Bun­des­tags­ab­ge­ord­neter bezeichnet Mit­bürger als „Unter­mensch“

Der Aus­druck „Unter­mensch“ ist ein solcher aus dem Voka­bular der Natio­nal­so­zia­listen. In der NS-Ideo­logie galten die „Arier“, besonders die ger­ma­ni­schen Völker, als „Her­ren­rasse“, sprich als den übrigen über­legen. Auf Twitter hat nun ein CDU-Bun­des­tags­ab­ge­ord­neter einen Mit­bürger mit diesem Aus­druck belegt. Eine ein­malige Ent­gleisung oder lässt das womöglich tief blicken, wie es in nicht wenigen Poli­tikern der Alt­par­teien aus­sieht? Taucht hier gar ein furcht­bares Muster in neuem Gewand wieder auf?
CDU-Abge­ord­neter nennt Mit­bürger „Unter­mensch“
Auf Twitter schrieb Prof. Dr. Mattias Zimmer (CDU) am 04.06.2016 wörtlich:
»der unter­mensch hat gesprochen. ver­schonen sie mich mit ihrem unflat.«
Hier der Screenshot seines Postings:
Untermensch
Ich bin vor­gestern auf dieses Posting auf­merksam geworden, nachdem es jemand zitiert hatte, und war doch eini­ger­maßen ent­setzt über diese Wortwahl, habe Mat­thias Zimmer dar­aufhin sofort auf Twitter und heute morgen zusätzlich auch über seine Homepage (https://www.matthias-zimmer.de) ange­schrieben, da ich nach zwei Tagen noch immer keine Antwort von ihm erhalten habe. Ich wollte von ihm wissen, wie es dazu kam, dass er zu solch einer Aus­drucks­weise greifen konnte, um Mit­men­schen derart zu bezeichnen.
“Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Mat­thias Zimmer, wen bezeichnen Sie hier (https://twitter.com/matthiaszimmer/status/739044633112502272 …) als „Unter­men­schen“ und worauf bezieht sich diese Titu­lierung? Was ging dem voraus?
MfG, Jürgen Fritz, JFB-Betreiber, http://juergenfritz.com
Hier meine Twitter-Anfrage vom 04.07.2019:
Twitter-Anschreiben
Sobald eine Antwort von Herrn Zimmer eingeht, werde ich diese hier selbst­ver­ständlich nachreichen.
Zum Aus­druck „Unter­mensch“
Der Begriff „Unter­mensch“ ist, wie ein­gangs bereits erwähnt, ein solcher aus dem Voka­bular der Natio­nal­so­zia­listen. Ins­be­sondere Juden galten den Natio­nal­so­zia­listen als min­der­wertige Men­schen, die mit solchen Aus­drücken belegt wurden. In  seinem Buch Mein Kampf bezeichnete Adolf Hitler sie bereits Mitte der 1920er Jahre als „Volks­ver­derber“ und „Reichs­feinde“. Schon kurz nachdem die Nazis 1933 an die Macht gekommen waren, begannen sie Juden zu drang­sa­lieren und zu ver­folgen. In den Nürn­berger Ras­sen­ge­setzen von 1935 wurden ihnen dann auch förmlich Rechte aberkannt und sie wurden rechtlich auf eine niedere Stufe gesetzt. Ähnlich verfuhr man mit „Fremd­ras­sigen“, „Schwarzen“, „Zigeunern“ und  als „min­der­wertig“ gel­tenden Min­der­heiten der deut­schen Mehr­heits­be­völ­kerung wie „Aso­ziale“. Sie alle wurden als „Unter­men­schen“ rubri­ziert, ver­folgt und waren schließlich von „Aus­merzung“ bedroht. Mil­lionen Men­schen fielen vor allen Dingen in der ersten Hälfte der 1940er Jahren „Säu­be­rungs­ak­tionen“ zum Opfer, da man die Welt von solchen „Unter­men­schen“ befreien wollte.
Als die Wehr­macht im Sommer 1941 in die Sowjet­union einfiel, ver­öf­fent­lichte der Reichs­führer SS, Heinrich Himmler, eine Bro­schüre mit dem Titel Der Unter­mensch. Ziel dieser Schrift war es, die deutsche Bevöl­kerung zum Hass gegen die Völker der Sowjet­union auf­zu­sta­cheln. Das Heft, in der jewei­ligen Lan­des­sprache abge­druckt, fand sowohl in West­europa als auch bei den sla­wi­schen und sla­wisch­spra­chigen Ver­bün­deten Deutsch­lands wie Kroatien, der Slo­wakei und Bul­garien enormen Anklang. Die Bro­schüre bestärkte vor allem pri­mitive ras­sis­tische Res­sen­ti­ments. Der über­wie­gende Teil bestand aus Fotos, welche sowje­tische Kriegs­ge­fangene zeigten, die in ent­stellter Form mit frat­zen­haften Gesichtern dar­ge­stellt waren.

