Glück­liches Deutschland? Oder ein­ge­bil­deter Reichtum?

Oswald Metzger nimmt mein Märchen vom reichen Land als Grundlage für eine Abrechnung mit eben dieser Illusion bei Tichy‘s Ein­blick. Lesern meines Buches und meiner Bei­träge bei Stelter und anderswo sind die Thesen bekannt. Dennoch tut eine Auf­fri­schung gut, vor allem, wenn sie von einem anderen Autor erfolgt, mit anderem Stil und etwas anderer Schwerpunktsetzung:
  • „Die Geschichte vom reichen Deutschland wird gern erzählt: von Poli­tikern, vielen Öko­nomen und den meisten Medien, aber auch von unseren Partnern in der EU. Schaut man sich das Brut­to­in­lands­produkt (BIP) pro Kopf im Welt­ver­gleich an, dann zeigen Schätz­daten des Inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­fonds (IWF) vom April dieses Jahres, dass Deutschland 2018 mit einem Pro-Kopf-BIP von 44 550 US-Dollar auf Platz 19 von 192 gelis­teten Ländern liegt. (…) Aus­sa­ge­kräf­tiger als die reine Pro-Kopf-Umrechnung der volks­wirt­schaft­lichen Leistung eines Landes ist die ver­glei­chende Betrachtung des (…) Medi­an­ein­kommens. (…) (Hier) kommt es als Folge der hohen deut­schen Abga­benlast im Euro­zonen-Ver­gleich zu deut­lichen Ver­schie­bungen. Besonders auf­fällig ist ein direkter Ver­gleich mit Frank­reich. Unsere west­lichen Nachbarn liegen im BIP pro Kopf rund zwölf Prozent hinter uns, über­holen uns aber beim Medi­an­ein­kommen.
    Stelter: Wobei es bei den Ein­kommen bekanntlich nicht so schlecht aus­sieht, nur halt nicht so gut, wie gerne behauptet.
  • Erschre­ckend ist „ (…) die deutlich unter­durch­schnitt­liche Ver­mö­genslage deut­scher Haus­halte im Ver­gleich zu einer Reihe anderer west­eu­ro­päi­scher EU-Staaten (…): In Italien, Spanien und Frank­reich ver­fügen die Bürger über deutlich höhere durch­schnitt­liche Net­to­ver­mögen als im ver­meintlich reichen Deutschland. Der Grund liegt im deutlich unter­durch­schnitt­lichen Immo­bi­li­en­besitz, aber auch in der kon­ser­va­tiven Geld­an­la­ge­stra­tegie der deut­schen Sparer“.
  • „Als dieser nie­der­schmet­ternde Ver­mö­gens­befund vor fünf Jahren erstmals publik wurde, beeilte sich die Bun­des­kanz­lerin, die Zahlen mit dem Hinweis zu rela­ti­vieren, dass die Ren­ten­an­sprüche der Deut­schen über­haupt nicht als Ver­mö­gens­po­sition ein­be­zogen worden seien. Dieses scheinbare Ent­las­tungs­ar­gument implo­diert aber, wenn man sich die Fakten anschaut. (…) die Ren­ten­an­sprüche (bestehen) nicht aus einem ange­sparten Kapi­tal­stock, sondern müssen von künf­tigen Bei­trags- und Steu­er­zahlern erst einmal erwirt­schaftet werden. Von ‘Bestands­ver­mögen’ können bei den Ren­ten­an­sprüchen also nur Poli­tiker fabulieren.“
    Stelter: Ich spreche immer vom nicht vor­han­denen Enten­hau­sener Geldspeicher.
  • „Anhand dreier The­men­kom­plexe sollen nun rele­vante Risi­ko­be­funde für die deutsche Volks­wirt­schaft auf­ge­listet werden. Diese sind kei­neswegs abschließend, ver­an­schau­lichen aber, wie fragil der Wohl­fahrts­staat Deutschland in Wirk­lichkeit ist.“
    Stelter: Wobei er nur drei nimmt, die Liste ist viel länger.
  • „Der Export­anteil der deut­schen Wirt­schaft liegt bei rund 46 Prozent am Brut­to­in­lands­produkt, weit vor Ländern wie Frank­reich und Italien mit jeweils rund 30 Prozent. Immer stärker nimmt der inter­na­tionale Druck zu, dass Deutschland seine enormen Über­schüsse reduziert.“
    Stelter: Und der Druck wird zunehmen, spä­testens in der nächsten Rezession!
  • „Während im poli­ti­schen Nar­rativ der Euro für Deutschland ein Segen gewesen sein soll, hat er sich tat­sächlich längst zu einer struk­tu­rellen Belastung der deut­schen Volks­wirt­schaft ent­wi­ckelt. Denn der schwache Euro und die EZB-Ret­tungs­po­litik mit ihrem his­to­ri­schen Zinstief haben den Wett­be­werbs­druck für die deutsche Volks­wirt­schaft massiv gesenkt.“
    Stelter: Was sich rächen wird, kommt es zur unwei­ger­lichen Anpassung.
