Man schreibt mir:
„Lieber Daniel,
den Artikel zu Bains Studie über Automatisierung und Demographie fand ich sehr interessant (um so seltsamer, dass sie inzwischen auf deiner Seite nur noch schwer zu finden ist).“
Stelter: “Das liegt daran, dass ich wohl zu viel publiziere. Wir haben hier neun Beiträge pro Woche und mit jedem neuen Beitrag verschieben sich alle anderen nach hinten. In Summe finden sich auf Stelters Blog bto nach nunmehr 5 Jahren Existenz – ja, im Oktober 2013 ging es los! – mehr als 2.500 Beiträge. Da ich einige wiederholt habe, schätze ich, dass es rund 2.000 verschiedene sind. Finden kann man diese über die Suchfunktion mit Stichworten oder wenn es nur ein paar Tage zurückliegt, über die Rubrik „Alle Beiträge“. Oder man emailt mir eben.”
Konkret bezieht sich die Zuschrift auf diesen Beitrag:→ BAIN: Fakten zu Folgen der Automatisierung
Nun zu den Überlegungen des Lesers, die ich zu gut fand, um sie nicht der breiteren bto-Öffentlichkeit zu öffnen:
„Der Artikel hat mich zu den folgenden Überlegungen veranlasst (die sich teilweise auch schon in deinem Blog wiederfinden). Automatisierung und demographische Krise sind zwei sich scheinbar ergänzende Trends:
1. Die negative Demographie führt zu einer Reduzierung des Arbeitskräfteangebots.
2. Automatisierung führt zu starker Reduzierung der Arbeitskräftenachfrage.
D.h. die Lösung des demographischen Problems scheint dank der Automatisierung auch ohne Einwanderung lösbar. Japan geht genau in diese Richtung (keine Einwanderung, stattdessen Förderung der Automatisierung auf allen Gebieten).“ – bto: “Das sehe ich ganz genauso, weshalb ich in mehreren Beiträgen und in meinem neuen Buch genau diese Forderung aufstelle. Nach dem Motto, lasst uns von Japan lernen. Automatisierung statt Zuwanderung.”
„Allerdings muss man auch die Qualität der bereitgestellten bzw. nachgefragten Arbeit betrachten. Dann zeigt sich folgendes:
1. Die Demographie sorgt v.a. zum Abschmelzen der Zahl qualifizierter Arbeitskräfte, während die Zahl der Unqualifizierten (in den entwickelten Märkten relativ, weltweit gesehen sogar absolut) steigt:
a. In den entwickelten Märkten sinkt die Zahl an qualifizierten Arbeitskräften, die der schlecht qualifizierten steigt hingegen relativ:
i. Allgemeine negative demographische Dynamik.
ii. Demographische Dynamik unter Gebildeten nochmals wesentlich schlechter (ca. 40% aller Akademikerinnen bleiben kinderlos).
iii. Demographische Dynamik der Geringqualifizierten besser durch:
1. Sozialstaatsmaßnahmen, die eine größere Wirkung am unteren Ende der Einkommensskala entfalten.
2. Großer Anteil an kinderreichen Einwanderern in diesem Segment.
3. Oftmals ein geringes ausgeprägtes Verantwortungsgefühl in diesem Segment (d.h. in seine Kinder, Zeit und Geld) „investieren“ zu müssen und daher Bereitschaft, trotz schlechterer Voraussetzungen, Kinder zu bekommen.
iv. Einwanderung zumindest in Deutschland geprägt von schlecht ausgebildeten Zuwanderern.
b. Weltweit wächst die Bevölkerung auch aufgrund der hohen Geburtenraten. Allerdings findet dieses Wachstum in den Entwicklungs- und Schwellenländern und dort hauptsächlich unter Geringqualifizierten statt. Diese konkurrieren mit den Geringqualifizierten der Industrieländer entweder direkt durch Einwanderung oder indirekt als billige Arbeitskräfte in einem globalisierten Markt.
