Erdogan labert Mist! Auf dem Bild: Erdogan (Rechtefrei) und ein dampfender Misthaufen: By Superbass - Own work, CC BY-SA 3.0, Link

Erdogan: Der Sultan ist pleite – aber er will´s (noch) nicht sehen

„Haltet den Dieb! Eine inter­na­tionale Verschwörung!“
Der Mann hat jede Ori­en­tierung und Boden­haftung ver­loren – ein selbst­ge­wähltes Schicksal, das er mit vielen Dik­ta­toren der Gegenwart und Ver­gan­genheit teilt. Man hockt in Gold-Palästen und lebt auf zu großem Fuß, ihre Schulden wachsen in atem­be­rau­bender Geschwin­digkeit – wie auch ihr Größenwahn.
(Von Peter Helmes)
Der Sultan am Bos­porus träumt noch. Und reagiert wie eine belei­digte Diva, wenn er auf die vielen Pro­bleme seines Landes hin­ge­wiesen wird; z.B: Ärger mit Moskau und Washington sowie den Zerfall seiner Pappe-Währung Lira.
Großmaul Erdogan
Der tür­kische Prä­sident hält seine Lands­leute offen­sichtlich für so dumm, daß er ihnen – ein typi­sches Stil­mittel solcher Wahn­sin­nigen – seit Wochen ein­zu­hämmern ver­sucht, es gäbe eine „Inter­na­tionale Ver­schwörung“ gegen ihn und sein Land und wettert gegen einen „feigen Angriff“ von außen. Erdogan hält einen US-Pastor in der Türkei fest, weil dieser angeblich die Gülen-Bewegung stützt. Erdogan: Ein „heim­tü­cki­sches Kom­plott aus dem Ausland!“ Der Prä­sident weiter: „Ihr ver­sucht 81 Mil­lionen Türken für einen Pastor zu opfern, der Ver­bin­dungen zu Ter­ro­risten hat (…) Aber wir haben euren Plot durch­schaut und fordern euch heraus. Wir werden diesen Wirt­schafts­krieg gewinnen!“
Und seine Dummheit wird zur Lach­nummer, wenn er gleich­zeitig seine Bürger barsch auf­fordert, ihre Devisen usw. zu ver­kaufen und in Lira umzu­wechseln. Das bedeutete aber, Wert­hal­tiges gegen Wert­loses zu tau­schen – im Klartext: ein Vermögensvernichtungsprogramm.
Immer tiefer in die Krise
Wenn er sich da nicht mal täuscht! Denn er über­sieht, daß die Macht eines Poli­tikers sehr begrenzt ist, wenn´s ans Geld des Bürgers geht. Die tür­kische Wirt­schaft schliddert immer tiefer in die Krise. Es zeugt von der Bor­niertheit Erdogans, von einem „Wirt­schafts­krieg“ zu faseln, den er gewinnen werde. Hier spielt sich kein Krieg ab, sondern es handelt sich um eine klas­sische Wirt­schafts- und Währungskrise.
Vor den Pro­blemen der tür­ki­schen Wirt­schaft ver­schließt Erdogan seine Augen und spielt „blinde Kuh“. „Das ist keine Wirt­schaft, die bank­rottgeht, die untergeht oder die durch eine Krise geht“, posaunte er in einer Ansprache vor seinen Anhängern. Die Strafe folgt auf dem Fuße: Gerade mal einen Tag später stürzte die Lira weiter ab. Erstmals mußten mehr als sieben Lira für einen US-Dollar und mehr als acht Lira für einen Euro gezahlt werden.
Dar­unter leidet der „kleine Mann“ genauso wie die Unter­nehmen: Viele haben ihr Leben oder ihre Firma auf Pump finan­ziert, mit Kre­diten aus dem Ausland in Dollar oder Euro. Diese Kredite werden nun unbe­zahlbar teuer. Das Leis­tungs­bi­lanz­de­fizit – die Türkei impor­tiert mehr, als sie sich leisten kann – macht das Land angreifbar.
Schuld sind nach Erdogan nur „die anderen“: aus­län­dische Mächte – und natürlich der böse Trump. Neben dem US-Pastor Andrew Brunson, der in der Türkei wegen Ter­ror­vor­würfen im Gefängnis sitzt, sind noch 19 weitere US-Bürger in tür­ki­scher Haft. Im Streit um Brunson pokerte Erdogan hoch und ver­langte von den USA im Gegenzug die Aus­lie­ferung seines ver­haßten Rivalen, des Pre­digers Fet­hullah Gülen. Doch er ver­zockt sich. Trump reagiert, wie er so oft reagiert: mit Härte, mit Sanktionen.
Laut, aber ratlos
Zur Wahrheit gehört auch: Viele der der­zei­tigen tür­ki­schen Pro­bleme sind haus­ge­macht, was sich an einigen wenigen Bei­spielen ver­deut­lichen läßt:

