Zum Strache-Video gibt es einige neue und sehr interessante Informationen, die ich hier einmal zusammentragen werde.
Vorweg sei gesagt, dass es sich bei den Informationen um nicht unabhängig überprüfbare Informationen handelt und dass sie fast alle von der österreichischen Kronenzeitung kommen. Diese Zeitung wurde in dem Video erwähnt und ist nicht als FPÖ-freundlich bekannt. Trotzdem denke ich, dass sie im großen und ganzen einigermaßen verlässlich sind, sie fügen sich gut in das bekannte Bild. Allerdings bleibt immer noch offen, wer das Video angefertigt hat und mit welchem Ziel. Dazu aber nun alles im Detail.
Zunächst sei noch einmal darauf hingewiesen, dass in Verbindung mit dem Video weder Strache noch Gudenus Straftaten oder illegale Handlungen vorgeworfen werden. Die österreichische Staatsanwaltschaft hat kein Verfahren eröffnet, da es keinen Anfangsverdacht gibt. Auch die nicht veröffentlichten Teile des Videos scheinen juristisch OK zu sein. Veröffentlicht wurden nur zwei Minuten, aber das Gespräch soll sechs oder sieben Stunden gedauert haben, also zwischen 360 und 420 Minuten. Es ist vielsagend, dass dabei nicht mehr „Belastendes“ herausgekommen ist, als die zwei Minuten veröffentlichtes Material.
Dass auch der Rest des Videos nichts Strafbares enthält, sagte laut Kronenzeitung ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung, der das ganze Video gesehen hat:
„Es seien ‘viele entlarvende, manchmal eklige und etliche fast mitleiderregende Sequenzen. Die meisten davon sind rein privater Natur’, so Kister laut mehreren Medienberichten.“
Das lässt Raum für Spekulationen, denn es geistern Gerüchte über Drogenkonsum und sogar Sex-Szenen durch das Internet und solche Formulierungen geben diesen Gerüchten Nahrung, obwohl das Video kaum jemand gesehen hat, inklusive derer, die diese Gerüchte verbreiten.
Jedenfalls wurde das Treffen auf Ibiza von langer Hand eingefädelt. Der Privatdetektiv und die angebliche Oligarchen-Nichte trafen Gudenus zusammen mit einem Anwalt. Es ging vorgeblich um den Kauf eines Grundstücks, dass Gudenus geerbt hatte. Der Anwalt stellte das Vertrauen her, indem er den Pass der „Oligarchen-Nichte“ zeigte, und außerdem sei schon Geld auf einem Treuhandkonto, sogar Kontoauszüge wurden gezeigt.
Es heißt, der Privatdetektiv, der auch in Betriebsspionage verwickelt sein soll, und ein Anwalt aus Wien hätten die Sache ausbaldovert und eingefädelt. Der Privatdetektiv hatte angeblich finanzielle Schwierigkeiten, und das Video sollte für viel Geld verkauft werden. Beide sind nicht zu erreichen und lassen sich durch verschiedene Anwälte vertreten.
Der involvierte Anwalt hat durch seinen Anwalt mitteilen lassen, er sei in die Sache verwickelt. Er bestreitet aber, mit dem Einsatz versteckter Kameras und anderer Abhörtechnik gegen Gesetze verstoßen zu haben, denn so etwas ist grundsätzlich illegal. Er meint, „zur Aufdeckung von Missständen“ sei es aber zulässig. Das wird sicher später ein Gericht entscheiden, denn es ist zu erwarten, dass sowohl Strache und Gudenus den Mann verklagen werden, außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Abhöraktion.
Die Kronenzeitung berichtet, dass neben dem Anwalt und dem Privatdetektiv noch zwei weitere „Sicherheitsexperten“ an der Planung beteiltigt gewesen sein sollen. Da nicht wenige hinter dem Video Geheimdienste vermuten, ist die Frage, wer diese Sicherheitsexperten sind. Darüber ist aber noch nichts bekannt.
Jedenfalls soll der Anwalt von einem Leibwächter Straches Details über Strache erfahren haben. Mit diesem Wissen wurde der Plan entwickelt, sich das Vertrauen von Gudenus zu erschleichen und dann „zufällig“ auf Ibiza zu sein, während auch Gudenus und Strache dort Urlaub machten und dort genauso „zufällig“ dann ein Treffen zu arrangieren. So konnte man Straches Misstrauen zerstreuen, sein Freund Gudenus hatte ja Kontoauszüge gesehen, die „Oligarchen-Nichte“ war also „echt und vertrauenswürdig“.
Zunächst wurde dafür eine passende „Oligarchen-Nichte“ gesucht, es soll ein regelrechtes Casting gegeben haben, um eine Frau zu finden, die Straches Geschmack entspricht. Der Kronenzeitung zufolge war diese Unbekannte eine bosnische Studentin der Agrarwissenschaften, die auch noch Russisch spricht. Mit ihrem Fachwissen wurde sie für Gudenus noch glaubhafter als Käuferin des Waldgrundstücks und konnte mit ihm fachsimpeln und die „richtigen“ fachkundigen Fragen zu dem Grundstück stellen. Alles sehr glaubhaft und gut eingefädelt.
Ich habe die Dame auf dem Video Russisch sprechen gehört, für mich klang es akzentfrei, ich bezweifle daher, dass es eine Frau aus Bosnien ist, aber ausgeschlossen ist es natürlich nicht. Vielleicht hat sie zum Beispiel einen russischen Elternteil. Sie soll für ihre „Mühe“ bis zu 7.000 Euro am Tag bekommen haben.
