Noch fehlt ihnen der Mut: 55% der Deut­schen wollen aus­wandern aus dem Land, in dem “wir gut und gerne leben”

55 Prozent möchten das Land in dem „wir alle gerne leben“ ver­lassen. (1) Mit dieser Aus­rei­se­drohung können hiesige Leis­tungs­träger Berlin aber nicht beein­drucken, weil ihnen niemand glaubt. Der Deutsche Michel redet gerne und guckt lieber Goodbye Deutschland (Vox). Die Risi­ko­be­reit­schaft ist dem durch ständige Erfolgs­märchen ein­ge­lullten Michel fremd geworden. Da hilft auch der Rück­fahr­schein nicht – Rückkehr in den Schoss des Sozi­al­staats –, wenn es schief geht.

Seit Jahren ein kata­stro­phaler Migrationstrend

2016 wan­derten 281 Tausend Deutsche „netto“ aus bei einem posi­tiven Migra­ti­ons­saldo von 600 Tausend. (2) Egal, wie dezi­diert die Analyse sein mag (Wer hat welchen Migra­ti­ons­hin­ter­grund? Wie hoch ist die Zahl der Aus­siedler? Wie viele sind EU-Aus­länder, wie viele Flücht­linge? Wer zahlt Steuern, wer hat einen Job?), der untere Trend bleibt intakt und wird sich weiter fort­setzen: Das Loch in den Sozi­al­kassen ver­größert sich migra­ti­ons­be­dingt. Es ist vom deut­schen Staat wahl­weise durch Steuern, Neu­ver­schuldung oder Leis­tungs­kür­zungen zu stopfen, je nachdem welche Version („durch die Flücht­linge wurde einem Deut­schen noch nichts weg­ge­nommen“) sich gerade besser verkauft.

Aus­siedler und „heimlich aus­ge­wan­derte Rentner“ drücken die Abwan­de­rungs­zahlen nach unten

Wäre die Abwan­derung immer nach der aktu­ellen Methode gerechnet, fiele die Zahl doppelt so hoch aus. Durch den Abzug der Deutsch­stäm­migen aus der Ex-Sowjet­union wird sie “geschönt“. Die Rückkehr der Russland-Deut­schen dank Merkels Will­kom­mens­party, die gerade begonnen hatte, wird das ändern. (3) Aus­siedler aus Polen, vor allem Rentner, prak­ti­zieren bereits seit Jahr­zehnten eine „stille Aus­wan­derung“. Auch mit kleinen Renten wohnen sie aus­kömmlich und unge­stört hinter der Oder, bleiben aber pro forma oft bei ihren Kindern in Deutschland ange­meldet. Sicher ist sicher. Zwar stehen ihnen heute die kas­sen­ärzt­liche Ver­sorgung und die Ren­ten­über­weisung zu, wer weiß aber was pas­siert, wenn sich die soziale Lage ver­schärft und eine Neid­de­batte aus­bricht? Viele Orte in Ungarn (Plat­tensee) und in Bul­garien (Schwarz­meer­küste) sind ebenso zu Kleinoden für ärmere Renten geworden. Jeder Zwölfte lässt sich sein Geld ins Ausland über­weisen, wo er der Armut ent­kommen will. Tendenz steigend. (4)

Aus­wan­derung der Reichen: Früh­in­di­kator für einen bal­digen wirt­schaft­lichen Crash?

Auch die erste Ein­kommens- und Ver­mö­gensliga ver­lässt das Land. (5) Anders als früher, ist es nicht die übliche Ver­la­gerung des Wohn­sitzes in den warmen Süden – auch die Reichen sind auf der Flucht vor den Armen. Laut dem Glo­balen Ver­mö­gens­report ver­ließen 2016 schon 4000 Ein­kommens-Mil­lionäre das Mer­kelland, was einer Ver­zehn­fa­chung innerhalb weniger Jahre ent­spricht. Ein schwacher Trost, wenn die Flucht aus Frank­reich, Italien oder Grie­chenland noch stärker ist. Dank ihrer Finanzen, Aus­bildung und inter­na­tio­naler Kon­takte haben es die Reichen ein­facher aus­zu­wandern, zumal in Länder wie Kanada und Aus­tralien, wo Ver­mögen ein Auf­nah­me­kri­terium dar­stellt. Der Auszug der Mil­lionäre heißt nicht, dass sich die Ver­blie­benen wohl­fühlen. Auch die Mit­tel­schicht und so mancher kleine Mann möchten weg, sind aber in Sach­zwängen (Job, Familie, Heimat) gefangen, wie es im Report heißt.

Aus­rei­se­willige in der „Abhän­gig­keits­falle“ gefangen — nur eine Behauptung?

Diese Sach­zwänge sind nur ein Alibi. Aus­ge­bildete deutsche Fach­kräfte genießen weltweit guten Ruf und würden überall gebraucht. Auch die Argu­mente Patrio­tismus und Iden­ti­täts­verlust in der Fremde sind nur vor­ge­schoben. Der Autor hatte im para­gu­ay­ischem Chaco Men­no­niten-Kolonien getroffen, die mit fünf­zig­tausend Per­sonen seit Gene­ra­tionen sich zu „repro­du­zieren“ ver­stehen. Wäre das ein Warn­zeichen für Berlin, wenn eine Kohorte in der Größe einer Kreis­stadt sich auf den Weg nach Bra­silien machte, wo in den Städten wie Santa Catarina und Rio Grande do Sul die Deutsch­bra­si­lianer knapp 40 % der Bevöl­kerung stellen. Eher nicht, die sturen Mer­ke­lianer fahren besser den Karren an die Wand, als dass sie nach­geben. Auch bliebe eine solche Gefahr nur theo­re­tisch. Migration ist in Europa zwar seit den 1990er-Jahren kein Fremdwort mehr. Aber wohl nicht für Deutsche. Balten, Spanier und vor allem Polen haben es vor­ge­macht. Die letzten bil­deten mit 2,5 Mil­lionen in der Spitze 15% der arbeits­fä­higen Bevöl­kerung des Landes. Man stelle sich 5 Mil­lionen auf gepackten Koffern vor! Für Deutschland unvorstellbar!

Wo könnten Deutsche noch auswandern?

Theo­re­tisch ließe sich auch eine Mil­lio­nenzahl in der weiten Welt unter­bringen, denkt man nur an die alten, neuen klas­si­schen Ein­wan­de­rungs­länder wie USA, Kanada, Aus­tralien oder Süd­amerika. Süd­afrika und Namibia sind zwar aus­ge­fallen, hin­zu­ge­kommen ist aber das kapi­ta­lis­tische Ost­europa (Reak­ti­vierung Russ­lands!). Auch in meiner alten Heimat Ost­preußen ist noch Platz.