Die Stadt des Affen­gottes: Eine unbe­kannte Zivi­li­sation, ein mys­te­riöser Fluch, eine wahre Geschichte (Videos)

Eine wahre Indiana-Jones-Geschichte – eine archäo­lo­gische Sen­sation! Schon seit dem 16. Jahr­hundert gab es Gerüchte über eine Provinz im Regenwald von Hon­duras, deren Städte reich und prachtvoll seien, ganz besonders die Weiße Stadt, auch Stadt des Affen­gottes genannt.
Immer wieder machten sich Aben­teurer und Archäo­logen auf die Suche nach den Zeug­nissen dieser Zivi­li­sation, die offenbar nicht zu den Mayas gehörte. Manchmal stießen sie tat­sächlich auf Ruinen, aber eine wirk­liche Erfor­schung war in dem von gif­tigen Schlangen und töd­lichen Krank­heits­er­regern ver­seuchten und vom Dschungel über­wu­cherten Gelände unmöglich.
Erst die moderne Laser­technik, mit deren Hilfe das Gelände aus der Luft gescannt wird, ermög­lichte genauere Hin­weise, wo sich größere Ansied­lungen befinden. Um sie vor Ort zu unter­suchen muss man sich aller­dings auch heute noch auf den beschwer­lichen Weg durch den Dschungel machen.
Der Schrift­steller und Jour­nalist Douglas Preston schloss sich kürzlich einer archäo­lo­gi­schen Expe­dition an. Sie fand tat­sächlich die ein­drucks­vollen Ruinen einer unter­ge­gan­genen Stadt, aber sie zahlte am Ende auch einen hohen Preis.
Das Tor zur Hölle
Ganz im Osten von Hon­duras, in einem Land­strich namens La Mos­quitia, befinden sich einige der letzten weißen Flecken unserer Land­karte. Die Mos­quitia ist eine etwa 80 000 Qua­drat­ki­lo­meter große Berg­region, die von Regen­wäldern, Sümpfen, Seen und Flüssen durch­zogen ist.
Die ersten spa­ni­schen Ent­decker mar­kierten sie auf ihren Karten mit Portal del Infierno, »Tor zur Hölle«. Die Mos­quitia ist eine der unzu­gäng­lichsten Gegenden der Welt, jahr­hun­der­telang schei­terte jeder Versuch, in sie vor­zu­dringen. Bis heute, zu Beginn des 21. Jahr­hun­derts, wurden Tau­sende Qua­drat­ki­lo­meter nicht erforscht.
Im Herzen der Mos­quitia über­wu­chert der dich­teste Urwald der Welt eine wilde Berg­land­schaft. Einige der Gebirgszüge ragen über anderthalb Kilo­meter hoch auf und sind von tiefen Schluchten, hohen Was­ser­fällen und rei­ßenden Bächen durchsetzt.
Pro Jahr gehen hier mehr als drei Meter Regen nieder, weshalb die Gegend regel­mäßig von Über­schwem­mungen und Erd­rut­schen heim­ge­sucht wird. Die Schlamm­löcher können einen Men­schen bei leben­digem Leib ver­schlingen. Im Unterholz lauern töd­liche Gift­schlangen und Jaguare, Dornen bohren sich in Kleider und Fleisch.
Selbst erfahrene und mit Macheten und Sägen aus­ge­rüstete For­scher müssen damit rechnen, an einem bru­talen Zehn-Stunden-Tag bes­ten­falls vier oder fünf Kilo­meter vor­an­zu­kommen. Aber nicht nur natür­liche Gefahren erschweren die Erkundung der Mosquitia.
Hon­duras hat neben El Sal­vador die mit Abstand höchste Mordrate der Welt. Vier Fünftel des Kokains, das von Süd­amerika in die Ver­ei­nigten Staaten kommt, wird durch Hon­duras geschleust. Weite Teile des Landes werden von Dro­gen­kar­tellen beherrscht. Regie­rungs­beamte der Ver­ei­nigten Staaten dürfen derzeit nicht in die Mos­quitia und den Bezirk Gracias a Dios reisen, »auf­grund ernst­zu­neh­mender Dro­hungen gegen US-ame­ri­ka­nische Staats­bürger«, wie das Außen­mi­nis­terium mitteilt.