  • „Eine weitere Kehr­seite des Export­booms, der zu rund 60 Prozent in den Euro­ländern gene­riert wird, sind die bekannten hohen Target-2-For­de­rungen, die in der Bilanz der Bun­desbank stehen. (…) Allein Italien steht mit rund 400 Mil­li­arden Euro zu Buche. Sollte der Euro scheitern oder Italien aus der Wäh­rungs­union aus­scheiden, dann kann Deutschland diese Art von Export­för­derung als Total­verlust abschreiben.“
    Stelter: Und der weitere Schaden wäre auch enorm.
  • „Hohe Außen­han­dels­über­schüsse bedeuten immer auch Kapi­tal­export. (…) Dass Han­dels­über­schüsse aber nicht gleich­be­deutend sind mit einer Mehrung des Aus­lands­ver­mögens Deutsch­lands, belegen die nackten Zahlen. (…) Allein in der Finanz­krise, so eine Schätzung des Deut­schen Instituts für Wirt­schafts­for­schung (DIW), hat Deutschland zwi­schen 400 Mil­li­arden und 600 Mil­li­arden Euro ver­loren – also fast den Über­schuss zweier Jahre.“
  • „‘Eine Wie­der­holung der Gast­ar­bei­ter­ein­wan­derung ist weder hin­sichtlich der erwähnten Trag­fä­hig­keits­lücke noch mit Blick auf den Arbeits­markt im 21. Jahr­hundert öko­no­misch sinnvoll. Wissend um die schon erwähnten demo­gra­fi­schen Ent­wick­lungen, ist es mit Blick auf die Wohl­stands­si­cherung in Deutschland hin­gegen sinnvoll, ja geradezu geboten, qua­li­fi­zierte Ein­wan­derer ins Land zu holen.’ Doch genau diesen kapi­talen Fehler hat die deutsche Politik im Zuge der soge­nannten ‘Flücht­lings­krise’ erneut begangen.“
    Stelter: Meine ent­spre­chende Kritik ist bekannt.
  • „Was Deutschland dringend braucht, ist qua­li­fi­zierte Zuwan­derung. Wir müssen uns die Neu­bürger aus­suchen (können), die mit ihrer Ein­satz­be­reit­schaft, Leis­tungs­fä­higkeit und Inno­va­ti­ons­freude dafür sorgen, dass sich die Pro­duk­ti­vität auch in der digi­talen Welt steigert. Denn ohne deut­lichen Pro­duk­ti­vi­täts­zu­wachs werden unsere Renten und Pen­sionen lang­fristig nicht bezahlt werden können. Mit der mas­sen­haften Ein­wan­derung in die Sozi­al­systeme über­fordern wir unseren Staat, sorgen künftig für brutale Ver­tei­lungs­kämpfe und desta­bi­li­sieren unsere demo­kra­tische Ordnung.“
    Stelter: Das unter­streicht, was für ein Wahnsinn es ist!
  • „Union und Sozi­al­de­mo­kraten – aber auch die FDP während der schwarz-gelben Koalition von 2009 bis 2013 – (haben) sys­te­ma­tisch die ‘implizite Ver­schuldung’ des Staates wieder erhöht. (…) keine wir­kungs­gleiche Über­tragung der Ren­ten­re­formen auf die Beam­ten­ver­sorgung; Rente mit 63; Müt­ter­rente I und II; Fest­schreibung des Net­to­ren­ten­ni­veaus bis 2025, wenn nicht gar bis 2040; Ein­führung der Pfle­ge­grade, statt der bis­he­rigen Pfle­ge­stufen, die eine gewaltige Aus­ga­ben­stei­gerung bewirkt; Abschaffung der Pra­xis­gebühr. Die Liste der Ver­stöße gegen eine solide lang­fristige Finan­zierung unseres Sozi­al­staats wird immer länger.“
    Stelter: So wird das Land abgewirtschaftet.
  • „Wenn Politik, Medien, aber auch die Bürger sich endlich bewusst machten, dass unser ‘reiches’ Land seit meh­reren Jahr­zehnten von der Sub­stanz lebt, dann könnten wir die Zeit noch nutzen, um umzu­steuern. Eine ‘Agenda 2030’ gehört auf die Tages­ordnung, ehe es zu spät ist.“
    Stelter: Anre­gungen gebe ich im Kapitel: „So sanieren wir Deutschland“.

Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com
→ tichyseinblick.de: „Glück­liches Deutschland? Oder ein­ge­bil­deter Reichtum?“, 11.November 2018