Gold bullion coins - Photo by: (Mick Baker)rooster - flickr.com - CC BY-ND 2.0

Gedanken zu Gold

Da der Gold­preis unter Druck ist, u. a. wegen der Zins­er­höhung in den USA, des stei­genden Dollars und der ver­meint­lichen Sta­bi­li­sierung des Finanz­systems noch mal eine Erin­nerung an die eigent­lichen Gründe, Gold zu kaufen:
Der Gold­preis sinkt. Als Argu­mente für diesen Preis­verfall werden geliefert: Inflation nicht in Sicht, Krisen über­wunden, Zinsen – zumindest in den USA – im Aufwind. Auch Star­in­vestor Warren Buffet muss als Begründung her­halten: Wenn sogar ein kon­ser­va­tiver Investor wie er nichts von Gold halte, weshalb sollte man es dann kaufen, so die breit geäu­ßerte Meinung.
Wertauf­be­wah­rungs­mittel
Richtig ist: Gold nimmt tat­sächlich an der all­ge­meinen Ent­wicklung des Wohl­stands nicht teil. So stimmt es zwar, dass man sich im alten Rom für den Gegenwert einer Unze Gold eine gute Toga kaufen konnte, während man heute für 1.000 Euro einen guten Anzug bekommt. In Relation zum ver­füg­baren Ein­kommen sind Anzüge heute jedoch deutlich güns­tiger als Togen im alten Rom. Der Fort­schritt hat den Wohl­stand deutlich ver­größert. Besonders ein­drücklich wird dieser Nachteil von Gold, wenn man auf die Phase der indus­tri­ellen Revo­lution zurück­blickt. Wer im 15. Jahr­hundert Gold gekauft hat und dieses in der Familie über Gene­ra­tionen immer wei­ter­vererbt hat, erzielte über 500 Jahre einen realen Verlust von rund 90 Prozent.
Dies ist auch der Hin­ter­grund für die Abneigung Warren Buffets. Gold ist unpro­duktiv, so wie auch Kunst, Old­timer, Wein und ähn­liche Samm­ler­stücke. Deren Wert basiert aus­schließlich auf der Erwartung einer Wert­stei­gerung, die wie­derum von der Erwartung wei­terer Wert­stei­gerung getrieben sind. Je tiefer das Zins­niveau, desto höher ist der poten­zielle Preis, weil die Oppor­tu­ni­täts­kosten ent­spre­chend geringer sind. Wer nun also mit Blick auf die Mini-Zins­er­höhung in den USA und die angeblich abneh­menden Kri­sen­ge­fahren vom Gold abrät, sollte das gleiche auch mit Kunst und anderen Sach­werten tun. Aus dem Blick­winkel der Geld­anlage wäre alles glei­cher­maßen falsch.
Wenn man aber aus der berech­tigen Angst um sein Ver­mögen in Sach­werte diver­si­fi­zieren möchte – und ich würde ange­sichts der unge­lösten Schul­den­krise und der Politik der Noten­banken dringend dazu raten – dann ist Gold nahe­lie­gender als diese exo­ti­schen Anla­ge­klassen. Der wesent­liche Vorteil von Gold liegt darin, dass es homogen, inter­na­tional akzep­tiert und relativ kompakt ist. Je homo­gener und kom­pakter ein Gut, desto besser kann es im Kri­senfall genutzt werden.
Krise noch lange nicht vorbei
Regel­mäßige Leser dieser Kolumne kennen meinen skep­ti­schen Blick auf die Lage der Welt­wirt­schaft und der Eurozone: unge­löste Schul­den­pro­bleme, über­for­derte Poli­tiker und Noten­banken, die sich für die Retter der Welt halten, indem sie immer groß­zü­giger Geld zur Ver­fügung stellen. Selbst wenn jetzt tat­sächlich die erste Zins­er­höhung in den USA kommt, dürfte sie eher dazu dienen, wieder Raum für künftige Zins­sen­kungen zu schaffen und keine echte Trend­wende sein. Die Welt­wirt­schaft ist einfach zu hoch ver­schuldet, als dass sie höhere Zinsen ver­kraften könnte. Heli­ko­ptergeld wird das Thema der nächsten Jahre, nicht Zinsen von fünf Prozent. Wer zweifelt, dem emp­fehle ich einen Blick nach Japan. Wir im Westen sind drauf und dran, die dortige Politik zu wie­der­holen. Statt Schulden zu berei­nigen, wird mit immer mehr Schulden und bil­ligem Geld Zeit gekauft. Ausgang des Expe­ri­ments: völlig unklar.
