„Putins Puppen“: Nachruf auf einen Skandal, der für Spiegel und ZDF zur Blamage wurde

Die Geschichte um „Putins Puppen“ ist still und heimlich wieder aus den Medien ver­schwunden. Zeit für einen kleinen Rück­blick, für ein paar Ergän­zungen und einen Blick auf die Fragen, die noch offen sind.
Ich werde zur Erin­nerung die Geschichte kurz zusam­men­fassen, für Details klicken Sie bitte die Links an. Anschließend komme ich zu dem, was seitdem pas­siert ist.
Am 5. April brachten Spiegel und ZDF einen „Skandal“ ans Licht, angeblich hatte Russland einen Abge­ord­neten der AfD „voll­ständig unter Kon­trolle“. Die Quelle war Michail Cho­dor­kowski, ein laut Euro­päi­schem Gerichtshof für Men­schen­rechte rechts­kräftig ver­ur­teilter Betrüger und Steu­er­hin­ter­zieher. Und ein erklärter Putin-Gegner. Das bedeutet nicht, dass Cho­dor­kowski auto­ma­tisch lügt, aber er ist eben keine neu­trale Quelle und ent­spre­chend miss­trauisch sollte man bei Mel­dungen von ihm sein.
Der „Skandal“ stützte sich also auf nur eine Quelle und nur ein „Dokument“, genauer gesagt eine einzige Email, in der angeblich der rus­sische Duma-Mit­ar­beiter Pjotr Premjak den Abtei­lungs­leiter für Außen­po­litik im Kreml, Sergej Sokolov, darüber infor­miert hat, den künf­tigen AfD-Abge­ord­neten Markus Frohn­maier zu kon­trol­lieren. Diese Geheim­ope­ration haben die beiden demnach über völlig unsi­chere Freemail-Accounts besprochen, anstatt über sichere Regie­rungs­kanäle, was noch miss­traui­scher macht.
Der von einem Russland-Deut­schen betriebene YouTube-Kanal „Golos Evropy“ hat die vom ZDF gezeigte Email-Adresse gegoogelt und her­aus­ge­funden, dass sie nicht, wie behauptet, dem Duma-Mit­ar­beiter Pjotr Premjak gehört, sondern einem Phillip Premjak. Darüber habe ich am Montag, dem 8. April als Erster in Deutschland berichtet.
Der „Skandal“ war Titel­ge­schichte des Spiegel letzte Woche und „Frontal21“ hatte für Dienstag den 9. April eben­falls einen aus­führ­lichen Bericht ange­kündigt. In dem Bericht hatte das ZDF, nachdem ich auf­ge­zeigt hatte, dass die Mail nicht echt war, die Email-Adresse geschwärzt, sodass der auf­merksame Zuschauer diese Dinge nicht mehr erkennen konnte.

