Gesetz­entwurf in der Ukraine: Kiew plant Ent­eig­nungen in den Bürgerkriegsgebieten

In Kiew wurde ein Geset­zes­entwurf ins Par­lament ein­ge­bracht, der jeden Ein­wohner der Bür­ger­kriegs­ge­biete ent­eignen soll, der einen rus­si­schen Pass besitzt.
Am 24. April hat Russland ange­kündigt, an alle Bewohner der ukrai­ni­schen Bür­ger­kriegs­ge­biete rus­sische Pässe aus­zu­geben, die das wün­schen. Das erzeugte harsche Kritik aus dem Westen und vor allem aus Kiew. Über die Hin­ter­gründe wurde in Deutschland jedoch nicht berichtet, im Gegenteil haben die Medien dazu sogar massiv gelogen. Ich habe über die Hin­ter­gründe damals einen aus­führ­lichen Artikel geschrieben, den Sie hier finden.
Um nicht alles zu wie­der­holen, hier nur eine Zusam­men­fassung in aller Kürze. In der Ukraine werden die Min­der­heiten massiv dis­kri­mi­niert, sei es durch das Spra­chen­gesetz, das sogar Berufs­verbote vor­sieht, sei es durch andere Schi­kanen. Daher stellen Ungarn, Polen und Rumänien ihren Min­der­heiten im Westen der Ukraine schon lange Pässe aus, was Kiew zwar sehr ärgert, dem Westen aber egal ist. Erst als Russland das Gleiche tat, war der Auf­schrei groß.
Dabei muss man ver­stehen, dass es im Osten der Ukraine nicht nur um die Sprache geht, da herrscht auch noch Krieg und vor allem ver­weigert Kiew den Men­schen in den Bür­ger­kriegs­ge­bieten die Aus­stellung von Papieren. Wenn also ein Ausweis abläuft, bekommen die Men­schen keinen neuen mehr. In einem Land, in dem man nicht einmal eine Zug­fahr­karte ohne Ausweis kaufen kann, bedeutet das eine totale Ent­rechtung der Menschen.
Nur darauf hat Russland reagiert und den Men­schen zumindest ihre ele­men­tarsten Rechte zurück­ge­geben, die Kiew ihnen ver­weigert. Russland, das eigentlich grund­sätzlich keine dop­pelte Staats­bür­ger­schaft zulässt, hat extra für diese Men­schen dort eine Aus­nahme gemacht und erlaubt ihnen aus­drücklich, die ukrai­nische Staats­bür­ger­schaft zu behalten, damit sie in der Ukraine keine Pro­bleme bekommen. Ähn­liche Aus­nah­me­re­ge­lungen hat Russland übrigens sei­nerzeit auch für die Bewohner der Krim geschaffen.
Man müsste den Schritt Russ­lands also eigentlich als huma­nitäre Maß­nahme begrüßen und Kiew fragen, wie es denn die Sym­pa­thien der Men­schen in den Bür­ger­kriegs­ge­bieten wieder gewinnen will, wenn es sie gleich­zeitig dis­kri­mi­niert und schi­ka­niert, wo es nur geht.
Aber Kiew geht den Weg der Schikane unbeirrt weiter. Jetzt wurde ein Gesetz in die Rada ein­ge­bracht, dass vor­sieht, jeden Men­schen in den Bür­ger­kriegs­ge­bieten zu ent­eignen, der die rus­sische Staats­bür­ger­schaft annimmt. Das bedeutet, die Men­schen würden allen Besitz ver­lieren, wenn sie wieder unter Kiews Herr­schaft kommen: Ihre Woh­nungen, Autos, alles. Wie sollen diese Men­schen aber unter solchen Umständen bereit sein, sich Kiew wieder unter­zu­ordnen? Zuerst stellt Kiew sie rechtlos und zwingt sie zur Annahme rus­si­scher Pässe, wenn sie amt­liche Papiere besitzen möchten, um auch nur eine Zug­fahrt zu buchen, und dann ent­eignet Kiew kur­zerhand die Men­schen, die diese ein­fachen Rechte wieder ausüben möchten.
Das beim Par­lament ein­ge­reichte Gesetz trägt den Titel „Geset­zes­vorlage über die Änderung bestimmter Gesetzte der Ukraine bezüglich der Ent­eignung von Pri­vat­per­sonen, Bürgern der Ukraine, die frei­willig die rus­sische Staats­bür­ger­schaft ange­nommen haben und auf dem Gebiet der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk leben.“ Das sagt schon alles aus, auch wenn der genaue Text des Doku­mentes noch nicht ver­öf­fent­licht worden ist.
Bleibt noch, darauf hin­zu­weisen, dass in der EU kein kri­ti­sches Wort zu dem Vorgang gefallen ist, obwohl der neue Prä­sident Selensky gestern in Brüssel war und man das Thema hätte ansprechen können.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“