Auf­grund der Abge­schie­denheit der Mos­quitia hält sich seit vielen Jahr­hun­derten eine fas­zi­nie­rende Legende.
Tief in der undurch­dring­lichen Wildnis liege eine geheim­nis­volle Stadt aus weißem Stein, heißt es. Es sei die Ciudad Blanca, die Weiße Stadt, die auch die »Stadt des Affen­gottes« genannt wird. Manche behaupten, dass die Stadt von den Maya erbaut wurde, andere glauben, dass sie schon vor Jahr­tau­senden von einem unbe­kannten und längst unter­ge­gan­genen Volk gegründet wurde (Teo­ti­huacan: Mys­te­riöse Zivi­li­sation baute anders als alle anderen Kul­turen Mit­tel­ame­rikas).
Am 15. Februar 2015 saß ich in einem Kon­fe­renzraum des Hotels Papa Beto in der hon­du­ra­ni­schen Klein­stadt Cata­camas und nahm an einer Ein­satz­be­spre­chung teil. Schon in wenigen Tagen sollte unser Team per Hub­schrauber in ein uner­forschtes Tal tief in den Bergen der Mos­quitia geflogen werden, das nur als »Target One« oder T1 bezeichnet wurde.
Der Hub­schrauber sollte uns am Ufer eines namen­losen Berg­bachs absetzen, damit wir dort, mitten im Regenwald, allein auf uns gestellt ein pri­mi­tives Camp errich­teten. Das sollte unser Basis­lager sein, von dem aus wir etwas erkunden würden, das wir für die Ruinen einer bislang unbe­kannten Stadt hielten. Wir würden die ersten Wis­sen­schaftler sein, die diesen Teil der Mos­quitia betraten.
Keiner von uns hatte eine Vor­stellung davon, was uns dort erwartete, im tiefen Urwald und in einer Wildnis, die seit Gene­ra­tionen kein mensch­licher Fuß mehr betreten hatte. Es war Abend in Cata­macas. Am Kopfende unseres großen Tisches stand der Ein­satz­leiter der Expe­dition, ein pen­sio­nierter Soldat namens Andrew Wood, den alle nur Woody nannten. Als frü­herer Ange­hö­riger der Cold­stream-Garde und Ober­stabs­feld­webel der bri­ti­schen Spe­zi­al­einheit SAS war Woody ein Experte für Urwaldeinsätze.
Zur Ein­leitung erklärte er uns, seine Aufgabe sei ganz einfach: Er solle uns lebend wieder nach Hause bringen.
Er hatte uns zu dieser Ein­satz­be­spre­chung ein­ge­laden, um uns ins Bewusstsein zu rufen, mit welchen Gefahren wir bei der Erfor­schung des Tals kon­fron­tiert werden konnten. Er ließ keine Zweifel daran auf­kommen, dass sein Team von ehe­ma­ligen SAS-Eli­te­sol­daten das Sagen hatte, solange wir in der Wildnis waren: Die Expe­dition war eine quasi-mili­tä­rische Ope­ration, und wir – die eigent­lichen Expe­di­ti­ons­leiter ein­ge­schlossen – hatten seinen Anwei­sungen ohne Wider­worte Folge zu leisten.
Es war das erste Mal, dass alle Expe­di­ti­ons­teil­nehmer – Wis­sen­schaftler, Foto­grafen, Film­leute, Archäo­logen und ein Schrift­steller, nämlich meine Wenigkeit – an einem Ort zusam­men­kamen. Wir waren eine bunt zusam­men­ge­wür­felte Truppe und bislang in sehr unter­schied­lichem Maße in Kontakt mit der Wildnis gekommen. Woody erklärte uns in seiner abge­hackten Sprech­weise die Sicherheitsvorkehrungen.
Noch ehe wir über­haupt einen Fuß in den Urwald setzten, mussten wir schon auf der Hut sein. Cata­camas ist eine gefähr­liche Stadt und wird von einer bru­talen Dro­gen­bande beherrscht – keiner von uns durfte ohne bewaff­neten Begleit­schutz das Hotel ver­lassen. Wir durften nie­mandem ver­raten, wozu wir nach Hon­duras gekommen waren, nicht in Hör­weite von Hotel­an­ge­stellten über das Projekt sprechen, keine mit der Expe­dition zusam­men­hän­genden Unter­lagen her­um­liegen lassen und nicht tele­fo­nieren, wenn fremde Ohren mit­hören konnten.
