Vera Lengsfeld: Die öster­rei­chische Regierung wird von Deutschland aus abge­setzt – Woran erinnert das?

In Deutschland trage der Euro­pa­wahl­kampf hys­te­rische Züge, war neulich in der BZ von Gunnar Schu­pelius zu lesen. Statt über die euro­päi­schen Pro­bleme zu dis­ku­tieren, würden die Wähler unter Druck gesetzt. Die Aufrufe, „richtig“ zu wählen, also keinen EU-kri­ti­schen Par­teien die Stimme zu geben, sind inzwi­schen nicht mehr zu über­blicken. Was die „rich­tigen“ Par­teien wollen, das ver­raten sie auf ihren Pla­katen und in ihren Äuße­rungen nicht. Dort findet man Leer­formeln wie „Kommt zusammen“ oder „Europa ist die beste Idee, die Europa je hatte“ oder Beschwö­rungen, den „Popu­listen und Hetzern bei dieser Wahl die rote Karte“ zu zeigen.

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Hinter diesem Gedöns ent­deckt man ein Bild, das der „natio­nalen Front“ der DDR erschre­ckend ähnelt. Die eta­blierten Par­teien haben über­ein­stim­mende Pro­gramme, die nur in Details von­ein­ander abweichen. Sie wollen alle die Zen­tral­re­gierung in Brüssel stärken, offene Grenzen und das Blei­be­recht für alle Migranten, auch für alle ille­galen Ein­wan­derer. Das kann nur gegen den Willen der Mehrheit der Europäer, ein­schließlich der Deut­schen, geschehen.
Diese Ziele stehen somit im dia­me­tralen Wider­spruch zu dem, was Heinrich August Winkler den Leitsatz der Grün­dungsakte des Westens nennt: Den „consent of the governed“, der unaus­ge­sprochnen Über­ein­kunft der Regierten mit den Regie­renden. Kein Gerin­gerer als Thomas Jef­ferson hat dieses wech­sel­seitige Ein­ver­ständnis in der Prä­ambel der ame­ri­ka­ni­schen Unab­hän­gig­keits­er­klärung von 1776 für grund­legend für eine funk­tio­nie­rende Demo­kratie erklärt.
Spä­testens seit dem Sommer 2015 gibt es, nicht nur aus Winklers Sicht, diese Über­ein­stimmung der Regierten mit den Regie­renden nicht mehr. Oder genauer: Seit der Ent­scheidung von Kanz­lerin Merkel, unkon­trol­lierte Mas­sen­ein­wan­derung nach Deutschland und damit nach Europa zuzu­lassen, ist die Kluft zwi­schen Regie­renden und Regierten nicht mehr zu über­sehen. In einer Demo­kratie sind Gesetz­geber und Regie­rungen auf die Zustimmung der Bevöl­kerung ange­wiesen. Wenn die Zustimmung ver­weigert wird, müssen sie ent­weder ihre Politik ändern, um die Über­ein­kunft wieder her­zu­stellen, oder sie müssen zu dik­ta­to­ri­schen Mitteln greifen, um gegen den Willen der Regierten zu agieren.
Der Euro­pa­wahl­kampf zeigt, dass sich die glü­henden Europäer, wie sich die Anhänger eines euro­päi­schen Zen­tral­staates gern bezeichnen, den Weg des Durch­peit­schens ihrer Politik gewählt haben.
Unge­achtet seiner Geschichte, dass es Deutschland immer zum Ver­hängnis  wurde, wenn es an seinem Wesen die Welt genesen lassen wollte, drängeln sich die deut­schen Eliten wieder danach, ton­an­gebend zu sein und den anderen vor­zu­schreiben, wo es lang zu gehen hat. Dabei begnügen sie sich nicht mehr, nur „Vorbild“ sein zu wollen, sondern anderen Ländern soll gezeigt werden, was sie zu tun haben. Nun ist aus Deutschland heraus eine öster­rei­chische Regierung gestürzt worden. Den staats­nahen Medien scheint die ver­häng­nis­volle Par­allele aber nicht auf­zu­fallen – oder sie wird ver­drängt, weil man eben nicht wäh­le­risch mit den Methoden sein kann, um das ver­meintlich Gute zu befördern. Wie sagte doch der ruchlose Chef des berüch­tigten „Zen­trums für poli­tische Schönheit“? „Gegen Nazis wenden wir nur Nazi­me­thoden an.“ Damit hat er auf den Punkt gebracht, warum der natio­nal­so­zia­lis­tische Ungeist in seiner Truppe so erschre­ckend vital ist. In den­je­nigen, die Nazi­me­thoden prak­ti­zieren, lebt der Nazi­geist weiter.