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Ähn­liche Rubri­zie­rungen von Men­schen gab es auch in anderen Ländern, ins­be­sondere in Japan. Im Zuge der japa­ni­schen Expansion in China und Süd­ost­asien während des Zweiten Welt­krieges fanden zwangs­weise durch­ge­führte Men­schen­ver­suche sowohl an Kriegs­ge­fan­genen wie auch an Zivi­listen statt. So wurden unter anderem bio­lo­gische und che­mische Men­schen­ver­suche mit Krank­heits­er­regern und Kampf­stoffen bekannt, bei­spiels­weise mit Pest­er­regern, Pocken­erregern und Kampf­gasen, die man ins­be­sondere an Chi­nesen durch­führte. Die Ver­suchs­per­sonen in den Gefan­ge­nen­lagern wurden von den Japanern als maruta bezeichnet, was über­setzt so viel heißt wie: ‚Holz‘, ‚Material‘, ‚Roh­stoff‘. Hier wurden also Men­schen sogar zum Material, zur Sache, zum Ding degradiert.
Was ist das für ein Mensch, der so etwas mehr als 70 Jahre nach der NS-Schre­ckens­herr­schaft sagt?
Um all diese Dinge dürfte Mat­thias Zimmer wissen. Der Mann ist nämlich kein Dummer. Er stu­dierte Poli­tik­wis­sen­schaft, Neuere Geschichte und Völ­ker­recht in Trier, an der Indiana Uni­versity of Penn­syl­vania und an der LMU München, wurde 1991 zum Dr. rer. pol. pro­mo­viert und habi­li­tierte sich 2006. 2013 wurde ihm sogar auf Vor­schlag der wirt­schafts- und sozi­al­wis­sen­schaft­lichen Fakultät der Uni­ver­sität Köln die Bezeichnung Hono­rar­pro­fessor ver­liehen. Ich habe mir einige Bun­des­tags­reden von ihm angehört. Diese sind wirklich gut. Ich halte den Mann für einen klugen Kopf, was seine sprach­liche (und gedank­liche?) Ent­gleisung natürlich umso schlimmer macht.
Roger Wil­lemsen, der für sein Buch Das Hohe Haus: Ein Jahr im Par­lament zwölf Monate lang die Debatten im Deut­schen Bun­destag beob­achtete kam offenbar zu einem ähn­lichen Ein­druck. Wil­lemsen hielt die von Mat­thias Zimmer 2013 bei der Vor­stellung des Schluss­be­richts der Enquete-Kom­mission Wachstum, Wohl­stand, Lebens­qua­lität gehaltene Rede für die beste von allen: „Es ging um die Grenzen des Wachstums. Eine fast phi­lo­so­phische Rede im Bun­destag, ein Glanz­stück.“ Zugleich schien aber auch Wil­lemsen schon vor sechs Jahren noch etwas anderes auf­ge­fallen zu sein, quasi die dunkle Seite dieses Mannes (oder der Partei?). In einem Interview sagte der 2016 ver­storbene Publizist, TV-Mode­rator und Fil­me­macher, ihm sei bewusst, dass er „da eine durchaus mul­tiple Person lobe, denn der­selbe Zimmer hat auch ein paar der häss­lichsten Sachen gesagt.“
Taucht hier ein furcht­bares Muster in neuem Gewand wieder auf?
Ins­gesamt stellt sich aber vor allen Dingen eine Frage: Ist dies ein Ein­zelfall oder zeigt sich hier ein Muster, welches sich nicht nur bei der CDU und natürlich bei der soge­nannten „Antifa“, sondern vor allen Dingen min­destens genauso bei der SPD, den Grünen und der SED-Nach­fol­ge­partei Die Linke zeigt, dass Mit­men­schen und Mit­bürger voll­kommen her­ab­ge­würdigt, ja sogar zu „Unter­men­schen“ her­ab­ge­stuft oder gänzlich ent­mensch­licht werden. In diesem Zusam­menhang sei an den furcht­baren Satz des dama­ligen säch­si­schen Minis­ter­prä­si­denten Sta­nislaw Tillich, eben­falls „Christlich Demo­kra­tische Union“, erinnert, der im Februar 2016 über die Bewohner eines Dorfes, die einen Bus von kul­tur­fremden Immi­granten blo­ckiert hatten, sagte: „Das sind keine Men­schen, das sind Ver­brecher!“.
Alle wach­samen Bürger und Beob­achter des Zeit­ge­schehens sind hier auf­ge­fordert, ihr Augenmerk darauf zu lenken, ob hier ein furcht­bares Muster in neuem Gewand wie­der­kehrt. Lassen Sie uns alle zusammen wachsam sein.
 
 

Quelle: Jürgen Fritz — www.juergenfritz.com — Titelbild: YouTube-Screenshot von Mat­thias Zimmer