Zufall – Wie ein schwä­bi­scher Phar­ma­kologe dazu kam, indi­schen Weih­rauch zu erforschen

Weih­rauch war für den Phar­ma­ko­logen H.T.P. Ammon lange Zeit nur eins: Der Stoff, der bei Got­tes­diensten in der katho­li­schen Kirche ver­räu­chert wurde. Heute ist der eme­ri­tierte Pro­fessor aus Tübingen von der medi­zi­ni­schen Wirk­samkeit des Oli­ba­num­harzes über­zeugt. Wenn er ein Stück Bos­wellia-Harz in der Hand hält, erfreut er sich an seinem Duft – und ist stolz, dass es ihm und seinen Kol­legen gelungen ist, die Wirk­samkeit eines Jahr­tau­sende alten Arz­nei­mittels wis­sen­schaftlich zu belegen. Es war ein Zufall, der dazu führte, dass ein ver­ges­senes Heil­mittel mit modernen wis­sen­schaft­lichen Methoden unter­sucht wurde.
1986 reiste Prof. Ammon nach Indien, um die ayur­ve­dische Medizin zu erfor­schen. In Kashmir drückte ihm ein indi­scher Kollege ein Fläschchen mit einem weißen Pulver in die Hand. Voller Begeis­terung erzählte Dr. Singh, „Salai guggal“ sei ein tra­di­tio­nelles ayur­ve­di­sches Heil­mittel, das zur Behandlung von rheu­ma­ti­schen Erkran­kungen ver­wendet werde. Und zeigte dem deut­schen Kol­legen die Ergeb­nisse eines phar­ma­ko­lo­gi­schen Ver­suches: Der Trocken-Extrakt hatte im Tier­versuch eine expe­ri­mentell erzeugte Ent­zündung ver­hindert. Dr. Singhs Ver­mutung: Die soge­nannten Bos­wel­lia­säuren des Weih­rauchs könnten an der ent­zün­dungs­hem­menden Wirkung beteiligt sein. Er bat Ammon, das Pulver in Deutschland und die Wirkung des ayur­ve­di­schen Medi­ka­ments zu erfor­schen. Ammon wollte nicht unhöflich sein. Er nahm das Fläschchen mit und stellte es in einen Schrank.

Quelle: http://www.boswellia.org/blog/wie-der-weihrauch-wieder-nach-europa-kam/
Ent­zün­dungs­hemmung durch Weihrauch 
Zwei Jahre später: Ein neuer wis­sen­schaft­licher Mit­ar­beiter kommt an das Phar­ma­zeu­tische Institut der Uni­ver­sität Tübingen. Da erinnert sich Ammon an das weiße Pulver in seinem Schrank. Er beauf­tragt den Kol­legen damit, die Sub­stanz zu unter­suchen und dieser findet heraus: Das Medi­kament aus Indien scheint tat­sächlich anti-ent­zündlich zu wirken. 1991 erscheint eine erste Publi­kation. Ammon und seine Mit­ar­beiter fragen sich jetzt, was die ayur­ve­dische Medizin unter „Salai guggal“ ver­steht. Zu ihrer großen Über­ra­schung finden sie in ein­schlä­gigen Büchern, dass es sich dabei um den indi­schen Weih­rauch handelt, das Gum­miharz aus dem Baum Bos­wellia serrata.

Der Weih­rauch spielte eine große Rolle in der Heil­kunde des alten Indien. Die „Mediz­in­flasche von Ajanta“ erzählt von der Heil­kraft des Weih­rauchs. In einem alten Handbuch des Ayurveda, dem Bhava Prakash aus dem 14. Jahr­hundert, wird Weih­rauch – im Sanskrit Shallaki genannt – in zwei Sutren erwähnt:
„Shallaki ist Nahrung der Ele­fanten und der reichlich flie­ßende, wohl­duf­tende Nährsaft des Weih­rauch­baumes. Dieser ent­lässt (pro­du­ziert) sein Harz, reichlich fließend, einen (heil)kräftigen Saft.“ (Sutra 22)
„Sie heilt Blu­tungen und Wunden, regt an, bringt heraus und nach oben (fördert das Abhusten), stärkt die Stimme und baut kör­perlich und see­lisch auf.“ (Sutra 23)
Prof. Ammon und seine Kol­legen extra­hieren ver­schiedene Bos­wel­lia­säuren, wie­der­holen die Tests und kommen erneut zu dem Schluss: Salai Guggal kann Ent­zün­dungen hemmen – selektiv und hoch wirksam, weil es ein Schlüs­sel­enzym im Ent­zün­dungs-Stoff­wechsel hemmt. Die Ent­de­ckung ist eine Sen­sation. Es gibt keine moderne syn­the­tische Sub­stanz mit einer ver­gleich­baren Wirkung. Weih­rauch ist sehr gut ver­träglich und ver­ur­sacht nur in sel­tenen Fällen leichte Neben­wir­kungen. Prof. Ammon sieht Weih­rauch als Alter­native für chro­nisch Kranke, die Medi­ka­mente wie etwa Kor­tison, nehmen müssen.
„Von solchen chro­ni­schen Erkran­kungen gibt es eine Rie­sen­liste. Wichtige davon sind chro­nisch ent­zünd­liche Darm­er­kran­kungen, bron­chiales Asthma, der Lupus ery­the­ma­todes (eine Auto-Immun­erkrankung), rheu­ma­toide Arthritis und andere. Als Phar­ma­kologe wusste ich natürlich auch, dass gerade diese Erkran­kungen the­ra­peu­tisch sehr schwierig zu behandeln sind, ins­be­sondere gab es zu dieser Zeit kein Arz­nei­mittel – nimmt man das Kor­tison aus – welches die Syn­these von Leu­ko­trienen unter­drücken könnte, die eine wichtige Rolle bei der Auf­recht­erhaltung der Ent­zün­dungs­vor­gänge spielen.“
Ammons wis­sen­schaft­liche Erkennt­nisse wurden von seinen deut­schen Kol­legen mit einem Ach­sel­zucken quit­tiert. Die Wende kam 1992. Die Tübinger For­schungs­er­geb­nisse wurden in der renom­mierten ame­ri­ka­ni­schen Zeit­schrift „Journal of Phar­ma­cology and Expe­ri­mental The­ra­peutics“ publi­ziert. Im Ausland stießen sie auf großes Interesse und viele phar­ma­ko­lo­gische und auch einige kli­nische Studien wurden dar­aufhin gestartet.
Mehr Infor­ma­tionen findet man auf der Web­seite von Prof. Ammon http://www.boswellia.org/blog/
Oder in seinem Buch: Ammon, Hermann P.T. (Hrsg.) „Weih­rauch – Anwendung in der west­lichen Medizin. His­to­rische Anwendung und neue natur­wis­sen­schaft­liche Erkennt­nisse“. Springer
Fort­setzung folgt…