2. Automatisierung reduziert hauptsächlich die Nachfrage nach geringqualifizierter Arbeit. Das ist aber genau das Segment des Arbeitsmarktes, das noch wächst (relativ gesehen in den Industrieländern, absolut gesehen in den Entwicklungsländern).“
bto: Das kann ich alles so unterschreiben. Auch wenn man es offiziell nicht sagen darf, weil man dann gleich in einer Ecke landet…
„Folgende Schlussfolgerungen:
1. Einerseits ist die Automatisierung absolut notwendig, um die demographische Krise der Industrieländer zu meistern.
2. Die Automatisierung wird aber Geringqualifizierte vor erhebliche Probleme stellen. Diese Probleme müssen in den Industrieländern wie folgt überwunden werden:
a. Bildungsoffensive: Kinder, deren Eltern zu den Geringqualifizierten gehören, müssen intensiv und vor allem praktisch mit arbeitsrelevantem Wissen gefördert werden. Ziel ist, diese Menschen zu Handwerkern, Facharbeitern, Ingenieuren, etc. zu machen. Allerdings wird dies nur bei einem Teil der Zielgruppe gelingen, nämlich dort, wo ausreichend Intelligenz sowie innere Bereitschaft vorhanden ist.
b. Für den Rest dieser Zielgruppe muss es einen „einfachen“ Arbeitsmarkt geben, wo simple Tätigkeiten, v.a. Dienstleistungen im zwischenmenschlichen Bereich erbracht werden können, die wenig bis gar nicht der Automatisierung unterliegen. Gerade eine alternde Bevölkerung bietet hier viele Möglichkeiten, praktische Hilfe mit menschlicher Zuwendung zu kombinieren (bspw. Hilfe beim Getränkekistenschleppen, Gartenarbeit oder Putzen für Senioren, danach noch ein Schwätzchen halten).
c. Der „einfache“ Arbeitsmarkt wird nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit haben. Daher muss die Zahl der Adressaten so gering wie möglich gehalten werden. Neben der o.g. Bildungsoffensive braucht es hier vor allem:
i. Stopp der Zuwanderung Niedrigqualifizierter auf allen Kanälen (Asyl, UN-Abmachungen, Familienzuführung, innereuropäische Armutszuwanderung).
ii. Bevorzugte Kinder-/Familienförderung für Menschen mit eigenem Einkommen. Vorbild muss hier das unter Bill Clinton eingeführte Modell sein, das das Geschäftsmodell “Alleinstehende Mutter/Welfare Queen” abschaffte.
3. Vor einer besonderen Herausforderung werden die Entwicklungsländer stehen. Der langsame, aber stetige Aufstieg durch Exporterfolge mithilfe billiger Arbeit und dann stetige Qualitätserhöhung sowohl der Produkte als auch der Arbeitskräftequalifikation – exemplarisch vorgeführt durch die fernöstlichen Nationen wie Korea, Taiwan und China – wird im Zeitalter der Automatisierung nicht mehr funktionieren, da die erste Stufe wegfällt. Diese Länder werden relativ schnell auf Bildung setzen müssen, zunächst wohl durch Cluster mit spezifischen Kompetenzen, die sich nach und nach ausdehnen werden. Das indische Bangalore ist hier ein gutes Beispiel.
Dennoch wird das nicht reichen, um die jetzige junge Generation in den Entwicklungsländern aufzufangen. Der Migrationsdruck sowie die Gefahr politischer Unruhen werden in den nächsten 20 Jahren weiterhin hoch bleiben.“
bto: Da kann man nur sagen: Gut zusammengefasst. Genauso ist es. Vor allem mag man noch ergänzen, halten wir uns aus den demografisch explodierenden Regionen fern. Der einzige Hebel, den wir haben, ist, das dortige Bevölkerungswachstum zu bremsen durch Bindung von Hilfe an eine Geburtenbeschränkung. Ansonsten müssen wir die Grenzen schliessen und zugleich auch auf Automatisierung im Militär setzen. Roboter zur Grenzsicherung und Kriegsführung.
Das ist alles schwer bis gar nicht mit unseren humanitären Grundsätzen vereinbar, was es so schwer macht. Doch wenn wir nicht jetzt die Gefahren für unsere freiheitliche, offene und humanitäre Gesellschaft eintreten, in dem wir eben aufhören, an der falschen Stelle tolerant zu sein, werden wir sie in ein paar Jahrzehnten nicht mehr haben. Gewonnen wird damit nichts.
Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com