In der Sendung „Nachrichten der Woche“ ging es mal wieder um Nord-Stream 2, die politischen Grabenkämpfe um das Thema und die US-Sanktionsdrohungen gegen das Projekt. Interessant ist wie üblich, wie anders die Russen die politischen Hintergründe sehen und beleuchten. Ich habe den Beitrag daher übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Gazprom-Chef Alexej Miller sagte, die „Nord Stream‑2“-Gaspipeline von Russland nach Deutschland sei zur Hälfte fertig. Das Projekt wird planmäßig umgesetzt.
Auch wurde bekannt, dass zwei amerikanische Senatoren einen Gesetzentwurf eingebracht haben, der den Bau von „Nord Stream‑2“ stoppen soll. Nach Meinung der Autoren des Dokuments ist es notwendig, Sanktionen gegen Einzelpersonen und Unternehmen zu verhängen, die am Bau der Pipeline beteiligt sind. Zum Beispiel gegen Unternehmen, die die nötigen Spezialschiffe verkaufen oder vermieten. Ihnen droht das Einfrieren aller Vermögenswerte auf amerikanischem Territorium und ein Einreiseverbot in die USA.
Viele in Europa haben die ständigen Anweisungen der Amerikaner satt. Zum Bau von „Nord Stream‑2“ etwa hat Bundeskanzlerin Angela Merkel unmissverständlich gesagt: Trotz Direktiven der Europäischen Kommission wird das Projekt umgesetzt.
Deutschland erhöht die Verteidigungsausgaben um 5 Milliarden Euro. Die 2% des BIP, die die Vereinigten Staaten fordern, werden nicht erreicht, es werden jetzt 1,35% erreicht, aber dennoch ist es der höchste Anstieg des Militärbudgets seit dem Ende des Kalten Krieges.
Wofür genau dieses Geld ausgegeben werden soll, ist nicht klar, aber es ist klar, dass dies der Preis ist, den Deutschland zahlt, weil es trotz des Drucks aus Washington kategorisch an „Nord Stream‑2“ festhält. Das sind die Worte, die fünf Milliarden kosten: „Das Projekt hat fast alle Genehmigungen bekommen. Die neue Gasrichtlinie gibt der Europäischen Kommission mehr Möglichkeiten für Einwände. Aber sie wird die Umsetzung des Projekts nicht verhindern“ sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Trotz des Widerstands Berlins konnte die amerikanische Lobby in Brüssel mit Unterstützung Rumäniens als dem derzeitigen Präsidenten der EU Änderungen an der Gasrichtlinie durchsetzen, die die Rechte der Nord Stream-Eigentümer und die Möglichkeit der Nutzung der Gaspipeline einschränken können.
Der Traum ist es, das Projekt zu stoppen, das die Expansion der USA auf den europäischen Markt der fossilen Brennstoffe verhindert, die nach Angaben des Analysezentrums Rend Corporation zu einer Schwächung und Destabilisierung Russlands führen würde.
Vor kurzem eröffnete Donald Trump in Louisiana den ersten Teil einer neuen Flüssiggas-Produktionsanlage. Die Projektkapazität beträgt 15 Millionen Tonnen pro Jahr. „Wir werden Gas in der ganzen Welt verkaufen“ versprach Trump.
„Die Europäische Union ist so cool wie China, nur ein wenig kleiner. Sie sind alle cool. Wenn sie an unserem Land Geld verdienen, werden sie cooler, als sie wirklich sind, aber das ändert sich schnell. Sehr schnell“ sagte Trump.
Egal, wie schnell es Trump auch scheint, die USA sind Russland beim Ausbau des Exportpotenzials unterlegen. Während Flüssiggas in Louisiana erst noch nach Europa exportiert werden soll, kommt es bereits aus den Flüssiggas-Anlagen der russischen Halbinsel „Jamal“ und zwar billiger, als das US-Gas. Und mit der Fertigstellung von „Nord Stream‑2“ werden die amerikanischen Lieferungen fast gleich Null sein. (Anm. d. Übers.: Da die Russen in Jamal normal gefördertes Gas verflüssigen, ist es in der Förderung billiger, als US-Fracking-Gas, was das russische Flüssiggas auch insgesamt billiger macht, als amerikanisches Flüssiggas. Ironischerweise kaufen die USA das russische Flüssiggas aus Jamal, während sie ihr eigenes, teureres Gas nach Europa verkaufen wollen.)
Wir werden „Nord Stream“ bauen. Keine Sanktionen der Welt werden das verhindern. Das ist eines der größten Schiffe der Welt. Es ist 400 Meter lang. Auf dem Schiff arbeiten 400 Menschen, es ist fast wie ein Flugzeugträger, sowohl nach der Größe als auch nach der politischen Bedeutung.
Es scheint nur, dass sich das Rohr bewegt, tatsächlich bewegt sich das Schiff vorwärts, und die Pipeline sinkt auf den Grund der Ostsee ab. Am Tag verlegt die „Solitaire“ 3 bis 4 Kilometer Rohre, weshalb sich die Senatoren mit den Sanktionen beeilen müssen, obwohl sie das internationale Projekt kaum stoppen werden.
Die Kapitänin ist ein Holländer, im Team sind Deutsche, Spanier, Kanadier, Russen, Dänen, es gibt viele Nationalitäten hier.
Die neueste Erfindung des amerikanischen Senats im Bereich der Sanktionen: Ein Gesetzentwurf gegen zwei Unternehmen, die italienische Saipem und die Schweizer Allseas, die drei Pipeline-Verlegungsschiffe besitzen, die in der Ostsee arbeiten: die „Audacia“, „Solitaire“ und „Pioneering“. Alle Finanztransaktionen dieser Auftragnehmer und ihrer Versicherer, die Schiffe und Personal versichern, können verboten werden. Gleichzeitig verweisen sogar Analysten von Rend Corporation auf die hohen Risiken durch die Sanktionen für die Wirtschaft der Länder, die die USA immer noch als ihre Verbündeten bezeichnen. Die Beziehungen können sich endgültig verschlechtern. Und auch sehr schnell.
