Pictures of Money - flickr.com - CC BY 2.0

Die Wachs­tumslüge

Ständig wird uns in die Köpfe gehämmert, wenn wir nur mehr Wachstum hätten, würde alles gut werden. Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren, liebe Wähler, glauben Sie diesen Unsinn einfach nicht, denn es ist eine Lüge, die auch dadurch nicht wahr wird, wenn man sie täglich durch die Ver­blö­dungs­medien um die Ohren bekommt. Leider muss ich dies so pau­scha­li­sieren, denn die Pres­se­freiheit ist schon längst nur noch in Museen und alten Zei­tungs­ar­chiven zu finden. Wer heute noch unge­fil­terte Infor­mation sucht, der muss sich im Internet auf die Suche machen. Und weil unsere Aus­beuter und Skla­ven­treiber, ver­treten durch die von ihnen kon­trol­lierten Regie­rungen, dies inzwi­schen auch mit­be­kommen haben, wird seit einiger Zeit mit aller Gewalt ver­sucht, auch dort die Keule der Zensur zu schwingen.
(Von Wolfgang Sipinski)
Inter­essant, inter­essant! Während ich das hier gerade tippe, stelle ich fest, dass die Wörter „Aus­beuter“ und „unge­fil­terte“ von meiner Software als Fehler ange­sehen werden. Offen­sichtlich sind sie für den nor­malen Sprach­ge­brauch nicht mehr vorgesehen…

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Aber zurück zum eigent­lichen Thema. Das Wohl­ergehen des Pla­neten, so wollen uns Frau Merkel und Kon­sorten glauben machen, steht und fällt mit dem Wachstum. Und um das hier mal klar­zu­stellen: Gemeint ist im Grunde genommen das Wachstum des Wachstums! Klingt das in Ihren Ohren nicht irgendwie eigen­artig? Das ist es auch! Aber nach diesen Regeln funk­tio­niert die Börse, die längst nicht mehr als Han­dels­platz realer Werte funk­tio­niert, sondern die mit ihren Äuße­rungen und Bewer­tungen über die Existenz von Kon­zernen und Staaten ent­scheidet. Früher war es eine Plattform für den Handel von „Wert“-Papieren, die tat­sächlich den Wert eines Unter­nehmens dar­stellen sollten. Das ist schon längst nicht mehr der Fall. Wenn heute jemand an der Börse ein Gerücht ver­breitet, dass es einem Unter­nehmen nicht so gut gehe, ist dieses innerhalb von Sekunden weniger wert. Wenn es ganz übel kommt, ist es sogar pleite, weil plötzlich alle ihre Anteile ver­kaufen. Wie Sie sehen, hat das Ganze nichts mehr mit der Rea­lität zu tun.
Real ist aber, dass Wachstum künstlich erzeugt wird. Zum Bei­spiel wird in der Lebens­mit­tel­in­dustrie seit vielen Jahren einfach deutlich mehr pro­du­ziert als man braucht. Vieles davon wandert vom Erzeuger über den Super­markt direkt in die Tonne. Sie glauben das nicht? In dem Buch „Die Essens­ver­nichter“ schreiben Stefan Kreuz­berger und Valentin Thurn: „Wir werfen in etwa genau so viel weg, wie wir essen! Mit anderen Worten: 50 Prozent der Nah­rungs­mit­tel­pro­duktion wird auf dem Weg vom Acker zum Teller ver­nichtet!“ Ich will Sie nicht mit Zahlen lang­weilen, aber diese halte ich doch für erwäh­nenswert, wenn die Autoren weiter dar­stellen, dass allein in Deutschland jedes Jahr 20 Mil­lionen Tonnen Nah­rungs­mittel auf dem Müll landen, davon 500.000 Tonnen Brot. Rechnen Sie sich das mal in Kilo­gramm um und schreiben Sie diese Zahl auf ein großes Blatt Papier, dann erhalten Sie noch einen bes­seren Ein­druck von dieser Größenordnung.
Warum das so gewollt ist, liegt klar auf der Hand, denn alles, was auf dem Müll landet, wurde von irgend jemandem bezahlt. Und DAS ist die Wahrheit über unser hoch­ge­lobtes Wachstum, das die meisten Finanz- und Polit­deppen anbeten wie das Goldene Kalb!
In der Zeit­schrift „Cola, Reis und Heu­schrecken“ findet man einen bemer­kens­werten Artikel von Jean Ziegler, in dem er schreibt: „Alle fünf Sekunden ver­hungert ein Kind unter zehn Jahren. 37.000 Men­schen ver­hungern jeden Tag“, und er zitiert damit den „World-Food-Report“ der FAO (Food and Agri­culture Orga­nization of the United Nations). Nach deren Aussage „könnte die Welt­land­wirt­schaft in der heu­tigen Phase ihrer Ent­wicklung pro­blemlos das Dop­pelte der Welt­be­völ­kerung normal ernähren“.
Sie sehen also, dass stän­diges Wachstum vor allen Dingen eins ist: es ist krank! Denn über­tragen wir diese Wachs­tumsidee auf einen lebenden Orga­nismus, so wird jedem schnell klar, dass dies nicht gut sein kann. Wir kennen dies als die gefürchtete Krankheit mit dem Namen „Krebs“.
Und jetzt glauben Sie bitte nicht, dass die Nah­rungs­mit­tel­in­dustrie da eine Aus­nahme dar­stellt. Nein, dies ist die Regel, denn viele unserer Gebrauchs­ge­gen­stände werden von vor­ne­herein so pro­du­ziert, dass sie wesentlich früher ihren Dienst ver­sagen als nötig. Vieles könnte man heute deutlich lang­le­biger produzieren!
„Aber was wäre denn die Lösung?“, werden Sie nun fragen. Keine Angst, die Antwort ist ver­blüffend einfach: Weg von einer alles bestim­menden Politik des Wachstums und hin zu einer bedarfs­ori­en­tierten Umver­teilung aller Güter! Und keine Sorge, denn selbst bei diesem Lebens­standard sind noch ein Zweit­wagen und der zweite Fern­seher für die Kinder drin…
 
Dieser Artikel erschien ursprünglich im Buch “Poli­tisch Unkorrekt” von Jan van Helsing, Amadeus Verlag 2013