Im Gepäckraum des Hotels gab es einen großen Safe, in dem wir unsere Papiere, Geld­beutel, Land­karten, Com­puter und Pässe lassen konnten. Dann ging Woody zu den Gefahren des Urwalds über. Ganz oben auf der Liste standen die Gift­schlagen, allen voran die Lan­zen­otter, die in Mit­tel­amerika als barba ama­rilla (»Gelbbart«) bezeichnet wird.
Dieses Reptil, das zur Familie der Gru­ben­ottern zählt, ist in der Neuen Welt für mehr Todes­fälle ver­ant­wortlich als jede andere Schlan­genart. Sie kommt nachts aus ihrem Ver­steck und wird von Men­schen und Akti­vität ange­lockt. Sie ist aggressiv, reizbar und unglaublich schnell. Mit ihren Gift­zähnen durch­schlägt sie den dicksten Leder­stiefel und speit ihr Gift mehr als zwei Meter weit.
Gele­gentlich beißt sie zu, ver­folgt ihr Opfer und beißt ein wei­teres Mal zu. Oft zuckt ihr Kopf nach oben und schlägt über dem Knie ins Bein. Ihr Gift wirkt tödlich. Wer nicht sofort an Hirn­blu­tungen stirbt, erliegt später einer Blut­ver­giftung. Wer wider Erwarten doch überlebt, dem muss oft das Bein ampu­tiert werden, weil das Gift eine Nekrose bewirkt.
Bis ein Biss­opfer geborgen werden kann, können einige Tage ver­gehen, denn die Mos­quitia ist so schwer zugänglich, dass selbst Hub­schrauber nur tags- über und bei gutem Wetter ein­fliegen können. Daher legte uns Woody dringend ans Herz, immer unsere Schlan­gen­ga­ma­schen zu tragen, auch und vor allem, wenn wir nachts zum Was­ser­lassen aufstanden.
Wenn ein umge­fal­lener Baum den Weg ver­sperrte, sollten wir immer erst auf den Stamm steigen und dann erst den Fuß auf die andere Seite setzen; niemals sollten wir auf eine Stelle treten, die wir nicht ein­sehen konnten.
Auf diese Weise wurde nämlich Steve Rankin, der Pro­duzent des Doku­men­tar­filmers und Aben­teurers Bear Grylls, von einer Lan­zen­otter gebissen, als er in Costa Rica einen Drehort inspi­zierte. Rankin trug zwar seine Kevlar-Gama­schen, doch die Schlange, die auf der anderen Seite eines umge­stürzten Baum­stamms ver­steckt lag, biss ihn unterhalb des Schutzes in den Stiefel. Die Zähne fuhren durch das Leder, als sei es aus Butter.
*Wenn Sie etwas aus­halten, können Sie sich das Foto im Internet ansehen.
»Und dann ist das hier pas­siert«, sagte Woody und reichte sein Handy herum. Es zeigte ein ent­setz­liches Foto von Rankins Fuß während der Ope­ration. Obwohl er sofort ein Gegengift erhalten hatte, nekro­ti­sierte der Fuß, und die abge­stor­benen Muskeln mussten bis auf die Knochen und Sehnen hin­unter ent­fernt werden. Rankins Fuß konnte zwar gerettet werden, aber um den Muskel zu ersetzen, musste ein Stück aus dem Ober­schenkel trans­plan­tiert werden.
Unser Tal sehe so aus, als könnte es der ideale Lebensraum für die Lan­zen­otter sein, meinte Woody. Ver­stohlen blickte ich in die Runde. Die heitere Stimmung des Nach­mittags, als wir mit einem Bier in der Hand am Swim­mingpool des Hotels gesessen hatten, war verflogen.
Als Nächstes kam Woody auf die sechs­bei­nigen Krank­heits­träger zu sprechen, denen wir begegnen würden, zum Bei­spiel Mos­kitos, Sand­mücken, Milben, Zecken, Kuss­wanzen (die so heißen, weil sie mit Vor­liebe ins Gesicht beißen), Skor­pione und die Rie­sen­ameisen, deren Stich so schmerzhaft sein soll wie eine Schusswunde.