„Die Vereinigten Staaten verteidigen ihre wirtschaftlichen Interessen auf inakzeptable Weise, wenn der amerikanische Botschafter europäischen Firmen droht, dass sie in Amerika keine Geschäfte machen können, wenn nicht das getan wird, was Washington für richtig hält. Washington verhält sich so, als wären wir ein untergeordneter Staat oder ein Staat der USA. Aber so ist es nicht. Wenn die USA Sanktionen gegen europäische Unternehmen verhängen, sind wir mit einer solchen Position nicht einverstanden“ sagte Klaus Ernst, Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Bundestages.
„Es ist offener wirtschaftlicher Imperialismus. Wir Europäer haben das Recht, unseren eigenen wirtschaftlichen Kurs festzulegen. Wenn wir glauben, dass es in unserem Interesse ist, den Import von Gas aus Russland zu erhöhen, werden wir diesen Weg einschlagen. Die Amerikaner müssen den legalen oder illegalen Imperialismus beenden, die Pipeline-Firmen haben nichts mit dem amerikanischen Rechtssystem zu tun“ ist sich Hans-Jorg Müller, der führender Politiker der Alternative für Deutschland, sicher.
Der Markt für den Bau von Offshore-Pipelines ist klein, die Zahl der Aufträge ist begrenzt, und die Amerikaner können den europäischen Spezialfirmen der Branche heute und in Zukunft kaum etwas verlockenderes als anbieten, „Gazprom“. Daher wird die Androhung von Sanktionen keine Wirkung zeigen. Das Einzige, was den Zeitplan der Fertigstellung des Bauwerks leicht verändern kann, ist die Sturheit Dänemarks, das noch nicht die Erlaubnis zum Bau in seinen Hoheitsgewässern erteilt hat.
Fracht kommt zur „Solitaire“. Die Rohre werden entladen und zu einer einzigen Pipeline zusammengefügt, die dann auf dem Meeresboden verlegt wird. „Nord Stream‑2“ liegt in einer Tiefe von 50 bis 220 Metern.
Aus unserem Ust-Lugi bis zum deutschen Greifswald sind es 1230 Kilometer, zwei Pipelines führen vorbei an Schweden, Finnland und Dänemark vorbei. Nur Kopenhagen spielt mit seiner Erlaubnis noch auf Zeit. Und wenn es sie verweigert, wird „Nord Stream‑2“ die dänischen Gewässer umgehen.
„Als Unternehmen konzentrieren wir uns auf die Umsetzung des Projekts und tun unseren Teil dazu, dass es nach Plan fertig wird.“ sagte Pavel Persidski, stellvertretender technischer Direktor von Nord Stream‑2.
„Also bis zum Jahresende?“
„Ja.“
„Wann beginnt das Gas zu fließen?“
„Unser Zeitplan sieht die Fertigstellung und den Beginn Gasversorgung für Ende 2019 vor.“
Früher hatte Russland nicht die Fähigkeit, Spezialrohre mit großem Durchmesser zu bauen und kaufte sie in der Ukraine. Aber jetzt kommen 60% der Rohre, die für „Nord Stream‑2“ verwendet werden, aus Russland , weitere 40% aus Deutschland.
Parallel zur Verlegung der Offshore-Pipeline bauen die Deutschen ihre Überland-Fortsetzung. Jüngst kletterte eine Gruppe von fünf Öko-Aktivisten in die Rohre und stoppte die Arbeiten an einem halben Kilometer langen Segment für etwa einen Tag. Die Polizei hat sie wegen der Versammlungsfreiheit gewähren lassen und ihnen sogar einen Gasanalysator zur Messung des Sauerstoffgehalts gegeben. Sie sind nicht so sehr gegen Nord Stream, sie sind generell gegen den Einsatz von Gas, obwohl bewiesen ist, dass es sich dabei um die umweltfreundlichste Art von Kraftstoff handelt. Gras essen und sich mit Laufen warm halten, die Irrationalität der Ökofanatiker kann man nicht ignorieren, aber der Bau wird zu Ende gebracht, selbst wenn die ganze Grüne Partei und die komplette Europäische Kommission in die Rohre klettern.
„Was Frau Merkel in Regensburg sagte, ist sehr aufschlussreich: Sie hat klar erklärt, dass die deutsche Regierung unter allen Umständen die Versuche, „Nord Stream 2″ zu stoppen, verhindert und dass die Pipeline gebaut wird.“ sagte der Analyst Alexander Rahr.
Der Einsatz ist sehr hoch. Das sollte Herr Martin Weber, Abgeordneter der bayerischen CSU und Chef der rechtszentristischen Volkspartei im Europaparlament, bedenken, wenn er als Kandidat für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission weiterhin die Unterstützung der Kanzlerin genießen will. Herr Weber hatte die Unvorsichtigkeit, sich gegen das russische Gas und „Nord Stream‑2“ zu stellen, was in Berlin für Unmut sorgte. Aber allen ist klar: Er verbrachte zu lange in Brüssel, in München, findet demnächst ein Treffen satt, wo man ihm erklären wird, was seine Position zu dem Thema ist. Obwohl er es selbst wohl schon verstanden hat.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Auch zum Thema Energieversorgung und zu den Versuchen der USA, ihr teures und umweltschädlich gefördertes Fracking-Gas nach Europa zu verkaufen, hat Putin viel interessantes gesagt, was man nie in den deutschen Medien gelesen hat.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“