So ist es: „Der Euro ist fraglos ein Miss­erfolg“ – und wird die größte Finanz­krise auslösen

wiwo.de bringt ein Interview mit Ashoka Mody, Visiting Pro­fessor an der Princeton Uni­versity, zuvor beim Inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­fonds Vize-Direktor für For­schung und Europa zuständig. Er fasst einfach zusammen, was unsere Euro-Elite nicht wahr­haben will und was deshalb leider zum schlech­teren seiner beiden Sze­narien führen wird, dem chao­ti­schen Zerfall. Hier die High­lights, wobei ich auch ihm nicht in allem zustimme:

  • „Wenn ich mir das Ver­hältnis von Worten und Taten in Europa ansehe, dann haben wir ein großes Miss­ver­hältnis. Das spiegelt die Tat­sache wider, dass die Politik in der Eurozone unter extremen Zwängen agiert. Des­wegen kommen aus der Politik so viele opti­mis­tische Bot­schaften und so viele leere Begriffe. Poli­tiker ver­wenden Worte wie Wäh­rungs­union, die keine Bedeutung haben. In Europa gibt es eine gemeinsame Währung, mehr nicht.“
    Stelter: So ist es. Vor allem stimmt natürlich, dass mehr gequatscht als gehandelt wird.
  • „Der euro­päische ein­heit­liche Ban­ken­ab­wick­lungs­fonds, der ohnehin schon klein ist im Ver­gleich zu dem was benötigt wird, soll vom Euro­päi­schen Ret­tungs­schirm (ESM) künftig eine Kre­dit­linie bekommen. (…) Niemand hat sich Gedanken gemacht, was eigentlich pas­siert, wenn der Fonds das Geld nicht zurück­be­kommt. Die Annahme ist, dass Kredite gerade billig sind, und man sich keine Sorgen machen muss. (…) Eine gemeinsame Ein­la­gen­si­cherung wird es nie geben. Sie würde bedeuten, dass Länder unbe­grenzt Steu­er­gelder ver­sprechen würden. Das wird nicht passieren.“
    Stelter: Oder man denkt, ist doch egal, das zahlen dann die anderen, also über­wiegend die Deut­schen.
  • Macron kom­bi­niert über­triebene Rhe­torik mit Ideen, die in der Praxis kei­nerlei Bedeutung haben. (…) Und dann benennt er das Ganze noch um in Soli­da­ri­täts­fonds. (…) Bereits 2012 hat der damalige fran­zö­sische Prä­sident François Hol­lande einen Euro­zo­nen­haushalt vor­ge­schlagen. Merkel hat ihn bei einem Gipfel gefragt, wo das Geld dafür her­kommen solle. Hol­lande ant­wortete, sie solle das Ganze als Soli­da­ri­täts­fonds ansehen. Merkel fragte ihn darauf erneut: Und wo soll das Geld her­kommen? Damit hatte sich das Thema erledigt.“
    Stelter: Das ist genau meine Kritik an den fran­zö­si­schen Ideen gewesen, die in Deutschland von Medien und wohl­ge­sinnten Öko­nomen (ich sage nur: Fratz­scher) weit ver­breitet werden. Es sind Ideen, die den Euro nicht retten, Deutschland aber Mil­li­arden kosten, die vor dem Ende des Euro dann in die anderen Länder fließen.
  • „Ich habe drei Vor­schläge, die aus euro­päi­scher Sicht sehr radikal sind. Erstens: Schafft die Maas­tricht-Regeln ab! Sie sind ein völ­liges Desaster. Die Maas­tricht-Regeln sind poli­tisch zer­stö­re­risch, weil sie Spannung zwi­schen den Ländern her­stellen. Sie ergeben öko­no­misch Sicht keinen Sinn, weil sie die Dinge nur ver­schlechtern.“
    Stelter: Das geht aber nur, und dazu kommt er gleich, wenn es absolut keinen Bail-out gibt. Und zwar glaubhaft! Die Märkte haben ihn immer ange­nommen, siehe Griechenland.
