Ein Umzug einer Familie mit zwei Kindern im bayerischen Landkreis Erding sollte mit einem netten Grillfest ausklingen. Mitgeholfen hatten Freunde, denn die wenigsten jungen Familien können sich ein Umzugsunternehmen leisten. Eine Nachbarsfamilie mit drei Kindern half auch beim Kisten- und Möbeltragen und lud die neu hinzugezogene Familie anschließend zum Grillen ein. Was als der Beginn einer schönen, freundschaftlichen Nachbarschaft aussah, geriet zum Horror.
Die Grillfeier zog sich hin und die Kinder schwärmten fröhlich im Dunkeln noch herum. Man fühlte sich sicher im Familien- und Freundeskreis, und so konnte es geschehen, dass am späten Abend auf der Wohnzimmercouch der Gastgeber zunächst unbemerkt zwei Kinder missbraucht werden konnten: Ein Freund des Lebensgefährten der neu angekommenen Familie hatte ebenfalls beim Umzug mit angepackt. Es floss wohl reichlich Alkohol. Der dreiundzwanzigjährige Afghane ging nach Aussagen mehrfach aus dem Garten ins Wohnzimmer, um sich zum Schlafen auf die Couch zu legen. Dabei müssen die beiden Töchter der neu hinzugezogenen Familie auch dort zum Sofa gekommen sein. Der Mann betatschte die zehnjährige Tochter im Brust- und Intimbereich, das siebenjährige Schwesterchen küsste er auf den Mund, saugte ihre Lippen ein und kaute darauf herum.
Das zehnjährige Mädchen traf dann ihren Vater auf dem Flur und sagte ihm was vorgefallen war, die kleine Schwester brach in Tränen aus, und die Eltern holten die Polizei.
Der Vater trat in dem jetzt geführten Prozess gegen den Täter als Nebenkläger auf. Er berichtet, dass der Täter auf ihn keinen verdächtigen Eindruck gemacht habe. Seine beiden Töchter litten aber auch heute noch sehr unter diesem sexuellen Übergriff. „Man merkt, es ist noch immer da“, sagte der Vater. Auch die Schule, die von den Vorfällen nicht unterrichtet worden war, meldete sich bei den Eltern, weil die Lehrer und Mitschüler merkliche Veränderungen bei den Mädchen wahrgenommen haben.
Der Angeklagte saß während der gesamten zwei Stunden langen Verhandlung mit dem Kopf auf die Tischplatte gelegt da. Er war auf die Übersetzungen eines Dolmetschers angewiesen. Sein Verteidiger sprach für ihn und übermittelte das volle Geständnis.
Mehrere Polizisten der Erdinger Polizei und der eingeschalteten Kriminalpolizei sagten während der Verhandlung aus, dass der Täter bei der polizeilichen Vernehmung nach der Tat dauernd einschlief und lange kaum wach zu bekommen war. Diese Tiefenentspannung weckte die Vermutung, er könne betrunken sein, bei einem Alkoholtest um 04:40 Uhr wurden allerdings nur 0,35 Promille festgestellt. Das bedeutet, dass er selbst zur Tatzeit unter 0,1 Promille Blutalkohol aufgewiesen hat. Auch ein Drogentest fiel negativ aus. Eine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund von Drogen oder Alkohol ist daher kaum anzunehmen.
Ein vom Gericht hinzugezogener Psychiater beleuchtete die Vorgeschichte des Angeklagten. Dieser habe als sehr junger Mensch mehrere Todesfälle in seiner Familie verkraften müssen. Er wuchs in einer Bürgerkriegszone in Afghanistan auf, von wo aus er sich dann durch den Iran in die Türkei durchgeschlagen habe. Von dort aus gelangte er in ein Containerlager für Flüchtlinge in München. Von da aus wurde er nach Erding verlegt und fand einen Job in der dortigen Therme. Seine Arbeitserlaubnis lief jedoch aus, und er war dann ohne Beschäftigung. Der Mann leide, so der Psychiater, an einer mittelgradigen Depression. Er ist weitgehend Analphabet.
Der Angeklagte war schon vorher einschlägig aufgefallen. In der S‑Bahn stellte er einer Studentin nach und belästigte sie. Als Polizeibeamte dazu kamen, leistete er gewaltsam Widerstand und kassierte dafür eine Geldstrafe und einen Eintrag ins Zentralregister. Das beendete aber seine Versuche nicht, sich Frauen und Mädchen aufzudrängen. 2016 und 2017 stellte er im Stadtpark Jugendlichen und jungen Frauen nach und begrapschte sie. Die fortgesetzten sexuellen Nötigungen blieben aber weitgehend folgenlos.
Wegen des Kindesmissbrauches beim Grillfest sitzt der Angeklagte seit vier Monaten in Untersuchungshaft. Die Verteidigung forderte eine Bewährungsstrafe, auch mit Blick auf das traumatische Vorleben und die Reue und Scham des jungen Mannes über seine Tat. Richter Michael Lefkaditis sah jedoch keine Veranlassung zur Milde. Der Mann habe gesehen, wie jung seine kindlichen Opfer waren und auch, dass die Tat im geschützten Familienbereich begangen worden ist, müsse als erschwerend gewertet werden. Überdies seien seine zahlreichen vorausgegangenen Übergriffe auf Mädchen und junge Frauen mit zu berücksichtigen. Der junge Afghane sei in Deutschland nach wie vor nicht verwurzelt und habe zudem auch keine günstige Sozialprognose. Er wurde zu einem Jahr und vier Monaten Haft verurteilt.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.