Die AfD soll vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Auf das ganze Vorspiel in Chemnitz will ich heute mal nicht eingehen. Dr. Merkel hat das Kriegsbeil ausgegraben, das ist nun mal so. Ein Vorschlag, wie man mit dem Angriff umgeht.
(Von Wolfgang Prabel)
Jeder Feindkontakt birgt logisch Risiken und Chancen. Für beide Seiten natürlich. Es kommt darauf an, wer die Risiken besser managt und die Chancen besser nutzt.
Prinzipiell ist der Verfassungsschutz eine bürokratische Institution, die nicht einheitlich agiert. Sie ist in 16 Landesbehörden und das Bundesamt zersplittert. Zudem gibt es neben dem Krieg gegen die freiheitliche AfD noch weitere Tummelfelder, zum Beispiel den Kampf gegen den Rechtsextremismus, den Links- und den Ausländerextremismus. Außerdem soll noch ein Auge auf die Wirtschaftsspionage fallen. Der Ruf des Verfassungsschutzes ist angekratzt. Der Breitscheidplatz war kein vergoldetes Ruhmesblatt in der Behördengeschichte.
Die AfD agiert genauso wenig einheitlich. Unterschiedliche Konzepte werden insbesondere im Umgang mit den Medien verfolgt. Zwischen ängstlichem Appeasement und der offenen Kampfansage gibt es in den 16 Landesverbänden und dem Bundesverband ein breites Kontinuum.
Daraus ergibt sich logisch, dass der Krieg in zahlreiche lokale Einzelgefechte mit unterschiedlichen Risiken und Chancen zerfällt. Dem Verfassungsschutz sind die Hände stärker gebunden, als der AfD. Denn er bewegt sich in umfangreicheren Regelwerken.
Eine Grundweisheit ist es, die Maßnahmen des Verfassungsschutzes in der Propaganda zu überzeichnen und eigenen Aktivitäten eine Aura des legitimen Widerstands und des Heldentums zu verleihen. Man kann sich da in die „Marxistischen Blätter“ der siebziger und achtziger Jahre vertiefen, um zu studieren, wie das zum Beispiel beim Kampf gegen die Berufsverbote propagiert und organisiert wurde. Es waren Experten des Ministeriums für Staatssicherheit und keine Dilettanten, die da Konzepte entwickelt und umgesetzt haben. Der Erfolg ließ sich messen: 1990 war der Widerstand gegen die Beschäftigung von Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst zusammengebrochen. Pünktlich zur Wiedervereinigung.
Es lohnt sich also vom bösen Feind zu lernen. Eine Aura des Helden- und Märtyrertums lässt sich leicht herzaubern. Man setzt den Feind ins Unrecht, indem man Vorsichtsmaßnahmen öffentlichkeitswirksam selbst dort vorsieht, wo sie völlig übertrieben sind. Man propagiert beispielsweise, dass man keine Kreditkarte mehr hat, dass man kein Navi und kein Autoradio benutzt, damit der Feind nicht orten kann, wo man ist und wo man war. Dass man Fahrkarten nicht an die Zielorte ordert, sondern zwei Stationen dahinter, um bei Fahrkartenkontrollen nicht aufzufliegen. Konspirative Treffen werden im In- und Ausland angesetzt, unabhängig davon, ob sie wirklich stattfinden. Einfach nur, um die Dienste zu beschäftigen und zu verladen. Man grüßt in eMails und Wahlkampfpamphleten immer den Verfassungsschutz, auch wenn der wegen Überlastung oder Desinteresse nicht mitliest. Alles natürlich so, dass Dritte es mitbekommen, insbesondere die Bürger und Wähler.
Heldensagen von geschmuggelten Wurfzetteln, von kurzfristig verlegten Meetings, von Scharmützeln mit eisenstangenschwingenden Merkelgetreuen. Märchen von Verfolgungsjagden, bei denen der glücklos operierende Gegner abgeschüttelt wurde. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt, es kommt aber darauf an, dass es Erfolgsgeschichten sind. Und alles wird deshalb geglaubt, weil ja der kleine David gegen den übermächtigen und hochgerüsteten Goliath angetreten ist.
