Wie die Super­reichen mit Hilfe ihres Hof­staates Demo­kratie ab- und ihre Herr­schaft immer mehr ausbauen

Inzwi­schen verfügt ein Tau­sendstel der Welt­be­völ­kerung über ca. drei Viertel des glo­balen Pri­vat­ver­mögens. Die globale Eigen­tums­zwei­teilung ist damit extremer als in Frank­reich vor der Revo­lution von 1789. Dabei sehen wir eine zuneh­mende Ent­kopplung der eta­blierten Par­teien von den Wün­schen der Wähler, eine Ideo­lo­gi­sierung der Füh­rungs­schicht der staat­lichen Insti­tu­tionen sowie eine Ver­la­gerung von Ent­schei­dungs­kom­pe­tenzen weg von natio­nalen demo­kra­ti­schen Insti­tu­tionen zu supra­na­tio­nalen, nicht demo­kra­tisch legi­ti­mierten Ver­bünden. Doch ohne eine ernst­hafte und umfas­sende wirt­schaft­liche Krise, wird sich das System der glo­balen Plu­to­kratie nicht ver­ändern, ist sich Johannes Eis­leben sicher.
Ob eine Gesell­schaft funk­tio­niert, hängt davon ab, in welchem Ausmaß die Eliten das staat­liche Macht­mo­nopol missbrauchen
Jedes System der Ver­ge­sell­schaftung dient der Ver­meidung chao­ti­scher offener Gewalt (“bellum omnium contra omnes”Thomas Hobbes), mit der sich Gesell­schaften ohne wei­teres kol­lektiv sui­zi­dieren können – wie es mög­li­cher­weise die Urein­wohner der Oster­inseln getan haben. Dies gilt schon für die Jäger- und Samm­ler­ge­sell­schaften im Paläo­li­thikum. Denn selbst der Stärkste ist im Schlaf hilflos und auf Ver­ein­ba­rungen zur Sicherung seines Über­lebens ange­wiesen (Heinrich Popitz, Phä­nomene der Macht).
Seit der Urba­ni­sierung des Men­schen ab 3000 v. Chr., dem Beginn der “his­to­ri­schen Existenz” (Ernst Nolte), ist das einzige funk­ti­ons­fähige Modell zur Ver­hin­derung offener Gewalt das staat­liche Gewalt­mo­nopol, weil sich urbane, anonyme sozialen Bezie­hungen erfor­dernde Gesell­schaften nicht anders befrieden lassen. Die Träger des Gewalt­mo­nopols, die Mit­glieder der gesell­schaft­lichen Elite, miss­brauchen es immer zu ihrem Vorteil. Ob eine Gesell­schaft funk­tio­niert, hängt davon ab, in welchem Ausmaß sie es tun.
Ein wich­tiges his­to­ri­sches Bei­spiel für ein Maß, das ein­deutig über­trieben war, ist der Miss­brauch seiner pri­vi­le­gierten Stellung durch Adel und Klerus im abso­lu­tis­ti­schen Frank­reich des 18. Jahr­hun­derts. Für die Frei­maurer und Auf­klärer, die diesen Miss­brauch erkannten, beschrieben und dessen Been­digung ein­for­derten, war es leicht, die Ver­ant­wort­lichen aus­zu­machen: die Ade­ligen machten die Gesetze, wen­deten sie an und brachen sie, wenn es ihnen passte.
Viele dafür ent­schei­dende Macht­po­si­tionen wurden durch Her­kunft ver­geben. Adel und Klerus miss­brauchten das staat­liche Gewalt­mo­nopol massiv und über eine lange Zeit – Macht­un­gleich­ge­wicht, extreme Ungleichheit der Ver­mö­gens­ver­teilung und Unrecht wurden immer uner­träg­licher, bis es zur Revo­lution kam. Die Träger des Macht­miss­brauchs waren auf­grund ihrer Her­kunft und ihrer lokalen, regio­nalen oder (im Falle des Hof­adels und des Mon­archen) natio­nalen Ver­wur­zelung sofort identifizierbar.
