Im Zuge der aktuellen politischen Diskussionen um den UN-Migrationspakt sind die alten Bruchlinien zwischen den Weltanschauungen wieder deutlich hervorgetreten. Die einen sind hellauf begeistert von diesem Pakt und sehen am Horizont bereits jenes Gebilde herandräuen, das sich die sozialistische “Internationale” immer schon wünschte: Nämlich den angeblich so erstrebenswerten Weltstaat. Dieses ideologische Wunderland wird in Marxens Vision von ausnahmslos gleichberechtigten und gleichgestellten Bürgern bevölkert und es gibt im globalen Staat keine Kriege und keine Nöte mehr, denn die vielbeschworene “Soziale Gerechtigkeit” und die “Gleichheit” haben endgültig gesiegt. Die Menschen wandern frei durch die Welt und bleiben dort, wo es ihnen am besten gefällt.
Vernunft statt Sozialromantik
Die anderen (also jene, die den Pakt ablehnen) besitzen die sozialromantische Gabe des marxistischen und internationalistischen Denkens nicht. Sie sehen dafür all die Widersprüchlichkeiten und die Lügen, die in den weltstaatlichen Phantasien stecken und kommen zum einzig rational begründbaren Schluss, den die Pakt-Debatte zulässt: Die Ideen der freien Migration und des Weltstaates taugen höchstens für literarische Ergüsse und sie befeuern lediglich die naiven Vorstellungen der zahlreichen “Social Justice Warriors”. In der herben Wirklichkeit des Lebens aber besteht keinerlei Chance auf eine Realisierung dieser Vision. Und das ist auch gut so.
Ein Weltstaat samt freier Migration würde nämlich als Prämisse die völlige kulturelle, politische und letztlich auch biologische Gleichheit der Menschen erfordern und er würde daher über eine zentrale und omnipotente Ordnungsmacht verfügen müssen. Zudem müsste dieses Konstrukt eine weltweit einheitliche ökonomische Struktur bieten, die nur in Form einer Planwirtschaft existieren könnte. Und damit sollte es auch dem wackersten Kämpfer für die weltweite soziale Gerechtigkeit langsam dämmern: All diese Bestrebungen erlebten wir bis 1989 in einem gut 70 Jahre dauernden, bluttriefenden und am Ende krachend gescheiterten Feldversuch namens Ostblock. Und die Philosophie dahinter hieß schlicht und ergreifend Kommunismus.
Die Unverbesserlichen
Aber offenbar gibt es unverbesserliche Alt- und Neu-Linke, die den historischen Beweis des Scheiterns ihrer Ideologie chronisch negieren und über Umwege die Re-Installation des Kommunismus erreichen möchten. Ein Lehrstück dieser Unverbesserlichkeit ist am 10. November live zu beobachten: Einige hundert europäische Künstler und Aktivisten wollen im Rahmen des European Balcony Project von diversen Balkonen in ganz Europa die “Republik Europa” ausrufen. Was wie eine internationale Kunst-Performance wahrgenommen werden soll, ist im Kern ein zutiefst linksideologisches und de facto kommunistisches Projekt, das gegen die Nationen und gegen die aktuellen staatlichen Strukturen gerichtet ist.
Das problematische Manifest
Die Aktionisten werden ein Manifest verlesen, in dem sie die Nationalstaaten als gescheitert bezeichnen und die Gleichheit der Menschen jenseits von Nation und Herkunft fordern. An die Stelle der staatlichen Souveränität soll die Souveränität der Bürger treten (was immer diese sein soll — bisher gibt es aus völkerrechtlicher Sicht nur die nationale Souveränität). Die Aktion schlägt jedenfalls in dieselbe Kerbe wie der Migrationspakt, und es ist anzunehmen, dass sich reihenweise linke Politiker in die anti-nationale Performance einbringen und diese unterstützen werden. Vorschusslorbeeren für die Balkon-Ausrufer, zu denen so bekannte Leute wie der Schriftsteller Robert Menasse und die Politologin Ulrike Guerot gehören, sind natürlich von den üblichen Verdächtigen in der Medien-Szene schon jetzt reichlich verteilt worden.
Ist das überhaupt Kunst?
Für die Kunst an sich kann und soll man nach wie vor den berühmten Leitsatz der Wiener Sezession “Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit” gelten lassen — aber ist es wirklich Kunst, wenn eine linksideologisch agierende Lobby ein rein politisch orientiertes Projekt ins Leben ruft? Aus objektiver Sicht ist das Balkon-Projekt höchstens ein politischer Aktionismus, die künstlerische Seite daran ist beim besten Willen nicht zu erkennen. Eine breitere und kritische mediale sowie politische Auseinandersetzung mit den Inhalten des Manifests ist noch ausständig. Wir dürfen gespannt sein.
Dr. Marcus Franz — www.thedailyfranz.at