Die viel­leicht furcht­erre­gendste Krankheit der Mos­quitia ist die Schleim­haut­leish­ma­niose, die manchmal auch als weiße Lepra bezeichnet und von infi­zierten Sand­mücken über­tragen wird. Der Erreger, ein Parasit, wandert in Mund- und Nasen­schleim­häute, frisst diese auf und hin­ter­lässt da, wo einst das Gesicht war, eine riesige, näs­sende Wunde.
Woody schärfte uns ein, uns regel­mäßig von Kopf bis Fuß mit DEET ein­zu­sprühen, unsere Kleidung eben­falls damit zu behandeln und uns nach Ein­bruch der Dun­kelheit sorg­fältig zu bedecken. Dann berichtete er von Skor­pionen und Spinnen, die nachts in unsere Stiefel krochen, weshalb wir diese auf Stöcke stülpen und morgens gründlich aus­schütteln sollten.
Er warnte uns vor den heim­tü­cki­schen roten Ameisen, die durchs Unterholz schwärmten und bei der lei­sesten Erschüt­terung eines Zweigs von oben auf uns her­un­ter­reg­neten, sich in die Haare setzten, den Nacken hin­un­ter­liefen, blind­wütig zubissen und ein Gift ver­spritzten, das einen sofor­tigen Transport ins Kran­kenhaus erfor­derlich machte.
Schaut genau hin, ehe ihr einen Zweig, Ast oder Stamm anfasst, mahnte er uns. Schlagt euch nicht blind durch die dichte Vege­tation. Dort lauern nicht nur Insekten und Baum­schlangen, sondern auch Pflanzen mit spitzen Dornen und Sta­cheln. Im Urwald sollten wir immer Hand­schuhe tragen, am besten Tau­cher­hand­schuhe, die besser vor Dornen schützen.
Ein­dringlich schil­derte er, wie leicht man sich im Urwald ver­irren konnte. Oft reichte es schon, sich vier oder fünf Meter von der Gruppe zu ent­fernen. Nie und unter gar keinen Umständen sollte es sich irgend­jemand von uns ein­fallen lassen, sich allein vom Camp oder im Urwald von der Gruppe zu entfernen.
Bei jeder Exkursion waren wir ange­halten, einen Rucksack mit einer Not­fall­aus­rüstung – Pro­viant, Wasser, Kleidung, DEET, Taschen­lampe, Messer, Streich­hölzer, Regen­kleidung – dabei­zu­haben, für den Fall, dass wir uns ver­irrten und eine Nacht im Schutz eines trop­fenden Baum­stamms ver­bringen mussten.
Jeder von uns bekam eine Tril­ler­pfeife, und sobald wir glaubten, uns ver­laufen zu haben, sollten wir stehen bleiben, pfeifen und warten, bis uns jemand holte. Ich hörte auf­merksam zu.
Ehrlich. Aber ich hatte den Ein­druck, dass Woody uns nur Angst ein­jagen wollte, damit wir uns brav an seine Anwei­sungen hielten. Ich nahm an, dass er den Green­horns unter uns lieber ein bisschen zu viel Vor­sicht ein­bläuen wollte. Ich war einer von drei Teil­nehmern, die bereits über Target One geflogen waren.
Aus der Luft hatte es aus­ge­sehen wie ein son­niges Tro­pen­pa­radies und nicht wie der gefähr­liche, düstere, von Unge­ziefer und Schlangen ver­seuchte Dschungel, den Woody an die Wand malte. Uns würde schon nichts passieren.
*Der Name Mos­quitia hat nichts mit dem Insekt zu tun, sondern geht auf die Küs­ten­be­wohner zurück, eine Mischung aus Urein­wohnern, Euro­päern und Afri­kanern. Nachdem sich diese vor einigen Jahr­hun­derten Mus­keten (spa­nisch mos­quetes) beschafft hatten, wurden sie als Mis­kitos oder Mos­quitos bezeichnet.
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Irgendwo in Amerika
Zum ersten Mal hörte ich von der Legende der Weißen Stadt 1996, als ich im Auftrag der Zeit­schrift National Geo­graphic eine Geschichte über die alten Tempel von Kam­bo­dscha recher­chierte. Die NASA war kurz zuvor mit einer DC-10 über ver­schiedene Urwald­re­gionen der Welt geflogen, um zu ermitteln, ob man mit einem neuen, hoch­ent­wi­ckelten Radar­system das dichte Blät­terdach durch­dringen und Auf­nahmen vom Boden machen konnte.
