Drei Monate noch bis zur Landtagswahl in Brandenburg, das seit Bestehen des Bundeslandes immer fest in SPD-Hand war. 1994 holte diese dort über 54 Prozent und konnte bis 1999 sogar alleine regieren. Bei der letzten Landtagswahl waren es immerhin noch knapp 32 Prozent, womit sie fast 20 Punkte vor der AfD lag. Doch nun hat INSA eine aktuelle Umfrage veröffentlicht, die schlimmer kaum sein könnte für die Sozis. Derzeit fielen sie nicht nur weit unter 30, sondern sogar erstmalig überhaupt unter 20 Prozent und lägen damit selbst in ihrer Hochburg bereits hinter der AfD. Dabei dürfte insbesondere auch diese Wahl mit dem derzeitigen SPD-Führungsstreit zusammenhängen. Lesen Sie hier inwiefern.
Bisher eine absolute SPD-Hochburg
Brandenburg ist das Bundesland um Berlin herum. Hauptstadt ist Potsdam, weitere große Zentren sind Cottbus, Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder). Das auf die Bevölkerung bezogene zehntgrößte Bundesland hat ca. 2,5 Millionen Einwohner und wird seit 2009 von Rot-Dunkelrot regiert, seit 2013 unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD). Seine Vorgänger waren Matthias Platzeck (SPD, 2002–2013) und davor Manfred Stolpe (SPD, 1990–2002), unter dem die Sozis 1994 auf sagenhafte 54,1 Prozent kamen.
Platzeck koalierte zunächst mit der CDU, dann ab 2009 mit der Linkspartei (SED, PDS, Linkspartei, Die Linke). An diese Koalition knüpfte sein Nachfolger Woidke an. Am 1. September 2019, also in drei Monaten, kommt es in Brandenburg wieder zu Landtagswahlen, und da wird sich einiges verändern, dies kann schon jetzt konstatiert werden.
Die letzten brandenburgischen Landtagswahlen fanden im September 2014 statt. Dabei kamen die Parteien auf folgende Ergebnisse:
- SPD: 31,9 %
- CDU: 23,0 %
- LINKE: 18,6 %
- AfD: 12,2 %
- GRÜNE: 6,2 %
- FDP: 1,5 %
- Sonstige: 6,6 %
SPD und Die Linke kamen zusammen auf 50,5 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen, was klar für eine Mehrheit reichte, da über 8 Prozent der Stimmen (Sonstige und FDP) im Landtag nicht abgebildet waren. 2009 war Rot-Dunkelrot sogar auf über 60 Prozent der Stimmen gekommen. Doch das Bild hat sich in den letzten Jahren komplett gewandelt.
So würden die Brandenburger derzeit wählen
SPD und Die Linke (SED) kämen nach der aktuellen Umfrage von INSA (1.011 im Zeitraum 13.05. bis 28.05. telefonisch und per Online-Panel im Auftrag der BILD Befragte) gerade noch auf ca. 37 Prozent. Die Mehrheit für die aktuelle Regierung ist damit nicht nur weg, sie ist meilenweit entfernt! Nochmals zur Erinnerung: Vor knapp zehn Jahren hatte rot-dunkelrot noch über 60 Prozent (60,2).
Lag die SPD 2014 noch fast 20 Prozentpunkte (19,7) vor der AfD, so liegt die AfD nach heutigem Stand bereits vor der amtierenden Regierungspartei, die den Ministerpräsidenten stellt. AfD und CDU lägen, wenn jetzt schon Landtagswahlen wären, nahezu gleichauf auf Platz 1 mit jeweils ca. 20 Prozent vor der SPD mit gerade noch 19 (in Klammern die Veränderungen zur Landtagswahl 2014):
- AfD: 20 % (+ 7,8)
- CDU: 20 % (– 3,0)
- SPD: 19 % (– 12,9)
- LINKE: 18 % (– 0,6)
- GRÜNE: 12 % (+ 5,8)
- FDP: 5 % (+ 3,5)
- Sonstige: 6 % (– 0,6)
Was, wenn die SPD auch Brandenburg verliert?
Bei so einem Ergebnis würde es für Rot-Dunkelrot für eine Mehrheit im Landtag nur reichen, wenn sie noch die Grünen dazu nähmen. Rot-Dunkelrot-Grün käme laut INSA derzeit zusammen auf ca. 49 Prozent (deutlich weniger als die SPD 1994 alleine). Sofern die FDP die Fünf-Prozent-Hürde nehmen wird, bräuchte es wegen der ca. 6 Prozent für sonstige Kleinparteien rund 47 Prozent für eine Mehrheit der Sitze im Landtag.
Sollten es die AfD, die CDU und die FDP in den nächsten drei Monaten gemeinsam schaffen, noch mehr Stimmen von SPD, Linkspartei und Grünen abzuziehen, wird es unter Umständen nicht einmal für Rot-Dunkelrot-Grün für eine Mehrheit reichen. Zwei oder drei Punkte könnten hier schon ausreichen und die SPD würde dann womöglich erstmalig in der Geschichte des Bundeslandes nicht mehr den brandenburgischen Ministerpräsidenten stellen können. Eine absolute SPD-Hochburg ginge dann verloren.
Lass diese Pleiten ruhig mal noch Nahles einfahren
Und nun verstehen Sie vielleicht auch, warum Andrea Nahles, die Noch-Fraktions- und Parteivorsitzende, jetzt sofort eine Neuwahl als Fraktionsvorsitzende wollte und nicht erst Ende des Jahres, nach der Brandenburg- und Sachsenwahl am 01.09. Wenn die SPD dort weitere Pleiten einfährt, wird Nahles noch mehr geschwächt sein als jetzt nach der desaströsen EU-Wahl, bei der sie von 27,3 auf 15,8 Prozent stürzte. Martin Schulz dagegen und auch Kevin Kühnert, die Nahles wohl gerne stürzen würden, haben aber wenig Interesse daran, jetzt schon einen neuen Fraktions- und Parteivorsitzenden zu wählen. Weshalb?
Nun, der würde ja höchstwahrscheinlich sofort mit bis zu drei Pleiten in sein Amt starten: auf jeden Fall in Brandenburg, womöglich auch in Sachsen, ebenfalls am 01.09.2019 und in Thüringen im Oktober. Diese Niederlagen wollen die beiden – und vielleicht auch andere – noch Nahles zukommen lassen. Dies sollen deren letzte Niederlagen sein und nicht die ersten des neuen Vorsitzenden.
Jürgen Fritz — Erstveröffentlichung auf dem Blog des Autors www.juergenfritz.com