Deutsche Immo­bilien unterbewertet?

Der Wirt­schafts­weise Peter Bofinger hat eine aktuelle Studie des IWF per Twitter her­um­ge­schickt mit der Anmerkung, dass auch der Wäh­rungs­fonds zeigen würde, dass deutsche Immo­bilien nicht über­be­wertet sind.

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Ein Wirt­schafts­weiser ver­kündet hier, dass Immo­bilien in Deutschland unter­be­wertet sind. Das fand ich deshalb inter­essant, weil zuvor andere Insti­tu­tionen, ich denke da unter anderem an die Deutsche Bun­desbank, aber auch die Bank UBS vor Bla­sen­ge­fahren gewarnt haben. München gehört bei­spiels­weise zu den fünf Städten mit dem höchsten Bla­sen­risiko laut UBS.
Nun also die hoch-offi­zielle Ent­warnung durch den IWF. Immo­bilien in Deutschland sind unter­be­wertet. „Kommt her und kauft“, könnte man titeln. Dabei gibt es sicherlich gute Gründe bei Immo­bilien in Deutschland skep­tisch zu sein. Ich denke nur an die demo­gra­fische Ent­wicklung und die zuneh­menden poli­ti­schen Ein­griffe. Es ist ein­deutig, dass die Politik alles dar­an­setzen wird, Immo­bilien in Deutschland als Investment unat­traktiv zu machen.
Also schauen wir uns die Studie des IWF etwas genauer an:

  • Over the past two decades, house prices have risen faster than income in many advanced eco­nomies (AEs), leading to a strong uptrend in price-to-dis­posable income (PTI) ratios (Figure 1). These large price increases have been asso­ciated with signi­ficant increases in household debt, resulting in a similar rise in household debt-to-dis­posable income (DTI) ratios.“ – Stelter: Das ist schon mal eine sehr wichtige Aussage! Denn nur dank der immer höheren Ver­schuldung sind die höheren Haus­preise denkbar. In unserem Geld­system schaffen Banken beliebig viel Geld, was bei einem knappen Asset natur­gemäß zu stei­genden Preisen führen muss. Dies steht hinter der von Piketty so politik-medien-wirksam betrie­benen Argu­men­tation der angeblich immer reicher wer­denden Reichen – nichts anderes als ein Auf­schul­dungs­prozess. Das Chart zeigt es sehr schön:

Quelle: IWF

  • „Within this broad uptrend, sizable reversals of housing prices have also arisen around the global financial crisis (GFC), e.g., in Denmark, Ireland, and Spain, where prices have reco­vered to some extent but have remained below their pre-crisis peaks (Figure 2). Such reversals have had major macro-financial con­se­quences, causing household dele­ver­aging and reduced con­sumption, and, in some cases, wea­kened financial inter­me­diation.“ Stelter: Auch das ist klar. Der Prozess setzt ständig stei­gende Preise voraus. Kommt es zu einer Ver­lang­samung des Preis­an­stiegs, droht immer der gegen­teilige Prozess, des Dele­ver­aging, der zu nach­hal­tigen Rück­gängen im Preis­niveau und ent­spre­chenden Pro­blemen bei Schuldnern und Gläu­bigern führt. Auch dies zeigt die Abbildung sehr schön.


 Quelle: IWF
Derweil ging in anderen Ländern der Boom weiter, wie die nächste Abbildung zeigt:
Quelle: IWF
Was mit ent­spre­chend höheren Schul­den­ständen bei den pri­vaten Haus­halten ein­hergeht. Klar, wer soll denn sonst die hohen Preise bezahlen können?