Experten, die sonst Satel­li­ten­auf­nahmen der Erd­ober­fläche ana­ly­sierten, hatten die Bilder in den NASA-Labors im kali­for­ni­schen Pasadena aus­ge­wertet. Dabei hatten sie im kam­bo­dscha­ni­schen Urwald die Ruinen eines bislang unbe­kannten Tempels aus dem 12. Jahr­hundert entdeckt.
Um mehr darüber zu erfahren, traf ich mich mit dem Team­leiter Ron Blom. Blom hatte wenig Ähn­lichkeit mit dem Kli­schee eines Wis­sen­schaftlers. Er war braun gebrannt und durch­trai­niert, trug Bart sowie Flie­ger­brille und Indiana-Jones-Hut. Inter­na­tional bekannt geworden war er, weil er die ver­schollene Stadt Ubar in der Ara­bi­schen Wüste ent­deckt hatte.
Als ich ihn fragte, an welchen Pro­jekten er arbeitete, rat­terte er gleich eine ganze Reihe her­unter: Er suchte die Routen der Weih­rauch­händler durch die Wüste der Ara­bi­schen Halb­insel, rekon­stru­ierte den Verlauf der alten Sei­den­straße und kar­tierte Schlacht­felder des Ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger­kriegs in Virginia.
Wenn man Radar- und Infra­rot­auf­nahmen mit ver­schie­denen Wel­len­längen kom­bi­nierte und die digi­ta­li­sierten Bilder am Com­puter bear­beitete, konnte man heute bis fünfzehn Meter tief unter den Wüs­tensand blicken, durch das Blät­terdach eines Urwalds spähen und sogar unter der Teer­decke von modernen Straßen alte Wege erkennen, erklärte er mir.

(Nach Abzug des dichten Urwald­be­wuchses ergeben sich aus den LiDAR-Daten Infor­ma­tionen über eine große, von Ter­rassen ein­ge­fasste recht­eckige archäo­lo­gische Struktur unter dem dichten Urwald der Los Mos­quitia Region)
Alte Wege waren ganz nett, aber ich inter­es­sierte mich vor allem dafür, ob man mit dieser neuen Technik noch weitere unter­ge­gangene Städte wie Ubar ent­decken könnte. Als ich ihn danach fragte, ant­wortete er plötzlich aus­wei­chend. »Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir uns auch andere Regionen ansehen.«
Wis­sen­schaftler sind schlechte Lügner. Ich wusste sofort, dass er mir etwas ver­heim­lichen wollte. Als ich nach­hakte, gab er schließlich zu, dass es »eine sehr große Fund­stätte sein könnte. Aber ich darf nicht darüber sprechen. Ich arbeite für einen pri­vaten Kunden und habe eine Ver­trau­lich­keits­er­klärung unterschrieben.
Wir gehen von einer Legende um eine ver­sunkene Stadt aus. Ich kann Ihnen nur sagen, dass sie irgendwo auf dem ame­ri­ka­ni­schen Kon­tinent liegt. Der Legende nach befindet sie sich an einem ganz bestimmten Ort, und wir suchen auf Satel­li­ten­auf­nahmen danach.« »Und haben Sie sie gefunden?« »Das kann ich Ihnen nicht sagen.« »Für wen arbeiten Sie?« »Auch das darf ich Ihnen nicht verraten.«
Blom wil­ligte aber ein, seinem geheim­nis­vollen Auf­trag­geber von meinem Interesse zu berichten und ihn zu bitten, mich anzu­rufen. Ver­sprechen konnte er mir aller­dings nichts. Neu­gierig geworden, rief ich ver­schiedene Archäo­logen an, die in Mit­tel­amerika arbei­teten, um her­aus­zu­finden, um welche Stadt es sich handeln könnte.
Der Maya-Experte David Stuart, der damals am Peabody Museum der Uni­ver­sität Harvard an der Ent­schlüs­selung von Maya-Schrift­zeichen arbeitete, sagte mir: »Ich kenne die Gegend ganz gut. Teile davon sind quasi uner­forscht. Die Leute vor Ort haben mir immer von Tempeln im Wald erzählt, auf die sie bei der Jagd gestoßen waren – große Ruinen mit Skulp­turen. Die meisten Geschichten stimmen. Warum sollten die Leute uns anlügen?«
In den Texten der Maya ist immer wieder von Städten und Tempeln zu lesen, die nichts mit bekannten Anlagen zu tun haben. Es ist eine der letzten Regionen der Welt, in der seit Jahr­hun­derten unbe­rührte Rui­nen­städte zu finden sein könnten.