  • Erdogan hat gerade in den Jahren des bil­ligen Geldes zu wenige (bis keine) struk­tu­rellen Reformen (vor allem im indus­tri­ellen Bereich) ver­sucht, und jetzt kehren aus­ge­rechnet die so wich­tigen Inves­toren ihm eiskalt den Rücken zu, wobei der Sultan oben­drein mit enorm stei­genden Zinsen regel­recht gewürgt wird.
  • Der Absturz der tür­ki­schen Währung macht zudem die Finanz­märkte nervös. Seit Jah­res­beginn hat die Lira fast 50 Prozent an Wert zu Euro und Co. ver­loren. US-Straf­zölle ver­schärfen die Lage.
  • Der weitere Absturz der Währung wird den Druck auf die Türkei – und damit auf Erdogan – erhöhen. Unsi­cherheit bei den Wirt­schafts­partnern macht sich breit: Wichtig für die Attrak­ti­vität der Türkei als Inves­ti­ti­ons­standort und Export­markt sind nämlich Rechts­si­cherheit, die Unab­hän­gigkeit der tür­ki­schen Zen­tralbank sowie eine stabile Zah­lungs­bilanz. Hinter allen drei Kri­terien setzen Inves­toren derzeit große Fra­ge­zeichen. (Mehr als 6.500 Unter­nehmen aus Deutschland sind in der Türkei ver­treten. Sie beschäf­tigen dort mehr 120.000 Menschen.)
  • Daß Erdogan hat sich von der EU und deren Regeln ent­fernt hat, macht die Inves­to­ren­suche zusätzlich schwierig. Und Erdogans offene Ein­fluss­nahme auf die Ent­schei­dungen der Zen­tralbank, die schwache Vor­stellung seines Schwie­ger­sohnes und Finanz­mi­nisters Albayrak und der Streit mit US-Prä­sident Donald Trump ver­schrecken die Anleger noch weiter.
  • Die Erfolge von einst, die ihm die Gefolg­schaft vieler Men­schen sicherten, geraten immer mehr in Ver­ges­senheit. Bei einer Inflation von gegen­wärtig 15 Prozent raten Finanz­ex­perten dazu, die Zinsen zu erhöhen. Erdogan lehnt dies bis heute ab, weil höhere Zinsen wohl das Wachstum drosseln würden. Im neuen Prä­si­di­al­system duldet er zudem keinen Wider­spruch, was Zweifel an der Unab­hän­gigkeit der tür­ki­schen Notenbank weckt.
  • Erdogans Macht­fülle werten aus­län­dische Inves­toren als einen Versuch des tür­ki­schen Prä­si­denten, sich in die Wirt­schaft des Landes stärker ein­zu­mi­schen. In der Folge kommt weniger Kapital ins Land. Ein Teu­fels­kreis beginnt sich zu drehen. Ergebnis: Nun sinkt das Pro-Kopf-Ein­kommen in der Türkei, und der Mann, der sich so gern als visio­närer Staa­ten­lenker insze­niert, wirkt zwar laut, aber ratlos.
  • Die Ernennung seines Schwie­ger­sohns Berat Albayrak zum neuen Finanz­mi­nister erweist sich zuse­hends als Flop, seine „Akti­ons­pläne“ gleichen eher Luft­nummern. Und auch die Maß­nahmen der Notenbank fruch­teten bislang nicht.
  • Er hält die Medien unter Kon­trolle, läßt Kri­tiker ein­sperren. So wird derzeit gegen 346 Inhaber von Twitter-Konten ermittelt: Erdogan nannte sie „Wirt­schafts­ter­ro­risten“. Sie hätten „Verrat“ begangen, indem sie durch Berichte oder Kom­mentare die Auf­wertung des Dollars gegenüber der Lira unter­stützt hätten. Absurd! Finanz­hilfen, etwa durch den Inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­fonds (IWF), lehnt Erdogan bislang ab.
  • Nach Berech­nungen der Bank für Inter­na­tio­nalen Zah­lungs­aus­gleich (BIZ) haben Banken weltweit rund 224 Mil­li­arden Dollar an Geschäfts­partner in der Türkei ver­liehen, umge­rechnet knapp 200 Mil­li­arden Euro. Die For­de­rungen von Banken in Deutschland gegenüber Geschäfts­partnern in der Türkei belaufen sich auf rund 21 Mil­li­arden Euro (Stand Juni 2018).
  • So wird die Kritik an Erdogans Politik immer lauter. Sollte sich die Lira nicht bald erholen und die Bevöl­kerung weiter unter den Sank­tionen leiden, wird die Krise zu Erdogans poli­ti­schem Über­le­bens­kampf. Der mächtige Prä­sident, der öffentlich so gern über Ver­schwö­rungen räso­niert, sieht zum ersten Mal in seiner poli­ti­schen Laufbahn hilflos aus. Im Moment scheint Erdogan nicht mal zu wissen, welchen Kurs er ein­schlagen soll.

Der „stolze Mann vom Bos­porus“ gerät zunehmend zur Kari­katur. Auf Hilfe kann er allen­falls hoffen, wenn er endlich nach markt­wirt­schaft­lichen Regeln spielt und sich Europa wieder öffnet. Eine dieser Regeln lautet: Der Sultan ist pleite. Das aber wird Erdogan niemals ein­ge­stehen. Und so stürzt das Land weiter ins Chaos – und der EU steht ein neuer Groß­brand ins Haus.


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