Unbe­achtet von den deut­schen Medien: Im Kosovo drohen bewaffnete Unruhen

Im Kosovo spitzt sich die Lage völlig unbe­achtet von den deut­schen Medien zu. Derzeit läuft auf von Serben bewohntem Gebiet im Kosovo eine Spe­zi­al­ope­ration koso­va­ri­scher Ein­heiten, und Serbien hat seine Armee in höchste Alarm­be­reit­schaft versetzt.
Spe­zi­al­truppen des Kosovo sind in den ser­bisch bewohnten Teil von Mit­rovica ein­ge­drungen und führen dort Razzien und Ver­haf­tungen durch. Die Bevöl­kerung hat mit dem Bau von Bar­ri­kaden reagiert, und es sollen Schüsse zu hören sein. YouTube-Videos aus Mit­rovica von heute zeigen bewaffnete Poli­zisten, Pan­zer­wagen und es sind Sirenen zu hören. Als Reaktion hat Serbien am frühen Morgen seine Armee in volle Alarm­be­reit­schaft versetzt.

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Heute morgen sagte der ser­bische Prä­sident Vucic im Radio, dass Serbien zwar ruhig reagieren werde, aber dass es sein Volk schützen werde. Nach seinen Angaben will die koso­va­rische Regierung 26 ser­bische Poli­zisten und 15 Zivi­listen ver­haften, der Vorwand seien Kor­rup­ti­ons­vor­würfe, in Wirk­lichkeit gehe es aber darum, den Serben in diesem Teil des Kosovo ihre Polizei und damit ihren Schutz vor Willkür durch Koso­varen zu nehmen. Später am gleichen Tag meldete Vucic vor dem ser­bi­schen Par­lament die Fest­nahme von 28 Serben durch koso­va­rische Ein­heiten, davon 19 Poli­zisten und 9 Zivilisten.
Auch ein rus­si­scher Mit­ar­beiter der UN-Mission im Kosovo wurde vor­über­gehend fest­ge­nommen, aber einige Stunden später wieder freigelassen.
Die Nato, die im Kosovo seit 20 Jahren Demo­kratie und Wohl­stand bringt, hat dazu mit­ge­teilt, dass es sich um eine poli­zei­liche Ope­ration der koso­va­ri­schen Behörden handle, und dass die Nato nicht ein­greifen werde, solange sie nicht zur Hilfe gerufen werde.
Der ser­bische Prä­sident wurde später mit den Worten zitiert:
„Wir ver­tei­digen den Frieden um fast jeden Preis.“
Bei diesen Worten habe ich mich sofort an die Worte des ser­bi­schen Ver­tei­di­gungs­mi­nisters erinnert, dessen Rede ich auf der Mos­kauer Sicher­heits­kon­ferenz gehört habe. Er benutzte ähn­liche Worte:
„Für den Frieden geben wir viel, für unsere Freiheit aber geben wir alles!“
Man kann also davon aus­gehen, dass dies die offi­zi­eller Linie Ser­biens ist und dass Serbien tat­sächlich eine Rote Linie hat. Vor diesem Hin­ter­grund muss man abwarten, wie weit der Kosovo gehen wird, den Serbien ja immer noch als abtrünnige Provinz ansieht und nicht als selb­stän­digen Staat. Wenn die Nato einen bewaff­neten Kon­flikt ver­hindern will, wird sie wohl auf die koso­va­rische Regierung ein­wirken müssen, damit die Lage nicht eska­liert, denn es gab in diesen Tagen auch Erklä­rungen aus dem Kosovo, dass man sich Albanien anschließen und ein Groß­al­banien schaffen wolle.
Groß­al­banien ist ein Gebilde, dass die alba­ni­schen Natio­na­listen fordern. Es geht um alle mehr oder weniger stark von Albanern bewohnten Gebiete in der Region, also den Kosovo, Teile Grie­chen­lands und Ser­biens und die Hälfte von Maze­donien. Hier kann also „aus dem Nichts“ ein neuer Kon­flikt ent­stehen, in den nicht nur Serbien, sondern auch andere Länder der Region hin­ein­ge­zogen werden.
Die Serben in Mit­rovica haben für morgen zu großen Pro­testen gegen das Vor­gehen der koso­va­ri­schen Regierung aufgerufen.
Auch wenn die Nato sicherlich gerne Serbien wegen seiner noch immer pro-rus­si­schen Position dis­zi­pli­nieren will, kann ihr an einem neuen Flä­chen­brand auf dem Balkan nicht gelegen sein. Hoffe ich jedenfalls.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“