Der inzwi­schen ver­storbene Maya-For­scher Gordon Willey von der Uni­ver­sität Harvard brachte sofort die Legende der Weißen Stadt zur Sprache. »Als ich in den sieb­ziger Jahren in Hon­duras war, war die Rede von einem Ort namens Ciudad Blanca, die Weiße Stadt, irgendwo im Urwald hinter der Küste. Es war das Gerede der üblichen Schwätzer, und ich habe gedacht, dass es sich wahr­scheinlich um ein paar Kalk­felsen handelt.«
Trotzdem war Willeys Interesse geweckt, und er wollte der Sache nach­gehen. »Leider habe ich keine Erlaubnis bekommen.« Die Regierung von Hon­duras geneh­migte nur selten archäo­lo­gische Expe­di­tionen in diesen abge­le­genen Urwald, weil die Gegend zu gefährlich war. Eine Woche später erhielt ich einen Anruf von Bloms Auftraggeber.
Er hieß Steve Elkins und beschrieb sich als Fil­me­macher und als ein von Neu­gierde getrie­bener Aben­teurer. Ich sagte ihm, ich würde gern für den New Yorker einen kurzen Artikel über seine Suche nach der legen­dären ver­sun­kenen Stadt schreiben – welche Stadt es auch sein mochte. Zögernd wil­ligte er ein, aber nur unter der Bedingung, dass er weder die Stadt noch das Land preis­geben musste. Im Ver­trauen gab er schließlich zu, dass er tat­sächlich nach der Ciudad Blanca, der Weißen Stadt oder der Ver­schol­lenen Stadt des Affen­gottes, suchte (King-Kong hat es wirklich gegeben (Video)).
Aber das durfte ich in meinem Artikel nicht erwähnen, denn zunächst wollte er der Sache am Boden nach­gehen. »Sagen Sie einfach, dass es sich um eine Tem­pel­stadt in Zen­tral­amerika handelt. Aber sagen Sie nichts von Hon­duras, sonst fliegt alles auf.« Elkins kannte die Legenden der Europäer und Urein­wohner über eine hoch­ent­wi­ckelte und reiche Stadt mit einem großen Han­delsnetz, die sich tief in den unzu­gäng­lichen Bergen der Mos­quitia befand und seit Jahr­hun­derten im Dorn­rös­chen­schlaf lag. Es wäre eine archäo­lo­gische Ent­de­ckung von aller­größter Bedeutung.
»Wir haben gedacht, dass wir das Ziel­gebiet auf Satel­li­ten­bildern aus­findig machen und viel­ver­spre­chende Stellen für spätere Expe­di­tionen iden­ti­fi­zieren könnten«, erklärte er mir. Blom und sein Team hatten sich auf ein rund zwei­einhalb Qua­drat­ki­lo­meter großes Gebiet kon­zen­triert – der Ein­fachheit halber Target One oder kurz T1 genannt –, auf dem große, von Men­schenhand geschaffene Bau­werke zu sein schienen.
Mehr wollte er mir nicht ver­raten »Mehr kann ich dazu nicht sagen, weil jeder diese Satel­li­ten­auf­nahmen kaufen kann. Was wir gemacht haben, kann jeder tun und dann den Ruhm ein­heimsen. Oder die Stätten plündern. Wir müssen nur noch hin, und das haben wir für kom­mendes Frühjahr geplant. Dann können wir der Welt hof­fentlich mehr sagen.«
Der Teufel hat ihn geholt
Heilige katho­lische und kai­ser­liche Majestät: … Ich habe Kunde von großen und reichen Pro­vinzen mit mäch­tigen Herr­schern … Man hat mir berichtet, dass sie acht oder zehn Tages­märsche, also fünfzig oder sechzig Leugen, von Tru­jillo ent­fernt liegt. Was man von dieser Provinz berichtet, ist so wun­derbar, dass sie, selbst wenn zwei Drittel davon falsch sind, Mexiko an Reichtum über­trifft und in der Pracht der Städte, Bevöl­kerung und Kultur gleichkommt.
