Hier im ehemals „good, old Germany“ weiß man wenig über den Fall und das zähe Ringen der etwa 60 Opfer um Gerechtigkeit. Daher in aller Kürze die Entstehungsgeschichte.
Der heute 81jährige US-amerikanische Entertainer galt als All-American-Vorzeige-Daddy und emanzipierter Ehemann. Doch schon 2005 zeigte ihn Andrea Constand wegen Vergewaltigung bei der Polizei an. Sie sei im Jahr 2004 von Bill Cosby unter Drogen gesetzt und im wehrlosen Zustand vergewaltigt worden. Eine Anklage wird abgewiesen wegen unglaubwürdiger und unzulässiger Beweise. Andrea Constand geht nun die Sache über ein Zivilverfahren an, dem sich mehrere Frauen anschließen und den Entertainer ganz ähnlicher Taten beschuldigen. Bill Cosby gibt daraufhin zu, er habe den Frauen das Betäubungsmittel „Quaaludes“ verabreicht, um mit ihnen Verkehr haben zu können. Dieser sei aber einvernehmlich gewesen. Es kommt zu einer vertraulichen Vereinbarung zwischen Bill Cosby und seinen Opfern. Er bezahlt insgesamt 3,4 Millionen Dollar an die Frauen.
Doch die Sache ist nicht ausgestanden. Der Comedian Hannibal Buress nennt bei einem Auftritt auf offener Bühne bereits im Jahr 2014 Bill Cosby einen Vergewaltiger.
https://www.youtube.com/watch?v=dzB8dTVALQI
Mitschrift: Thirteen? And it’s even worse because Bill Cosby has the fucking smuggest old black man public persona that I hate. Pull your pants up, black people. I was on TV in the ’80s: “I can talk down to you because I had a successful sitcom.” Yeah, but you raped women, Bill Cosby. So, brings you down a couple notches. “I don’t curse on stage!” Well, yeah, you’re a rapist, so, I’ll take you sayin’ lots of motherfuckers on Bill Cosby: Himself if you weren’t a rapist. … I want to just at least make it weird for you to watch Cosby Show reruns. … I’ve done this bit on stage, and people don’t believe. People think I’m making it up. … That shit is upsetting. If you didn’t know about it, trust me. You leave here and Google ‘Bill Cosby rape.’ It’s not funny. That shit has more results than Hannibal Buress.
Das Video verbreitete sich rasend schnell in den USA und immer mehr Frauen erklärten nun öffentlich, sie seien von Bill Cosby unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht worden. Manche schrieben sich diese Last in Zeitungen von der Seele. Etwa sechzig Frauen beschuldigen den bis dahin immer noch beliebten Entertainer der unterschiedlichsten, sexuellen Vergehen.
Bill Cosby hält still und hofft auf die bald einsetzende Verjährungsfrist, doch kurz vorher gelingt es Andrea Constand, mit ihrer Strafanzeige gegen Bill Cosby durchzukommen. Am 30 Dezember 2015 wird er verhaftet. Ein Prozess findet statt, der sich ewig hinzieht und im Sommer 2017 ergebnislos endet. Die Geschworenen konnten sich nicht auf ein Urteil einigen. Im Frühjahr 2018 begann ein zweiter Prozess. Viele seiner Opfer sagten als Zeugen aus. Diesmal endet der Prozess mit einer Verurteilung. Der Richter spricht von einem „sexuell gewalttätigen Raubtier“.
Staatsanwalt Kevin Steele sagte: „Über Jahrzehnte konnte der Angeklagte sein wahres Ich und seine wahren Verbrechen verbergen.“ Bill Cosby habe sich hinter der Show-Figur des gütigen, perfekten, weisen Vaters und liebevollen, Frauen achtenden Ehemannes und Arzt, Dr. Cliff Huxtable verborgen. Niemand hätte diesem wunderbaren „Vater der Nation“ diese Taten zugetraut.
Bereits am 26. April 2018 fällte der Richter einen Schuldspruch in allen drei Anklagepunkten. Es handelt sich zum Ersten um Geschlechtverkehr ohne Einwilligung, Zweitens das Ganze bei hilfloser Lage des Opfers und Drittens Verabreichung eines Betäubungsmittels zu diesem Zwecke. Bill Cosby muss mit einer Haftstrafe von zehn Jahren rechnen. Das ist schon ein Entgegenkommen, das möglich wurde dadurch, dass alle drei Anklagepunkte auf einen Zusammengelegt wurden. Ansonsten hätten ihm drei Verurteilungen á 10 Jahre gedroht.
Dennoch blieb es ungewiss, ob der alte Mann tatsächlich noch eine Haftstrafe antreten muss, da dies bei einem über Achtzigjährigen dann durchaus „lebenslänglich“ bedeutet. Er ist heute gebrechlich, fast blind und hilfsbedürftig – und eine Ikone des amerikanischen TV. Doch der Richter Steven O´Neill sieht keinen Grund, den alten Mann zu schonen. Er will den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen und bringt das in seinem Schuldspruch zum Ausdruck:
„Niemand steht über dem Gesetz. Und niemand wird wegen seines Wohnortes, wegen seiner Identität oder wegen seines Reichtums, seiner Berühmtheit oder seiner guten Taten anders behandelt werden. Je höher man steigt, umso tiefer fällt man.“
Es scheint, dass der berühmte Prominentenbonus nicht mehr zieht. Das musste auch Filmproduzent Harvey Weinstein vor nicht langer Zeit erfahren. Auch das Argument, die klagenden Frauen hätten doch genau gewusst, dass es in Hollywood üblich sei, sich eine Filmrolle zu „erschlafen“, zieht nicht mehr. Anders als noch vor 10 Jahren, unterstellt man nicht mehr unausgesprochen, dass „unbedeutende“ Frauen sich ja doch eigentlich an einen mächtigen, berühmten Mann „ranwanzen“ und wenn sie dann gegen Sex bekommen haben, was sie wollen, Geld, Ruhm, Vorteile, dann beschuldigen sie ihn nachher noch. Genau das wurde auch Andrea Constand unterstellt. Sie wurde im ersten Prozess auch „Goldgräberin“ (gold digger) genannt. Eine Zeugin, Janice Dickinson, sagte nach dem Prozess: „Die Vergewaltigung ist in meine Seele eingraviert.“
Das Gericht in Norristown, Pennsylvania, hat nun entschieden, dass Bill Cosby zwischen drei und zehn Jahren in Haft kommt. Er wird in Handschellen abgeführt. Obwohl eine Berufung gegen das Urteil eingelegt wird, scheiterte Bill Cosbys Anwalt Joseph Green dabei, seinen Mandanten gegen Kaution bis zum Berufungsverfahren auf freiem Fuß leben zu lassen. Das Berufungsverfahren findet dann im Superior Court in Harrisburg statt. Dieses Gericht muss dem Berufungsantrag staatgeben. Bill Cosby muss nicht nur die Gerichtskosten des Strafprozesses gegen ihn tragen, sondern auch eine Geldstrafe von 25.000 $ zahlen (etwa 21.000 €).
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