­lernte ehe­malige Mana­gerin einer pleite gegan­genen Polit­rockband also sicher nicht, wenn sie vor “natio­naler Selbst­be­weih­räu­cherung” warnt. Davon sind Deutsch­lands will­kom­mens­ge­schundene Bürger ohnehin etwa so weit ent­fernt wie der Mond von der Erde. Überdies bietet die eigene Natio­nal­mann­schaft in diesem Jahr wenig Anlass zu Über­schwang. Mit den schon vor Tur­nier­beginn erkenn­baren fuß­bal­le­ri­schen Mängeln und der enormen Unruhe, die Özil und Gün­dogan unter Mit­wirkung eines befan­genen Bun­des­trainers in die Mann­schaft hin­ein­ge­tragen haben, war der Fehl­start in die WM vor­ge­zeichnet. “Die Natio­nal­mann­schaft ist Spie­gelbild unserer mul­ti­kul­tu­rellen und mul­ti­re­li­giösen Gesell­schaft”, phi­lo­so­phiert Roth. Doch nicht jede Kultur und nicht jede Religion ver­steht sich als Teil unserer Nation. Genau hier liegt das Problem – nicht etwa in der natio­nalen Begeis­terung fah­nen­schwen­kender Deutscher.
 

 
Mein aktu­elles Buch Hexenjagd – Der mündige Bürger als Feindbild von Politik und Medien ist im Handel erschienen. Ebenso ist Das Grauen – Deutsch­lands gefähr­liche Par­al­lel­ge­sell­schaft im Handel erhältlich.