Email im ZDF am 5. April

Soweit die Fakten in Kürze.
Inter­essant ist, dass Spiegel-Online nach Erscheinen meiner Recherchen seine eigene Titel­ge­schichte der Print­version mit keinem Wort mehr erwähnt hat. Der Name Frohn­maier tauchte vier Tage lang im Spiegel nicht mehr auf. Das ist bemer­kenswert, weil Spiegel-Online nor­ma­ler­weise viel über seine Titel­ge­schichte berichtet, um den Verkauf der Print­version zu unter­stützen. Und das ZDF hatte die Email-Adresse plötzlich geschwärzt. Das alles kann an meiner Recherche liegen, es kann auch Zufall sein, ich zeige nur die nach­prüfbare Chro­no­logie auf.
Nicht berichtet hatte ich bisher über die Reaktion der rus­si­schen Medien, was ich nun nach­reichen möchte. Es gab über die Geschichte keine Berichte in Russland, lediglich west­liche Medien wie BBC, Radio Liberty oder Deutsche Welle haben darüber auf Rus­sisch berichtet. Und auch einige oppo­si­tio­nelle Medien in Russland, ja die gibt es wirklich, haben darüber berichtet. Inter­essant war dabei ein Detail, denn TV-Rain, ein großes, oppo­si­tio­nelles Portal, hat bei Cho­dor­kowskis Orga­ni­sation nach­ge­fragt, woher sie die Email hatten. Die Antwort war so kurz, wie viel­sagend: Das Dossier-Center von Cho­dor­kowski teilte mit, „das Material aus einer anonymen Quelle“ bekommen zu haben.
Das wirft ein noch schlech­teres Licht auf die „Recherchen“ von Spiegel und ZDF. Sie haben von einer par­tei­ischen Quelle (Cho­dor­kowski) Material (eine einzige Email) bekommen, von dem noch nicht einmal Cho­dor­kowski behauptet, dass es echt ist. Die Mail kommt aus „einer anonymen Quelle“ und ihre Echtheit ist damit nicht zu veri­fi­zieren. Aber ZDF und Spiegel haben diese Geschichte offen­sichtlich unge­prüft kom­plett über­nommen, ohne selbst auch nur die Mail zu über­prüfen. Das ver­steht man heut­zutage in Deutschland unter „Qua­li­täts­jour­na­lismus“.
Ich habe letzte Woche sehr viele Mails von Lesern bekommen und ich weiß, dass viele von Ihnen ZDF und Spiegel ange­schrieben haben. Ich will hier einmal bei­spielhaft eine Antwort zeigen, die ein Leser von „Frontal21“ dazu bekommen hat.

Wie man sieht, keine Spur von Selbst­kritik. Aber besonders dreist ist, dass die Redaktion behauptet, die Mail über­prüft zu haben. Ich frage mich wirklich, wie sie das gemacht haben wollen, denn bei einer Über­prüfung hätte ihnen sofort auf­fallen müssen, dass sie einem Fake auf­ge­sessen sind.
Damit ist der Fall eigentlich abge­schlossen, aber ich ver­suche noch, die rus­si­schen Betei­ligten zu erreichen, was nicht einfach ist. Ich habe an jeden eine oder zwei Fragen, die ich hier nennen werde. Sollte es dazu später noch Neu­ig­keiten geben, werde ich darüber berichten.
Zunächst würde ich gerne mit dem Duma-Mit­ar­beiter Pjotr Premjak sprechen, denn das ZDF hat, wie auch in der Antwort von „Frontal21“ zu lesen ist, mit einem Kame­rateam sein Büro gestürmt und man konnte sehen, dass er nicht mit dem Team reden wollte. Angeblich hat er aber dann, nachdem die Kamera aus­ge­schaltet war, alles zuge­geben. Dazu würde ich gerne seine Version der Ereig­nisse hören.
Auch mit Phillip Premjak würde ich gerne mal reden und mir anhören, was er dazu sagt, dass er – oder besser gesagt seine Mail­adresse – unver­sehens in einen „großen poli­ti­schen Skandal“ in Deutschland ver­wi­ckelt war. Aber als ich ihn am 8. April ange­rufen und gefragt habe, war er zuerst höflich, dürfte dann aber an einen Tele­fon­scherz geglaubt haben und hat auf­gelegt. Offen­sichtlich war ich danach nicht der Einzige, der ihn ange­rufen hat, denn er ging später nicht mehr ans Telefon, wenn ich oder auch andere ver­sucht haben, ihn zu erreichen.
Und nicht zuletzt würde ich gerne mehr über Sergej Sokolov erfahren, vor allem, ob er im April 2017 noch Leiter der Abteilung Außen­po­litik im Kreml war. Das Problem ist, dass Sergej Sokolov ein so sel­tener Name ist wie Klaus Müller, daher findet man über ihn prak­tisch nichts im Internet. Aber auch dazu laufen noch Recherchen.


Thomas Röper – www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“