Mehr Mil­li­ardäre und extremere Einkommensunterschiede
Die heu­tigen Eliten haben sich mit Hilfe des glo­balen Finanz­ka­pi­ta­lismus derart berei­chert, dass etwa ein Tau­sendstel der Welt­be­völ­kerung je nach Quelle zwi­schen 70 und 80 Prozent des glo­balen Pri­vat­ver­mögens besitzt. Ein Aus­druck dessen ist der Anstieg der Anzahl der Mil­li­ardäre von 470 (im Jahr 2000) auf 2.153 (Im Jahr 2018), also fast eine Ver­fünf­a­chung mit einer Ver­zehn­fa­chung ihres Gesamt­ver­mögens auf 8.700 Mil­li­arden US-Dollar in diesem Zeitraum.
Die globale Eigen­tums­zwei­teilung ist damit extremer als in Frank­reich vor 1789. Diese Dicho­to­mi­sierung schreitet seit den 1970er Jahren voran. Das Eigentum kon­zen­triert sich immer stärker, während die Real­ein­kommen der abhängig Beschäf­tigten in den OECD-Ländern sta­gnieren oder sogar real sinken wie in Frank­reich. Von der Glo­ba­li­sierung pro­fi­tieren neben den glo­balen Super­reichen auch die Unter­schichten Asiens, von denen in den letzten 30 Jahren hun­derte von Mil­lionen deut­liche Ein­kom­mens­zu­wächse mit einer Been­digung ihrer abso­luten Armut erleben durften. An der extrem Ungleich­ver­teilung des Eigentums ändert das aller­dings nichts, im Gegenteil – die glo­balen Super­reichen schöpfen die Erträge aus dieser dyna­mi­schen Ent­wicklung ab.
Mit den glo­balen Super­reichen ist eine globale Plu­to­kratie ent­standen, durch die sicher­ge­stellt wird, dass fast alle poli­ti­schen Ent­schei­dungen – legis­lative, exe­kutive und judi­kative – in ihrem Interesse gefällt werden. Dafür gibt es drei wesent­liche Mechanismen:

  • Die Ent­kopplung der eta­blierten Par­teien von den Wün­schen der Wähler, ein sehr gefähr­liches Phä­nomen, das in allen west­lichen OECD-Staaten zu beob­achten ist und zum Auf­stieg des Popu­lismus führt,
  • die Ideo­lo­gi­sierung der Füh­rungs­schicht der staat­lichen Insti­tu­tionen (darauf kommen wir unten zu sprechen) und
  • die Ver­la­gerung von Ent­schei­dungs­kom­pe­tenzen weg von natio­nalen demo­kra­ti­schen Insti­tu­tionen zu supra­na­tio­nalen, nicht demo­kra­tisch legi­ti­mierten Ver­bünden wie EU, WTO oder UNO (siehe z.B. Ulrich Vos­gerau: „Herr­schaft des Unrechts”).

Echte Any­wheres, die kaum greifbar sind und immer mehr Macht anhäufen
Extreme Eigen­tums­un­gleichheit geht his­to­risch immer mit mas­sivem Macht­ge­fälle einher – so ist es auch heute. Und die eta­blierten Medien berichten über diesen Vorgang der Ent­de­mo­kra­ti­sierung und Ver­will­kür­li­chung von Herr­schaft weit­gehend affir­mativ. Wer sind die Nutz­nießer dieses Vorgangs?
Es sind globale Plu­to­kraten, zu deren ganz hartem Kern von Mil­li­ar­dären nur einige tausend Men­schen gehören, sowie noch knapp zwei Mil­lionen Men­schen, die mehr als 5 Mil­lionen US-Dollar besitzen. Diese Men­schen sind viel schwerer zu fassen und zu beschreiben als der fran­zö­sische Adel und der hohe Klerus des 18. Jahr­hun­derts in Frank­reich. Warum?