Es gibt verschiedene Meinungen, was das Ganze gekostet hat. Ich habe einen Experten zitiert, der von bis zu einer Million gesprochen hat, die Kronenzeitung zitiert einen anderen Experten, der knapp 400.000 Euro schätzt. Wie auch immer, es war kein billiger Spaß. Das Motiv soll gewesen sein, das Video für 1,5 bis zwei Millionen zu verkaufen, jedoch fand sich zu dem Preis angeblich kein Käufer.
Am Ende wurde es demnach für 600.000 in Krügerrand-Goldmünzen an einen deutschen Verein verkauft.
Die Kronenzeitung zitiert ein Interview mit dem „Aufdecker“ Professor Gert Schmidt, von dem viele der oben genannten Informationen stammen. Er gab an, dass Geheimdienste schon lange von dem Video wussten, spätestens seit den gescheiterten Versuchen, einen Käufer zu finden. Auch den Streit um den österreichischen Innenminister Kickl sieht er nun in einem anderen Licht, denn Kickl hat direkt nach seiner Amtseinführung eine Razzia beim polizeilichen Nachrichtendienst BVT durchführen lassen. Laut Schmidt steht nun die Vermutung im Raum, dass Kickl glaubte, das Video sei bei dem Geheimdienst und er es sicherstellen wollte. Außerdem sieht der Experte Hinweise, dass zumindest die Existenz des Videos anderen Geheimdiensten, den BND nennt er ausdrücklich, schon lange bekannt war.
Wenn man dieser Linie der Kronenzeitung folgt, dann sind zumindest Insidern schon viele Informationen bekannt, inklusive der Identität der Verschwörer und des Lockvogels.
Aber es bleiben offene Fragen. War die „Operation Strache“ wirklich eine private Idee von ein paar Verschwörern oder steckte doch ein Geheimdienst dahinter? Licht ins Dunkel könnte die Identität der beiden „Sicherheitsexperten“ bringen. Außerdem bleibt die Frage offen, welcher deutsche Verein das Video aus welchem Grund gekauft hat. Und die Rolle der Geheimdienste bleibt rätselhaft, denn selbst wenn sie mit dem Video zunächst nichts zu tun hatten, spätestens die Versuche es zu verkaufen, müssen sie bemerkt haben, denn es wurde unter anderem „Parteikreisen und einem Konzern“ zum Kauf angeboten. Das geht nicht unbemerkt an Geheimdiensten vorbei. Die Motive der Geheimdienste bleiben im Dunkel und lassen ebenfalls reichlich Raum für mehr oder weniger wilde Spekulationen.
Aber nochmal zurück zu dem geheimnisvollen deutschen Verein. Der obskure Verein „Zentrum für politische Schönheit“ hat mit dem Video zu tun gehabt. Der Verein setzte über das Twitter-Konto Kurzschluss14 kurz vor der Veröffentlichung einen Tweet ab, wie Frontal21 berichtet:
„Wohl als Erste verbreiteten die Aktivisten den Tweet, in dem über weiteres Material spekuliert wurde. Abgesetzt worden war er über ein Konto mit dem Namen „kurzschluss14″. Technische Daten belegen, dass dieses genau 14 Minuten vor der Veröffentlichung der Artikel erstellt worden war. Wer auch immer dahinter steckte, schien also vorab von dem Video gewusst zu haben.“
Und es stimmt, der Tweet ist noch bei Twitter zu sehen.
Kurzschluss14 hatte also definitiv Insiderwissen und kannte das Video, denn am nächsten Tag hatte der Kanal noch einen Tweet abgesetzt und einen von Spiegel und Süddeutscher Zeitung nicht veröffentlichten Ausschnitt getweetet. Der ist zwar nichtssagend, aber enthält eine Botschaft: „Wir haben das Video auch!“ Darüber, an wen diese Botschaft gerichtet ist, kann man nur spekulieren.
Offensichtlich wurde der Twitter-Account nur für diese Aktion eingerichtet, denn es gibt nur drei Tweets dort, alle sind vom 17. und 18 Mai und alle haben mit dem Strache-Video zu tun. Das „Zentrum für politische Schönheit“ äußert sich offiziell nicht dazu, aber Frontal21 behauptet, eine ihnen namentlich bekannte Quelle würde bestätigen, dass das“ Zentrum“ das Video zumindest hatte. Der Verein habe dafür kein Geld bezahlt, es sei ihm einfach nur zugespielt worden.
Damit ist es möglich, dass das „Zentrum für politische Schönheit“ dieses Video dann dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung weitergeleitet hat. Aber sicher ist das nicht. Es ist auch nicht sicher, ob das „Zentrum“ doch Geld bezahlt hat und was es mit dem Video zu tun hat. Rechenschaftsberichte des Vereins sind auf deren Seite übrigens nicht zu finden, die Finanzierung des Vereins ist völlig im Dunkeln.
War es also das „Zentrum“, das das Video gekauft hat oder war es ein anderer Verein, der es dann dem Zentrum zugespielt hat? Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung gleich zu Beginn der Affäre mit Nachdruck darauf hingewiesen haben, es sei von Seiten der Medien kein Geld geflossen.
Es wird wohl noch Zeit brauchen, bis die Sache aufgeklärt ist, wenn sie denn jemals ganz aufgeklärt wird. Fakt ist aber, dass jemand mit viel Geld ein Interesse daran gehabt hat, das Video zum richtigen Zeitpunkt in die Medien zu bringen, damit es die FPÖ unmittelbar vor der Wahl schwächt. Vielleicht ging es dem Finanzier sogar um die gesamte österreichische Regierung, denn auch Kanzler Kurz wird nach der Wahl einen schweren Stand haben, wenn er einen Koalitionspartner sucht. Die Motive sind weiterhin unklar.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“