  • „Ich komme zu meinem zweiten Vor­schlag: Es gibt keine andere Option als auto­ma­tische Umstruk­tu­rierung von Schulden. (…) Die Kri­tiker behaup­teten, dass die Ankün­digung einer Insol­venz­ordnung die Ren­diten von Staats­an­leihen in die Höhe habe schießen lassen. Das war eine völlig falsche Dar­stellung. Gläu­biger ver­stehen nämlich, dass Schuldner manchmal ihre Schulden nicht bedienen können. (…) Ich halte es für unab­dinglich, dass ein Schul­den­schnitt auto­ma­tisch ein­treten muss. Da darf kein Ent­schei­dungs­spielraum sein. Wenn der ESM darüber beschließt, dann wird das nicht funk­tio­nieren.“
    Stelter: Und deshalb wird er niemals kommen.
  • „Die EZB hat das Mandat, für Preis­sta­bi­lität zu sorgen. Statt nur auf die Inflation zu achten, sollte sie nach meiner Ein­schätzung genauso auf Arbeits­lo­sigkeit achten.“
    Stelter: und dann? Für Deutschland viel zu locker, für Italien zu straff? Das wissen wir aber schon heute. Und ich denke nicht, dass die EZB noch aggres­siver würde, als sie schon ist.
  • „Es gibt ein Sze­nario mit einer Wahr­schein­lichkeit von mehr als null Prozent, in dem Italien aus der Wäh­rungs­union her­aus­ge­drängt werden könnte. (Stelter: und je länger der Zeit­ho­rizont, desto größer die Wahr­schein­lichkeit) Wenn sich der Welt­handel ver­langsamt, dann steuert Italien auf eine Rezession zu. Wenn Italien tat­sächlich in eine Rezession tritt, dann könnten schlimme Dinge pas­sieren. Die Inves­toren würden ita­lie­nische Papier abstoßen, die Ren­diten würden steigen, die Rezession würde die Ren­diten noch weiter steigen lassen. Der Euro ist dann zu stark für Italien.“
    Stelter: Vor allem gibt es dann einen poli­ti­schen Sün­denbock, nämlich Deutschland.
  • Wenn Italien insolvent ist, werden auch Ita­liens Gläu­biger insolvent, weil das Land so groß ist. Ich nenne das Domino-Insol­venzen. Die am wenigsten schmerz­hafte Lösung wäre dann ein Euro-Aus­tritt Deutsch­lands.“
    Stelter: So ist es!
  • „Wenn Italien den Euro ver­lässt, dann würde das eine Krise aus­lösen von der Grö­ßen­ordnung des Bebens, das wir nach dem Lehman-Bankrott erlebt haben. Wenn Deutschland die Eurozone ver­lässt, dann wird das für Deutschland sehr schmerzvoll, aber das Land käme damit zurecht. Es wäre teuer, aber das Risiko einer welt­weiten Finanz­krise wäre deutlich geringer. Und die Deut­schen wären so oder so betroffen. Wenn Italien aus­tritt und es zu einer welt­weiten Finanz­krise kommt, würden sie es auch spüren.“
    Stelter: Dann platzt das Märchen vom reichen Land!
  • Der Euro ist ein Miss­erfolg, das steht völlig außer Frage! Wenn Deutschland dann den Euro nicht ver­lässt, wird es auf­ge­fordert, so enorme Ret­tungs­bei­träge bei­zu­steuern, dass die Bürger rebel­lieren werden.“
    Stelter: Das ist natürlich Quatsch. Die deut­schen Bürger werden niemals rebel­lieren. Man wird sie auch wei­terhin belügen können wie bisher (Grie­chen­land­rettung ein Gewinn, schwarze Null, reiches Land, …)

Und dann zum Thema Ein­sichts­wil­ligkeit der Eliten: „Mir sagen EU-Ent­scheider oft, dass Sie mit meiner Dia­gnose ein­ver­standen seien, aber die Schwach­punkte gerade repa­rierten. Und dass dies gelingen werde. Es gibt eine Tendenz zu glauben, dass der Euro künftige Krisen über­stehen wird, weil er bisher überlebt hat. Ich gehe aber davon aus, dass die nächste Krise kommen wird, wenn Wirt­schaft und Politik schlechter auf­ge­stellt sind als beim ver­gan­genen Mal.“
Stelter: Ich könnte mir denken, dass die Über­setzung hier nicht optimal ist. „Wenn“ ist komisch, besser, wenn die nächste Krise kommt, wird die Politik schlechter … Und so ist es heute bereits!
→ wiwo.de: „Der Euro ist fraglos ein Miss­erfolg“, 29. Juni 2018


Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com