Als der spa­nische Eroberer Hernán Cortés diese Zeilen im Sep­tember 1526 zu Papier brachte, befand er sich an Bord eines Schiffs in der Bucht von Tru­jillo vor der Küste von Honduras.
His­to­riker glauben, dass er mit seinem berühmten fünften Bericht, den er fünf Jahre nach dem Untergang von Mexiko-Tenoch­titlan an Kaiser Karl V. schickte, die Saat für den Mythos der Weißen Stadt des Affen­gottes legte.
Wenn man bedenkt, dass Mexiko, also das Reich der Azteken, atem­be­rau­bende Reich­tümer barg und eine Haupt­stadt mit etwa 300.000 Ein­wohnern hatte, dann war die Aussage, dass diese unbe­kannte Gegend noch präch­tiger sein sollte, sehr bemer­kenswert. Die Urein­wohner nannten es das Alte Land der roten Erde, so Cortés, und nach dieser vagen Beschreibung musste es irgendwo in den Bergen der Mos­quitia liegen. Doch damals befand sich Cortés gerade auf einem Feldzug gegen einen seiner ehe­ma­ligen Weg­ge­fährten, der sich gegen ihn auf­ge­lehnt hatte, weshalb er sich nie auf die Suche nach dem Alten Land der Roten Erde begab (Die Inka-Anlagen: Gigan­tische Stein­blöcke einer unbe­kannten Zivi­li­sation (Videos)).
Viel­leicht schreckten ihn auch die zer­klüf­teten Berge ab, die von der Bucht aus zu sehen waren. Doch der Mythos lebte weiter, genau wie die Geschichten von El Dorado, die man sich jahr­hun­der­telang in Süd­amerika erzählte. Zwanzig Jahre später behauptete ein Mis­sionar namens Cris­tóbal de Pedraza, der später zum ersten Bischof von Hon­duras geweiht werden sollte, er sei auf einer seiner beschwer­lichen Mis­si­ons­reisen tief in den Urwald der Mos­quitia vor­ge­drungen und habe dort etwas ganz Erstaun­liches gesehen: Von einem hohen Felsen aus habe er hin­unter auf eine weit­läufige und blü­hende Stadt in einem Flusstal geblickt.

(Eine Illus­tration von Virgil Finlay für The Ame­rican Weekly, der den Tempel der „Ver­lo­renen Stadt des Affen­gottes“ darstellt)
Sein ein­hei­mi­scher Führer habe ihm berichtet, dass die Herr­schenden dieses Reichs von gol­denen Tellern aßen und aus gol­denen Tassen tranken. Da sich Pedraza nicht für Gold inter­es­sierte, zog er weiter und stieg nicht hin­unter in das Tal. Aber sein spä­terer Bericht an Kaiser Karl V. gab dem Mythos neue Nahrung.
In den nächsten drei Jahr­hun­derten berich­teten Geo­grafen und Rei­sende immer wieder von geheim­nis­vollen Städten in Zen­tral­amerika. In den drei­ßiger Jahren des 19.Jahrhunderts war ein New Yorker namens John Lloyd Ste­phens regel­recht besessen von dem Gedanken, in den Regen­wäldern der Region nach ver­sun­kenen Zivi­li­sa­tionen zu suchen, wenn es sie denn gab.
Es gelang ihm, einen Termin beim Bot­schafter der kurz­le­bigen Kon­fö­de­ration von Zen­tral­amerika zu bekommen, doch als er 1839 in Hon­duras ankam, ging diese gerade in einem Bür­ger­krieg unter. Inmitten der Wirren sah er für sich die Chance, allein auf­zu­brechen und sich auf die Suche nach den geheim­nis­vollen Ruinen zu machen.
Mit dem Briten Fre­derick Catherwood begleitete ihn ein her­vor­ra­gender Maler, der eine Camera lucida im Gepäck hatte, um mög­liche Ent­de­ckungen bis ins kleinste Detail abzeichnen zu können. Wochenlang wan­derten die beiden mit ihren ein­hei­mi­schen Führern durch Hon­duras, immer den Gerüchten über eine große Stadt auf der Spur. Tief im Lan­des­in­neren stießen sie schließlich am Ufer eines Flusses nahe der Grenze zu Gua­temala auf ein elendes, abwei­sendes und von Mücken geplagtes Dorf namens Copán. Von den Ein­wohnern erfuhren sie, dass es auf der anderen Seite des Flusses uralte Tempel gab, in denen nur noch die Affen hausten.