Der Adel war erblich und die Pri­vi­legien dadurch fest an Familien und deren Namen gebunden. Zwar gibt es heute öffent­liche Listen mit den Namen der Super­reichen, doch fluk­tuiert die heutige Gruppe deutlich stärker als der klas­sische Adel, bei­spiels­weise durch den raschen Auf­stieg von Pro­fi­teuren der Been­digung des tra­di­tio­nellen Kom­mu­nismus in Russland und China, oder von Tech­no­lo­gie­un­ter­nehmern und Finanz­akro­baten. Außerdem haben die heu­tigen Plu­to­kraten, anders als der alte Adel, keine lokale, regionale oder nationale Ver­wur­zelung. Sie haben Wohn­sitze auf dem ganzen Globus, zu denen sie sich mit ihren Pri­vat­flug­zeugen jederzeit begeben können. Sie haben, wenn sie es wün­schen, mehrere Staatsbürgerschaften.
Ihre Pro­duk­ti­ons­mittel und Kapi­tal­an­lagen sind auf der ganzen Erde ver­teilt und über Branchen und Eigen­tums­arten diver­si­fi­ziert. Nationale Regie­rungen können steu­erlich oder gar eigen­tums­rechtlich kaum gegen sie vor­gehen. Auf­ständen, gegen ihre Inter­essen agie­rende Reform­re­gie­rungen oder gar Revo­lu­tionen können sie sich leicht phy­sisch und auch finanz­tech­nisch (durch Eigen­tums­ver­la­gerung) ent­ziehen. Ihre prä­fe­rierte per­sön­liche Kultur können sie sich überall beschaffen, sich damit umgeben, daher haben sie auch keine see­lische Exil­pro­ble­matik wie Thomas Mann in Kali­fornien: Es sind echte Any­wheres, wie David Goodhart sie genannt hat.
Der Hof­staat zeigt Haltung, durch­schaut aber die Herr­schafts­me­cha­nismen nicht
Diese Herr­schaft wird von einer kleinen Schicht von etwa 15 Prozent der OECD-Bevöl­kerung unter­füttert und getragen, die bei­spiels­weise in Deutschland mehr als 60.000 Euro brutto pro Jahr ver­dient und deren Mit­glieder in der Regel (bis auf wenige Aus­nahmen) weniger als 5 Mil­lionen Euro Eigentum haben. Dazu gehören bei­spiels­weise: Berufs­po­li­tiker in der Legis­lative, der Exe­kutive und in den Par­tei­stif­tungen, die Staats­be­amten der Exe­kutive, Richter und Staats­an­wälte, hohe Offi­ziere der Streit­kräfte, hohe Gewerk­schafts­funk­tionäre, Ver­bands­führer, ange­stellte Kon­zern­ma­nager, Kon­zern­dienst­leister wie Rechts­an­wälte, Steu­er­be­rater und Management-Berater, aber auch Kir­chen­funk­tionäre, lei­tende Ange­stellte der staat­lichen und der füh­renden pri­vaten Medien, Kli­nik­di­rek­toren, GKV-Manager und andere füh­rende Akteure des Gesund­heits­wesens sowie Hoch­schul­pro­fes­soren und andere füh­rende Ange­stellte des Bildungssektors.

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Die über­wie­gende Mehrheit dieser Schicht lässt sich kul­turell ganz gut ver­orten, Aus­nahmen bestä­tigen die Regel. Sie liest affir­mative Medien wie Spiegel, Zeit, SZ, Eco­nomist, Han­dels­blatt oder Manager Magazin und kon­su­miert Staats­medien wie DLF, ARD oder ZDF, deren Bericht­erstattung bereits zu einem guten Teil in den Bereich Pro­pa­ganda über­ge­gangen ist.