Damit bleiben wir im Span­nungsfeld von Deflation und Inflation, in der Eurozone noch poten­ziert um das reale Sze­nario eines chao­ti­schen Zer­falls. Grund genug für mich, wei­terhin nach Alter­na­tiven außerhalb des Systems zu suchen.
Aktien sind diese Alter­native übrigens nicht. Ein Blick in die Geschichte lehrt, dass Aktien in Phasen abneh­mender und tiefer Inflation am besten per­formen. Sowohl hohe Inflation wie auch eine breite Deflation sind hin­gegen für Aktionäre keine gute Zeit. Blickt man zudem auf die aktuelle Bewertung an der US-Börse, so kann man nur zu dem Schluss kommen, dass die besten Zeiten hinter uns liegen. Nur in der New Economy Blase waren Aktien teurer in den letzten 100 Jahren, wenn man berei­nigte Kenn­ziffern wie das glei­tende Kurs-Gewinn-Ver­hältnis (Shiller-PE) zugrunde legt.
Märkte nicht rational
Warren Buffet ver­weist zu Recht immer wieder darauf, dass die Kapi­tal­märkte eben nicht rational sind. Vielmehr gibt es Her­den­ver­halten, Über- und Unter­schießen von Bewer­tungen. Bei Gold wird derzeit an den Ter­min­märkten auf fal­lende Kurse gesetzt. Spe­ku­lanten sind so deutlich gegen Gold posi­tio­niert, wie schon lange nicht mehr. Fun­da­mental wird diese Schwäche von der abneh­menden Nach­frage aus Indien und China gefördert. Der Verfall der Roh­stoff­preise tut ein wei­teres, um die Stimmung gegen Gold zu fördern. Schon kur­sieren Kurs­ziele von weit unter 1.000 Euro; die Deutsche Bank pro­gnos­ti­zierte bereits im Juli eine Marke von 750 US-Dollar.
Schon allein aus markt­tech­ni­schen Gründen bin ich ver­sucht, dage­gen­zu­halten. Immer wenn alle das Gleiche denken, kommt an den Finanz­märkten ziemlich sicher das Gegenteil – siehe die Gegen­be­wegung des Euro in der letzten Woche.
Doch auch aus einer lang­fris­tigen Per­spektive sollte ein ratio­naler Investor an Gold fest­halten. Wohin man auch blickt, drohen erheb­liche Ver­mö­gens­ver­luste. Gefangen in Über­schuldung und Sta­gnation und mit Blick auf die erheb­lichen unge­deckten Ver­sprechen für Renten und Gesund­heits­leis­tungen einer über­al­ternden Gesell­schaft werden die Poli­tiker garan­tiert den Weg des geringsten Wider­standes gehen: die Noten­presse. Mein oft zitiertes Bild von der „Ketchup-Inflation“ kann schneller kommen, als man denkt. Ich jeden­falls möchte dann nicht ohne eine Alter­native zu unserem Geld­system dastehen.
Die Gold­skep­tiker mögen sich an Warren Buffet ori­en­tieren. Ich halte es hier eher mit Ray Dalio, einem der erfolg­reichsten Hedge­fonds-Manager der Geschichte, der immer auch einen Anteil seines Ver­mögens in Gold hält.
→ wiwo.de: „Keine Panik, sondern Gold auf­stocken“, 10. Dezember 2015


Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com