Quelle: IWF

  • „(…) the high indeb­tedness that typi­cally accom­panies high housing prices tends to make the economy more vul­nerableto asset price move­ments, which can amplify shocks and macroe­co­nomic insta­bilitythrough the col­la­teral channel. Alongside moni­toring household debt, it is also important to monitor house pricesand assess whether housing valua­tions are sus­tainable.“ Stelter: was wie­derum klar ist, weil beides zusammenhängt.
  • Jetzt kommen wir zum Kern­punkt: „This paper aims to assess housing valuation risks by modelling the sus­tainable levels of house prices for 20 AEs in the OECD.A novel con­tri­bution of the paper is its focus on the role of policy, insti­tu­tional, and struc­tural factors—i.e. tax incen­tivesfor home
ownership, rent con­trols, and the long-run supply respon­si­venessof housing construction—in shaping long-run house price trends. Given the slow-moving nature of these factors, modelling their impact requires a cross-country panel metho­dology. Hence the paper pro­vides esti­mates of the dif­fe­rential impact of policy and struc­tural factors on house prices across countries in addition to con­sistent esti­mates of valuation gaps for 20 AEs.“Stelter: Das bedeutet aller­dings auch, dass man Bewer­tungen mit­ein­ander ver­gleicht und damit davon ausgeht, dass das, was wir erleben, fun­da­mental gerecht­fertigt ist.

Sodann werden die fun­da­men­talen Erklä­rungs­fak­toren nach­ein­ander eingeführt:

  • Household dis­posable income plays a key role in shaping house price trendsThe higher the real per-capita dis­posable income (RPDI) of house­holds, the more they can spend to purchase a house or service a mor­tgage, pushing up house prices.“ – bto: In reichen Ländern kosten Immo­bilien mehr. Erwartet und ent­spre­chend bewiesen.


Quelle: IWF

  •  „Household net financial wealth also appears to be a deter­mining factor of house prices. The accu­mu­lation of financial net wealth by house­holds has exerted upward pressure on housing demand and con­tri­buted to the rise in house prices.“ Stelter: Auch nicht wirklich über­ra­schend ist, dass das doch auch mit dem ver­füg­baren Ein­kommen kor­re­liert. Man beachte Deutschland! Das hat mit unserer Art des Sparens zu tun!


Quelle: IWF

  • Housing demand has also been fueled by declining interest rates. Interest rates have gone down sub­stan­tially since 2000 and stayed low in recent years, with real rates falling close to or below zero in many countries. These falls reduce the user cost of housing through savings on financing costs.“ Stelter: was nun auch wirklich nicht über­ra­schen sollte.
  • Demo­graphic trends rein­forced the high demand for owner-occupied housing. Popu­lation growth, including from high rates of net migration, tog­ether with increases in the share of the popu­lation in the age groupfor household for­mation, will boost housing demand. In many AEs—including Aus­tralia, Ireland, Israel, New Zealand, Norway—the fast growth of popu­lation at household for­mationages since the mid-1990s has been asso­ciated with large increases in real house prices.“ Stelter: Auch dies ist ein­leuchtend, wobei es bei uns die Frage auf­wirft, ob wir genau deshalb stei­gende Preise haben sollten. Eigentlich spricht wenig dafür, weil wir es mit einer schlechten Demo­grafie zu tun haben.
  • Under­supply con­di­tions can also con­tribute to housing price gains out­pacing incomes. Over recent decades, resi­dential investment has grown signi­fi­cantly in many countries, but it remained below demo­graphic needs and signi­ficant housing supply shortages accu­mu­lated in some.“Stelter: Das ist zum Bei­spiel in Berlin der Fall, wo eine bewusste Bau­ver­hin­de­rungs­po­litik einen Zustand der Knappheit befördert, der sodann durch mehr Ein­griffe in die Eigen­tums­freiheit bekämpft wird, mit dem Ziel einer neuen sozia­lis­ti­schen Ordnung …
  • Dif­fe­rences in price ela­s­ti­cities of housing supply can affect house price dynamics. Subject to a given increase in long-run demand, markets with an inelastic (steeper) long-run supply curve will not build as much new dwel­lings as markets with elastic supply, resulting in greater increase in prices.“ – bto:  ja, klar.
  • Tax incen­tives for mor­tgage financing and home ownership, which reduce the user cost of housing, can con­tribute to high and rising house prices.In many AEs, housing investment receives favorable tax tre­atment relative to other investment. This favorable tax tre­atment on housing investment may crowd out capital from more pro­ductive usethan housing and encourage excessive leverage.“ Stelter: Letztlich ist das eine staat­liche Sub­vention für Bau­firmen und Banken und führt so zu einer Umver­teilung von Ver­mögen. In der Schweiz ist das bei­spiels­weise pro­minent zu beobachten.
  • Rent con­trols, by reducing incen­tives to use housing effi­ci­ently, tend to raise house prices. The option to rent housing pro­vides a potential check on house price pres­sures. Rent con­trols, however, can create lock-in effects where renters remain in space that may exceed their needs, reducing the effective housing supply and creating queues that make renting a less viable alter­native.“ Stelter: Das müsste mal unsere Bun­des­re­gierung lesen! Die Steuerung des Marktes macht den Markt letztlich teurer, führt also zum Gegenteil des Erwünschten!
  • Kommen wir zum Ergebnis der Analyse: „(…) esti­mated to be overvalued as of end-2016(Canada, Norway, Sweden, and the United Kingdom); expe­ri­encing per­sistent overva­luation (Belgium, France, Italy, Switz­erland).“ Stelter: was auch wie­derum nicht überrascht.

