„Die Politik hat kein Rezept gegen kri­mi­nelle Fami­li­en­clans“ – Rainer Wendt über Kon­troll­verlust und Staatsversagen

Die Deutsche Poli­zei­ge­werk­schaft (DPolG) befürchtet eine Zunahme von Terror und Gewalt­kri­mi­na­lität im neuen Jahr und mehr Unsi­cherheit durch aggressive poli­tische Aus­ein­an­der­set­zungen in Deutschland. Es bedürfe erheb­licher zusätz­licher Anstren­gungen, um die Spaltung und Zer­setzung der Gesell­schaft wieder in den Griff zu bekommen, mahnt der DPolG-Bun­des­vor­sit­zende Rainer Wendt:
„Die Zahlen der Poli­zei­lichen Kri­mi­na­li­täts­sta­tistik (PKS) zeichnen kein rea­lis­ti­sches Bild der Inneren Sicherheit in Deutschland. Natürlich freuen wir uns darüber, wenn die Schwer­punkt­setzung von Polizei und Justiz dazu geführt hat, dass bei­spiels­weise mehr Woh­nungs­ein­brüche auf­ge­klärt wurden und die Zahlen sinken. Dies zeigt vor allem, dass durchaus Erfolge erzielt werden können, wenn der Per­sonal- und Tech­nik­einsatz stimmen.
Aber das Sicher­heits­gefühl der Men­schen wird auch und gerade durch Gewalt und Ter­ror­gefahr beein­trächtigt, und da sind die Aus­sichten eher düster. Das Unsi­cher­heits­gefühl wächst vor allem dort, wo im öffent­lichen Raum zu wenig Poli­zei­präsenz und die Befürchtung groß ist, Opfer eines Gewalt­de­liktes zu werden. Wenn Gruppen junger Männer den öffent­lichen Raum mit bedrohlich wir­kendem Auf­treten domi­nieren und der Staat nicht mehr sichtbar ist, werden auch beru­hi­gende State­ments aus der Politik das Gefühl der Men­schen nicht verbessern.
Die auf­ge­heizte poli­tische Stimmung im Land und die aggres­siven Aus­ein­an­der­set­zungen tragen dazu bei, dass die Gesell­schaft sich spaltet, Aus­grenzung und gegen­seitige Dif­fa­mierung den Diskurs bestimmen. Die Politik selbst fördert diese Ent­wicklung, indem sie viel zu schnell in ihren Sprach- und Ver­hal­tens­mustern ver­harrt, statt sich dem offenen und demo­kra­ti­schen Dialog zu stellen. Demons­trative Aktionen können so erheblich schneller in Gewalt umschlagen. Hinzu kommen immer öffent­licher und aggres­siver auf­tre­tende Banden, die um Macht und Ein­fluss kämpfen und vor Waf­fen­gewalt nicht zurückschrecken.

Dass die Politik diese Ent­wicklung im Griff hat, glauben immer weniger Men­schen. Kon­troll­verlust in der Zuwan­de­rungs­frage, Staats­ver­sagen in der Voll­stre­ckung von Abschie­bungen, kein Rezept gegen kri­mi­nelle Fami­li­en­clans, dra­ma­ti­scher Auto­ri­täts­verlust des Staates und seiner Insti­tu­tionen und zuneh­mende Gewalt gegen Ein­satz­kräfte sind nur einige Stich­worte, von denen die öffent­liche Dis­kussion bestimmt wird.
2019 muss das Jahr der Inneren Sicherheit werden; dazu bedarf es erheblich grö­ßerer Anstren­gungen als bisher. Die posi­tiven Ent­schei­dungen des Bundes und einiger Länder beim Per­so­nal­zu­wachs und bes­serer Aus­stattung für die Polizei, kommen erst langsam in den Dienst­stellen an und sind längst nicht flä­chen­de­ckend in Deutschland. Sie werden ohnehin durch große Pen­si­ons­zahlen rela­ti­viert. Die Unter­schied­lichkeit der Lebens­ver­hält­nisse wird noch weiter anwachsen, wenn auch künftig ohne Nationale Sicher­heits­stra­tegie jedes Land eigene Ent­schei­dungen trifft.
Im bevor­ste­henden Euro­pa­wahl­kampf wird wieder das gemeinsame Vor­gehen Europas auch in Fragen der Inneren Sicherheit beschwört werden. Gleich­zeitig sorgen schon allein unsere Bun­des­länder dafür, dass von Ein­heit­lichkeit keine Rede sein kann. Das fängt bei der höchst unter­schied­lichen Bezahlung der Ein­satz­kräfte an und hört nicht zuletzt bei der kata­stro­phalen IT-Infra­struktur auf.
Der Per­so­nal­aufbau muss sich ver­ste­tigen und in allen Ländern gleich­mäßig erfolgen. Außerdem muss endlich ein gemein­sames Konzept im Kampf gegen kri­mi­nelle Clans ent­wi­ckelt werden, das beginnt von ein­heit­lichen Defi­ni­tionen über die Erstellung von bun­des­weiten Lage­bildern bis zur Ent­wicklung kon­se­quenter Bekämpfungsstrategien.
Im Kampf gegen isla­mis­ti­schen Ter­ro­rismus müssen die Nach­rich­ten­dienste gestärkt und erheblich kon­se­quenter gegen Gefährder vor­ge­gangen werden.  Links- und Rechts­extre­mismus muss als Ter­ror­gefahr erkannt und auch so bekämpft werden. Und auch die Aus­ein­an­der­setzung extre­mis­ti­scher Grup­pie­rungen von Aus­ländern muss als Schwer­punkt weiter oben auf der Tages­ordnung stehen. Die zen­trale Infor­ma­ti­ons­steuerung auf Bun­des­ebene muss weiter aus­gebaut und die IT-Infra­struktur ver­ein­heit­licht werden. Hinzu kommen not­wendige gesetz­liche Ände­rungen, etwa die Vor­rats­da­ten­spei­cherung und kon­se­quente Umkehr der Beweislast zum Einzug von Ver­mögen, das durch Kri­mi­na­lität erlangt wurde.
Es ist wohl so, dass Deutschland eines der sichersten Länder der Welt ist, aber die Ver­gleiche mit insta­bilen Regionen in der Welt helfen nicht weiter und ver­bessern die Lage nicht. In ganz Europa werden Gesell­schaften insta­biler und die Stimmung aggres­siver. Verbale Aggression, Gewalt und sogar Terror können sich unter gesell­schaft­lichen Gruppen, aber auch gemeinsam gegen den Staat ent­wi­ckeln. Die hef­tigen Aus­ein­an­der­set­zungen in anderen Ländern können durchaus auch Deutschland erreichen; darauf sind wir nur unzu­rei­chend vorbereitet.“