Die Mit­glieder dieser Trä­ger­schicht sehen sich als auf­ge­klärt und pro­gressiv, bekennen sich zur Abschaffung des Natio­nal­staats, zum glo­balen Finanz­ka­pi­ta­lismus, zum Euro, zur EU, zur Erzählung von der zurück­zu­zah­lenden Schuld des Westens gegenüber der Dritten Welt, zum Nar­rativ des anthro­po­genen Kli­ma­wandels, zur “Ener­gie­wende”, zur Grenz­öffnung, zur Reduktion des Ord­nungs­staates, zum Islam als einer dem Chris­tentum gleich­wer­tigen Religion oder gar zur Recht­fer­tigung pri­vater poli­ti­scher Gewalt (Antifa-Sym­pa­thi­santen bei SPD, Grünen, Linken).
Mit anderen Worten, diese Schicht durch­schaut die Herr­schafts­me­cha­nismen nicht, sondern nimmt die neue Herr­schafts­ideo­logie als huma­nis­tische “Haltung“ ernst. Die eigene beruf­liche Rolle bei deren Umsetzung, Ver­fes­tigung und Aus­weitung wird positiv und ich-synton gesehen, auch wenn dafür zahl­reiche Ver­fas­sungs­brüche erfor­derlich sind, wie bei „Euro-Rettung“, Grenz­öffnung, Netz-DG oder „Ener­gie­wende“. Denn die Trä­ger­schicht wird gut bezahlt und mit Zuge­hö­rigkeit belohnt. Wenn einer mal aus­schert, werden ihm Amt und Pri­vi­legien mög­lichst wieder ent­zogen, man kann bedroht und massiv beleidigt werden oder ist gar Gewalt gegen Person und Eigentum ausgesetzt.
Wohin geht die Reise?
Diese Schicht ist wie die eigent­lichen Plu­to­kraten schwer zu greifen, da sie die Insti­tu­tionen gründlich durch­drungen hat und es nur wenige Abweichler gibt; sie sichert sich – nicht zuletzt über die Judi­kative – selbst ab. Ihre Per­p­etu­ierung geschieht über das Bil­dungs­system, das mitt­ler­weile zu einer Pro­duk­ti­ons­ma­schine für Kon­for­mismus geworden ist. Vor allem aber gibt es Nach­schub aus den unteren 85 Prozent mit weniger als 60 Tausend EUR Jah­res­ein­kommen, die gerne auf­rücken möchten und sich nach frei wer­denden Plätzen an den Fleisch­töpfen der Macht sehnen.
Die Kehr­seite der rasant zuneh­menden Eigen­tums­kon­zen­tration ist eine  Schul­den­wirt­schaft, wie die Welt sie noch nie gesehen hat. Wenn der Schul­denturm kippt, kann sich das gesell­schaft­liche Klima schnell wandeln, da es dann nicht nur unten Not, sondern auch oben weniger zu ver­teilen gibt und die Trä­ger­schicht nicht mehr so gut bei der Stange gehalten werden kann.
Die Vor­boten in Gestalt des Popu­lismus sehen wir schon deutlich. Doch ohne ernst­hafte und umfas­sende wirt­schaft­liche Krise, so viel ist sicher, wird sich das System der glo­balen Plu­to­kratie nicht ver­ändern, sondern sich eher noch weiter ver­schärfen. Denn der Transfer von Sou­ve­rä­nität an nicht demo­kra­tisch legi­ti­mierte, durch keine Gewal­ten­teilung kon­trol­lierte supra­na­tionale Ver­bünde geht weiter. Auch ver­stärkt sich die Ideo­lo­gi­sierung der Trä­ger­schicht noch immer, und die Par­teien ent­koppeln sich noch mehr vom Willen der Bevöl­kerung – wie das Brexit-Drama oder der Umgang mit den Gelb­westen zeigen. Die­je­nigen unter uns, die weiter und tiefer sehen, müssen sich noch gedulden. Keiner weiß, wie lange.

Jürgen Fritz — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog des Autors www.juergenfritz.com