Es gibt natürlich viele ernste Aspekte, mit denen man lernen muss umzugehen. Die Dienste werden V‑Leute einschleusen, die Zersetzungsmaßnahmen organisieren. Das erfolgt auf zwei Ebenen. Die Einen machen einfach Ärger und versuchen mit schlechter Stimmung Versammlungen zu sprengen. Es sind ausgesuchte Charismatiker mit einer psychologischen Ausbildung. Nach ein oder zwei Auftritten wechseln sie den Ort. An ihrem professionellen Agieren kann man sie erkennen. Hier ist es erforderlich, wie in jeder realen Schlacht, die eingetrübte Stimmung aufzufangen und die überzeugende Gegenposition einzunehmen, den Mut unverzüglich wieder aufzurichten.
Die Anderen sind oft unauffällig und schreiben lieber Berichte. Man erkennt sie lediglich daran, dass sie sich oft für sehr persönliche Sachen interessieren. Es ist der Typ Anetta, der sich ins Vertrauen schleicht. Mit etwas Gefühl für persönliche Distanz ist man ein schlechtes Angriffsziel. Man sollte auch nicht über andere Mitglieder ratschen. Denn die Dienste interessieren sich am Meisten für Persönliches, um Schwachmatiker zu lokalisieren. Schweigen ist oft Gold.
Das hört sich alles nach Lehrbuch an. Tatsächlich waren die 80er-Jahre in Dunkeldeutschland eine gute Universität. Der Autor hat schillernde Personen wie die Rechtsanwälte Wolfgang Schnur und Gregor Gysi oder den Wandlochbohrer Ibrahim Böhme noch persönlich gekannt. Mit ein paar Freunden – dem Ersten Geschäftsführer der SDP, Jochen Vogel, dem Diakon Olbricht und Dr. Hartmut Krebs – ist es ihm gelungen im Januar 1990 in der Gegend von Weimar einen Generalstreik auszulösen. Ein Meisterstück war das alleine auf Grund der Konspiration. Es waren nur vier Leute eingeweiht. Am Dienstag nach dem Streik gaben die verunsicherten Ostberliner den Plan auf, die Stasi in „Amt für Nationale Sicherheit“ umzubenennen und weiter zu betreiben. Es hätte ja passieren können, dass nach diesem Beispiel der ganze Süden rebelliert hätte.
Abstruse Situationen waren zu meistern. Im Citroen des Rechtsanwalts Schnur saß ich bei einer gefakten Verfolgungsjagd durch halb Ostberlin, wobei drei Vopo-Wartburgs das Auto von Schnur verloren. Einfach um die Legende zu bilden, dass der Stasimann Schnur von der Vopo verfolgt würde. Die Lehre: Wenn etwas nach Fake riecht, dann ist es auch Fake. Im Krieg muss man situativ denken. Als ich in das Auto von Schnur geschubbt wurde, dachte ich: Stasi oder ZDF. Als ich ausstieg wusste ich: Stasi.
Frau Dr. Merkel pokert mit keinem besseren Blatt, als es Honecker 1989 auf der Hand hatte. Mit der Wahl in Amerika und den Schwierigkeiten des Franzosenpräsidenten Macron sind ihr die Asse abhanden gekommen. Trotzdem will sie es noch einmal wissen und setzt den Verfassungsschutz in Marsch.
Viele Abenteuer werden zu bestehen sein, Siege und Niederlagen wird es geben, aber es sind Erlebnisse, die man nie vergisst. Und auf die man stolz sein wird. Die viele von uns zum siegreichen Soldaten im Kampf um die Freiheit machen werden.
Dieser Beitrag von Wolfgang Prabel erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.prabelsblog.de