Angie! Verlass uns nicht!

Peter Alt­maier ist nicht so jugend­schön wie Par­zival, aber so treu. Und er steht fest zur Kanz­lerin. Gleich­zeitig hat er aber auch das Ohr am Volke, und das, so Alt­maier, ist gemeinsam mit ihm in Liebe zu Angela Merkel vereint:
Es herrscht eine andere Stimmung als zum Ende der Amtszeit von Helmut Kohl. Heute wollen die Men­schen, dass Angela Merkel wei­ter­macht, bei Kohl sehnten sie einen Wechsel herbei.“ 
Wer hat es nicht ergriffen mit­erlebt? Die Szenen aus dem bren­nenden Paris, sie sind ein müder Abklatsch gegen die spon­tanen, gigan­ti­schen Demons­tra­tionen in allen Städten, besonders in den alten „Neuen Bun­des­ländern“. Berlin: Kein Durch­kommen, die Straßen voll soweit das Auge reicht. Ein Meer roter Herzchen-Luft­ballons, Schilder über Schilder „Angie! Verlass uns nicht!“ Chemnitz: Gestandene Männer brechen schluchzend auf dem Asphalt zusammen, Men­schen klammern sich ver­zweifelt anein­ander: „Mutti! Bitte! Geh nicht!“
Herr Alt­maier stützt sich dabei auf aktuelle Umfragen. Die dazu ver­linkte Umfrage stammt von Insa, einem Institut, das immer recht günstige Zahlen für die Kanz­lerin ermittelt…  im Ver­gleich zu anderen Mei­nungs­in­siti­tuten. Nun denn, wieviel Prozent der Bun­des­bürger wollen denn die all­seits inniglich geliebte Bun­des­kanz­lerin so unbe­dingt weiterbehalten?
Vier­tausend Per­sonen wurden gefragt. Ob es am Rande der „Angie! Verlass uns nicht!“-Massendemos war, ist nicht bekannt. Die Frage, die zu beant­worten war, hieß:
Soll Merkel Anfang nächsten Jahres ihr Amt als Regie­rungs­chefin an den dann neu gewählten CDU-Vor­sit­zenden übergeben?“
62,2 Prozent der Befragten ant­wor­teten der Umfrage zufolge mit „Ja“.
37,8 Prozent mit „Nein“.
Da kratzt der Bürger sein rat­loses Haupt. Moment. Nochmal lesen.
Ja, doch, wirklich: 62,2 Prozent, also nicht ganz zwei Drittel, sind dafür, dass die geliebte Bun­des­kanz­lerin gleich Anfang 2019 ihr Amt dem neuen CDU-Vor­sit­zenden übergibt. Das nenn‘ ich mal eine satte Mehrheit. Soviel „Ja“-Stimmen hat die CDU seit Jahr­zehnten nicht gesehen.
Das ist nicht nur ein ein­deu­tiges Votum, dass Frau Bun­des­kanz­lerin Dr. Angela Merkel NICHT bis zur nächsten Wahl die Sache durch­zieht. Nein, 62 Prozent sind dafür, dass sie so schnell wie möglich die Platte putzt.
Und außerdem: Wo sind denn die Ent­hal­tungen oder Unent­schieden-Stimmen? Es ist wenig glaub­würdig, dass es die nicht gegeben hat. Keine einzige? Man merkt die Absicht und ist ver­stimmt. Wahr­scheinlich wurden diese Stimmen noch dem „Nein-Lager“ zuge­schlagen, damit es für die Kanz­lerin nicht ganz so ver­heerend aussieht.
Dabei wollte fast die Hälfte der Deut­schen schon vor einem Jahr, dass Frau Dr. Merkel zurück­tritt.
Wie kommt dann Herr Alt­maier auf die abwegige Idee, die Men­schen wollten die Bun­des­kanz­lerin unbe­dingt behalten? Mög­li­cher­weise ein letzter, ver­zwei­felter Versuch? Viel­leicht ahnt er, dass seine allzu enge Beziehung zu der Dame seines Herzens keine Emp­fehlung zur wei­teren Ver­wendung im poli­ti­schen Berlin ist. Man fürchtet dort viel­leicht, dass alles, was Herr Alt­maier so erfährt, mög­li­cher­weise fünf Minuten später auch Frau Dr. Merkel weiß und ent­spre­chend handelt. Viel­leicht aber auch nicht, denn vor­sichts­halber betonte Herr Alt­maier schon, dass er jeder Herrin dienen werde.