Tat­sächlich war am Ufer gegenüber eine Mauer aus behauenem Stein zu sehen. Sie über­querten den Fluss auf Eseln, klet­terten eine Treppe hinauf und betraten die Stadt.

»Wir stiegen große Stein­stufen hinauf«, schrieb Ste­phens später. »An manchen Stellen waren sie bestens erhalten, an anderen zer­stört durch Bäume, die zwi­schen den Ritzen her­vor­ge­wachsen waren. Schließlich standen wir auf einer Ter­rasse, deren Form wir nicht aus­machen konnten, da der Wald, der sie über­wu­cherte, zu dicht war. Unser Führer hieb mit seiner Machete einen Weg frei … Auf dem Weg durch das Dickicht stießen wir auf eine recht­eckige Stein­säule … Auf der Vor­der­seite war ein son­derbar, aber reich geklei­deter Mann zu sehen, und das Gesicht, offenbar ein Porträt, war ernst, streng und geeignet, dem Besucher Angst ein­zu­flößen. Die Rück­seite zeigte ein Muster, das mit nichts Ähn­lichkeit hatte, das wir bis dahin gesehen hatten, und die Seiten waren mit Hie­ro­glyphen bedeckt.« (Auf einer Tafel ent­deckten For­scher, wie erschre­ckend fort­ge­schritten eine 3.700 Jahre alte Zivi­li­sation war (Video))
Vor dieser Ent­de­ckung glaubten die meisten von Ste­phens’ ame­ri­ka­ni­schen Lands­leuten, dass die Urein­wohner der Neuen Welt von den Jägern und Sammlern abstammten, die westlich des Mis­sis­sippi lebten. Auch in den Augen der meisten Europäer waren die »Indianer« halb­nackte Wilde, die nichts her­vor­ge­bracht hatten, was den Namen »Kultur« ver­diente. Ste­phens’ Expe­di­tionen ver­mit­telten ein ganz neues Bild. Plötzlich erkannte die Welt, dass es auf dem ame­ri­ka­ni­schen Dop­pel­kon­tinent atem­be­rau­bende Zivi­li­sa­tionen gegeben hatte.
Er schrieb: »Der Anblick dieses uner­war­teten Bau­werks wider­legte ein für alle Mal jeg­liche Zweifel hin­sichtlich des ame­ri­ka­ni­schen Altertums und bewies, genau wie die neu ent­deckten his­to­ri­schen Doku­mente, dass die Men­schen, die auf dem ame­ri­ka­ni­schen Kon­tinent lebten, keine Wilden waren.«
Diese Men­schen, die die weit­läufige Stadt aus Pyra­miden und Palästen errichtet und ihre Denk­mäler mit Inschriften bedeckt hatten, waren die Maya; sie hatten eine Zivi­li­sation geschaffen, die den antiken Kul­turen der Alten Welt in nichts nachstand…

Inhaltsverzeichnis:
1 Das Tor zur Hölle 9
2 Irgendwo in Amerika 16
3 Der Teufel hat ihn geholt 21
4 Grau­samer Urwald 31
5 Eines der letzten Geheim­nisse des Kon­ti­nents 38
6 Das Herz der Fins­ternis 53
7 Der Fisch, der den Wal ver­schluckt 68
8 Laser im Dschungel 77
9 Glücks­spiel 83
10 Der gefähr­lichste Ort der Erde 93
11 Unbe­kanntes Gelände 109
12 Eine große Stadt 129
13 Die Lan­zen­otter 138
14 Blumen pflücken ver­boten! 150
15 Von Men­schenhand geschaffen 167
16 Ich ver­sinke! 178
17 Ein ver­zau­berter Ort 192
18 Im Morast 204
19 Streit 217
20 Die Höhle der leuch­tenden Schädel 230
21 Das Symbol des Todes 249
22 Und die Blumen ver­welkten 258
23 Weiße Lepra 274
24 Im Natio­nalen Gesund­heits­in­stitut 292
25 Eine iso­lierte Art 304
26 La Ciudad del Jaguar 318
27 Wir sind Waisen 339
Hier gibt es die gesamte Lese­probe als PDF.
Videos:
Quellen: PublicDomain/randomhouse.de am 18.10.2017

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