Nun waren es die Öster­reicher, die mit tota­li­tären Mitteln zu Fall gebracht wurden. Das bun­des­deutsche Estab­lishment schwelgt in gar nicht so klamm­heim­licher Freude. Es hat sichtbar kein Problem damit, dass deutsche poli­tische Säu­berer sich in die inneren Ange­le­gen­heiten eines anderen Landes ein­ge­mischt haben – mit Mitteln, die in Deutschland strafbar sind, wie der Ex-BND-Chef August Hanning und der Ex-Ver­fas­sungs­schutz­prä­sident Hans-Georg Maaßen klar gemacht haben. Hanning sprach in einem ntv-Interview von Nach­rich­ten­dienst­me­thoden, die hier zur Anwendung gebracht wurden. Was es bedeutet, dass die Regierung eines Landes nicht mehr von den eigenen Wählern abge­wählt, sondern von fremden, gesichts­losen Mächten, von denen man nur weiß, dass sie deutsch sind, zu Fall gebracht wird, darüber kann man nicht nach­denken, ohne zu frösteln.
Es mag Leute geben, die sich damit beru­higen wollen, dass es mit Heinz-Christian Strache keinen Fal­schen getroffen hat. Das ist richtig, was den Mann betrifft, aber leider Vogel-Strauß-Politik. Als Nächsten wird es Sebastian Kurz treffen. Es kur­sieren jetzt schon im Internet Bonmots wie: „Jetzt muss Kurz kürzer gemacht werden“. Der öster­rei­chische Bun­des­kanzler steht auf der Abschuss­liste der Linken, seit seiner Initiative, die soge­nannte Balkan-Route zu schließen und damit die unkon­trol­lierte Mas­sen­ein­wan­derung abzu­bremsen. Als er vor achtzehn Monaten nach der Wahl seinen Auftrag ernst nahm und zügig eine Regierung ent­spre­chend des Wäh­ler­willens bildete, statt einen eben­solchen uner­träg­lichen Eiertanz auf­zu­führen, wie er zeit­gleich in Deutschland stattfand, der nur dem Erhalt und der Zemen­tierung von mög­lichst viel Macht diente, wurde der Wunsch, den poli­ti­schen Jungstar los­zu­werden, noch drin­gender. Gänzlich zur Hass­figur der Linken wurde Kurz als sich her­aus­stellte, dass seine Regierung populär war und Reformen durch­führte, die mit seinem vor­he­rigen Koali­ti­ons­partner unmöglich waren. Für viele Europäer war die öster­rei­chische Regierung ein Hoff­nungs­schimmer. Dieses Modell musste offen­sichtlich aus Sicht der Euro­kraten weg, egal wie.
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Aller­dings hat Sebastian Kurz zum Erfolg seiner Feinde bei­getragen. Statt nach dem schnellen Rück­tritt von Strache und seinem Frak­ti­ons­vor­sit­zenden Johann Gudenus viel­leicht noch den Rück­tritt des FPÖ-Innen­mi­nisters zu ver­langen, aber an der Koalition fest­zu­halten, hat er sich jagen lassen.
Wenn er mit der Begründung, dass er sich nicht aus Deutschland heraus mit straf­baren Methoden seine Regierung zer­legen lasse, an der Koalition fest­ge­halten hätte, wäre der Macht­kampf zu seinen Gunsten aus­ge­gangen. Er hätte so seine poli­tische Zukunft retten können, die jetzt in den Sternen steht.
Mit der FPÖ ist so viel Por­zellan zer­schlagen, dass eine Wie­der­auflage der Koalition fast unmöglich ist. Ebenso undenkbar erscheint, dass es eine Koalition mit links-grün unter seiner Kanz­ler­schaft geben könnte. Die werden seinen Kopf als Preis für die Koalition fordern.
Das Hoff­nungs­modell Öster­reich ist zer­schlagen. Wie stark sich das auf die Europa-Wahl aus­wirkt, wird man abwarten müssen. Eigentlich sollte den Wählern klar geworden sein, auf welch abschüs­sigem Pfad zum Gesin­nungs­to­ta­li­ta­rismus sich die glü­henden Europäer befinden. Was mit Öster­reich gemacht wurde, ist nur der momentane Tief­punkt des poli­ti­schen Verfalls.
Unbot­mäßige Regie­rungen werden mit dubiosen Methoden abge­setzt. Die Ver­tei­diger staat­licher Sou­ve­rä­nität werden gebrand­markt. Die Ent­machtung natio­naler Par­la­mente wird zur Stärkung der Demo­kratie erklärt. Die eta­blierten Par­teien, deren Aufgabe es ist, den Wählern ent­schei­dungs­fähige poli­tische Alter­na­tiven vor­zu­legen, haben sich von dieser Aufgabe ver­ab­schiedet. Sie stellen bloße Wort­hülsen zur Wahl und betreiben damit eine Ent­kernung der Demo­kratie und ver­bergen ihre Wäh­ler­ver­achtung kaum noch. Sie demons­trieren, dass in Europa nicht mehr der Sou­verän bestimmt, sondern ein gesichts- und ver­ant­wor­tungs­loses Kon­glo­merat aus Politik, Medien, NGOs, die Ver­ei­ni­gungen wie das Zentrum für poli­tische Säu­be­rungen und die Antifa die Drecks­arbeit machen lassen.
Jeder, der am Sonntag zur Wahl geht, sollte sich das klar machen.

Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de