CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will einen allgemeinen Pflichtdienst für alle in einem „Werkstattgespräch“ mit ihrer Partei diskutieren. „Aus meiner Sicht müsste der für Männer und Frauen gelten, und auch für Menschen, die keine deutschen Staatsangehörigen sind, aber ein verfestigtes Aufenthaltsrecht haben. Wir werden das alles demnächst auch mit der Partei in einem weiteren Werkstattgespräch diskutieren“, sagte Kramp-Karrenbauer dem Magazin „Stern“.
Um die „gute alte“ Wehrpflicht, wie sie in der Bundesrepublik bis 2011 bestand, geht es aber offenbar nicht. Die Wehrpflicht ist ja nie wirklich „abgeschafft“ worden. Der Gesetzgeber hat sie lediglich ausgesetzt, indem er die Geltung des Wehrpflichtgesetzes auf den Spannungs- und Verteidigungsfall begrenzt hat (§ 2 WPflG). Eine Wiedereinführung der ja noch existierenden Wehrpflicht dürfte verfassungsrechtlich möglich sein, da muss Frau Kramp-Karrenbauer nicht viel Neues erfinden.
Gemeint ist mit der „Allgemeinen Dienstpflicht“ – etwas schwammig formuliert – ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“, das auch Frauen und Zuwanderer einschließt und dem vor allem nach Frau Kramp-Karrenbauers Willen eine „gesellschaftlich integrative Wirkung“ zukommen soll.
Zwangsarbeit: Das ist rechtlich nicht ganz so einfach
Eine Dienstpflicht greift in die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG – genauer: die Freiheit von Arbeitszwang und Zwangsarbeit aus Art. 12 Abs. 2–3 GG, die nach wohl überwiegender Auffassung ein eigenes Grundrecht darstellt – ein; je nach Ausgestaltung kann sie darüber hinaus in weitere Grundrechte eingreifen. Zur Einführung der Wehrpflicht erfolgte eine Verfassungsänderung, deren Ergebnis Art. 12a GG ist. Art. 12a ist lex specialis zu Art. 12 Abs. 2 GG, welcher die Verpflichtung zu herkömmlichen, allgemeinen Dienstleistungen ermöglicht – etwa die kommunalen Hand- und Spanndienste oder die Feuerwehrpflicht. Eine derart weitreichende Dienstverpflichtung wie die Wehrpflicht ist davon dagegen wohl nicht abgedeckt – jedenfalls verdrängt Art. 12a in seinem Anwendungsbereich den allgemeineren Art. 12 Abs. 2 GG. Dies hat praktische Konsequenzen: Während Art. 12 Abs. 2 GG die gleiche Heranziehung zur Dienstleistungspflicht – und damit die Gleichbehandlung der Geschlechter bei der Heranziehung – verlangt, greift die in Art. 12a Abs. 1 GG ermöglichte Wehrpflicht ausdrücklich nur für Männer (von der Zivildienstpflicht für Frauen im Verteidigungsfall, Art. 12a Abs. 4 GG, einmal abgesehen). Mit anderen Worten: Eine Feuerwehrpflicht muss auch Frauen umfassen, eine Wehrpflicht darf keine Frauen umfassen (so ausdrücklich auch Art. 12a Abs. 4 S. 2 GG). Diese Rechtslage kann zwar nicht an Art. 3 Abs. 2 GG gemessen werden – weil die Normen auf der gleichen Rangstufe stehen –, zeugt aber von einem archaischen Geschlechterverständnis (wenn sie auch wohl nicht unionsrechtswidrig ist). Sie führt gleichwohl dazu, dass die Einführung einer geschlechtsunabhängigen Wehrpflicht nur durch Verfassungsänderung möglich wäre. (Quelle: https://www.juwiss.de/73–2018/)
Frau Kramp-Karrenbauer beabsichtigt aber ausdrücklich keine reine Wehrpflicht zur Sicherung der Landesverteidigung. Sie sagt lediglich, die Bundeswehr könne hier vielleicht Angebote machen.
Für sie habe das Thema eher gesellschaftspolitische Bedeutung. Sie stellt die Frage „Was hält uns zusammen und wie gehen wir aufeinander zu? Es solle ein Zeichen gesetzt werden, „dass es sich lohnt, sich für diese Gesellschaft, so unterschiedlich wir sind, auch im Sinne eines gemeinsamen Dienstes einzusetzen und damit zu zeigen, dass sie uns etwas wert ist und dass wir sie zusammenhalten.“
Also reden wir nicht über den Dienst in der Bundeswehr, sondern über eine Dienstpflicht, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und die wahlweise in der Bundeswehr oder in sozialen Einrichtungen absolviert werden soll. Auch eine solche Dienstpflicht greift in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 2 GG ein: Allerdings spricht dieses vom Zwang zu einer „bestimmten Arbeit“, während eine allgemeine Dienstpflicht den Pflichtigen wohl eine gewisse Wahlfreiheit hinsichtlich der konkreten Arbeitsstelle lassen dürfte.
Beim Parteitag Ende des Jahres soll das Kramp-Karrenbauer’sche Pflichtjahr als „Leitfrage“ diskutiert werden. Doch schon jetzt gibt es Kritik und gute Argumente gegen die Idee. Vor allem die praktische Umsetzung dürfte Probleme bereiten.
Eine Rückkehr zu Pflichtdiensten wäre teuer und unrealistisch. Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) rechnet in diesem Fall mit 700.000 jungen Menschen und warnt: „Die notwendigen Finanzmittel würden erhebliche Einschnitte in anderen Bereichen nach sich ziehen. Nicht zuletzt bei der Ausrüstung der Bundeswehr.“ Auch die zivilen Einrichtungen können diese Menge junger Leute gar nicht aufnehmen, ausbilden, einsetzen und auch nicht auf einen Schlag die nötigen Einsatzstellen schaffen. Aktuell sind 39.000 Bundesfreiwillige (sogenannte „Bufdis“) im Einsatz.
Auch die Bundeswehr ist nur mäßig begeistert, denn Wehrpflichtige, die nach einem Jahr wieder gehen, helfen der Bundeswehr kaum. Für eine leistungsfähige Bundeswehr „brauchen wir motivierte junge Menschen, die längere Zeit bei der Truppe bleiben und komplexe Technik bedienen können“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Henning Otte.
Aber was ist mit dem Pflegenotstand? Werden hier nicht händeringend Leute gesucht? Auch hier könnten die jungen Leute kaum alle in so kurzer Zeit ausgebildet werden, um noch eine nennenswerte Zeit wirklich einsatzfähig und eine Hilfe zu sein. Auch der Pflegedienst braucht motivierte Langzeitkräfte und steht mit einem Andrang ungelernter „Ein-Jahr-Mithelfer“ mehr unter Druck, als vorher.
Quelle: www.connectiv.events