Dann kommt die Abbildung, die Bofinger get­wittert hat mit der These, dass der IWF zeigt, dass deutsche Immo­bilien unter­be­wertet seien:
Quelle: IWF
Das finde ich besonders spannend. Denn zum einen sind die Erklä­rungs­fak­toren nicht unab­hängig von­ein­ander, wie Ein­kommen und Ver­mögen, zum anderen werden die Märkte relativ zuein­ander bewertet. Da wir aber wissen, dass zum Bei­spiel US-Aktien seit Jahr­zehnten über ihrem intrin­si­schen Wert handeln und nur im März 2009 wieder im Nor­mal­be­reich waren, führt das dazu, dass wir etwas nicht als teuer emp­finden, weil alles teuer ist. So ist es auch hier.

  • The model esti­mation sug­gests on average a modest overva­luation of 6 percent on current fun­da­mentals including policy and struc­tural factors. (…) esti­mated housing valuation gaps as of 2016: Q4 range from 12 percent underva­luationin Finland to 35 percent overva­luation in Canada. However, real mor­tgage rates are well below their average since 2000 so they may unwind to some extent over time. This would lower equi­li­brium housing prices, implying that house prices could be more overvalued than esti­mated if allowing for a nor­ma­lization of interest rates. For example, based on our model esti­mates, a 2 per­centage point increase in the real mor­tgage rate would reduce house prices by about 4–6 percent in equi­li­brium, implying that house prices could be up to 12 percent overvalued on average in our sample countries.“ Stelter: Also geht Bofinger davon aus, dass die Zinsen ewig tief bleiben, denn wie sonst kann er zu der Auf­fassung gelangen, Deutschland sei unter­be­wertet. Ja, es ist unter­be­wertet, ver­glichen mit anderen hoch bewer­teten Ländern. Aber das ist eine recht ein­fache Aussage.

Fazit: Der Tweet war nicht glücklich. Wer liest schon die Studie, wenn ein Chart die Message hat und ein Wirt­schafts­weiser sie so pro­minent bewirbt? Eben: nur wenige. Wir haben hier einen Fall der selbst­re­fe­ren­zi­ellen Argu­men­tation. Weil anderes noch mehr über­be­wertet ist und weil Geld ohnehin nichts mehr bringt, sind Immo­bilien in Deutschland also unter­be­wertet. Wenn man sich hin­gegen die Demo­grafie und die Politik anschaut, kann man da nur sagen: ver­mutlich zu Recht. Schlimmer noch: Wir haben überall Blasen. Auch in einigen Märkten hierzulande.
Hier der Link zur Studie:
→ IWF Working Paper, „Fun­da­mental Drivers of Housing Prices in advanced Economies“


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