Interview mit der Financial Times: Putin im O‑Ton über den Fall Skripal

Putin hat Lionel Barber von der Financial Times vor der Abreise zum G20-Gipfel ein anderthalb stün­diges Interview gegeben und da es eine bri­tische Zeitung ist, durfte natürlich das Thema Skripal nicht fehlen.
Putin wird immer wieder nach dem Thema Skripal gefragt und wie man sieht, nervt ihn das Thema ziemlich, denn bis heute gibt es keine neu­tralen Beweise für die Ver­giftung und schon gar nicht zur Schuld­frage, auch wenn die west­lichen Medien es anders dar­stellen. Es gibt nur unbe­wiesene Anschul­di­gungen aus London. Die Details mit den offi­ziell bekannten Infor­ma­tionen dazu finden Sie hier.
Ich habe das Interview über­setzt und in „hand­liche Häppchen“ auf­ge­teilt, weil es zu lang ist für eine Ver­öf­fent­li­chung am Stück. Die Teile eins, zwei, drei und vier finden Sie unter den Links.
Beginn der Übersetzung:
Barber: Lassen Sie uns über eine andere Demo­kratie in Europa sprechen, über mein eigenes Land. Sie werden Frau May treffen. Dies wird eines der letzten Treffen sein, bevor sie als Pre­mier­mi­nis­terin zurück­tritt. Sehen Sie die Mög­lichkeit einer Ver­bes­serung der anglo-rus­si­schen Bezie­hungen, damit wir weiter gehen und sehr sen­sible Themen hinter uns lassen können? Es geht um die Skripals. Oder glauben Sie, dass wir in den nächsten drei oder fünf Jahren in diesen tiefen Schwie­rig­keiten bleiben werden?
Wla­dimir Putin: All diese Auf­regung um Spione und Dop­pel­agenten ist es nicht wert, zwi­schen­staat­liche Bezie­hungen zu stören. Diese Spionage-Auf­regung ist, wie wir sagen, keine fünf Kopeken wert. Oder fünf Pfund. Fragen der zwi­schen­staat­lichen Bezie­hungen werden in Mil­li­arden und dem Schicksal von Mil­lionen von Men­schen gemessen. Kann man das vergleichen?
Hier kann man sich gegen­seitig endlos Vor­würfe machen. Uns wird gesagt: Ihr habt die Skripals ver­giftet. Das sollte erst mal bewiesen werden, das ist das Erste.
Und zweitens fragen sich die Men­schen: Wer sind die Skripals? Und Skripal, so stellt sich heraus, spio­nierte gegen uns. Das wirft fol­gende Frage auf: Warum habt Ihr uns mit Hilfe von Skripal aus­spio­niert, viel­leicht hätte man das nicht tun sollen? Wissen Sie, es ist die ewige Frage: Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? Wir sollten das Thema in Ruhe lassen, sollen sich die Geheim­dienste mit diesem Fall befassen.
Aber wissen Sie, in diesem Raum haben wir mit Leuten aus dem Ver­ei­nigten König­reich gesessen, die mit uns zusam­men­ar­beiten wollen. Und wir unter­stützen diese Absicht nachdrücklich.
Ich denke, dass Frau May, unab­hängig davon, dass sie zurück­tritt, nicht anders konnte, als sich Sorgen zu machen, dass unsere Beziehung auf­grund dieser Spio­na­ge­skandale in eine solche Sack­gasse geraten ist, die uns daran hindert, unsere Bezie­hungen zu ent­wi­ckeln und Geschäfts­leute zu unter­stützen, die was tun? Sie ver­dienen nicht nur Geld, sie schaffen Arbeits­plätze, Mehrwert, sie bieten Ein­kommen auf allen Ebenen des Steu­er­systems ihrer Länder. Dies ist eine ernste, große, viel­schichtige Arbeit, die übrigens mit den gleichen Risiken ver­bunden ist, von denen Sie gesprochen haben, ein­schließlich der Risiken im Geschäfts­sektor. Und wenn wir dazu noch Unbe­re­chen­barkeit im poli­ti­schen Bereich hin­zu­fügen, dann wird es für sie unmöglich sein, über­haupt zu arbeiten.
Ich habe den Ein­druck, dass sowohl Russland als auch Groß­bri­tannien an einer umfas­senden Wie­der­her­stellung unserer Bezie­hungen inter­es­siert sind. Auf jeden Fall gehe ich davon aus, dass zumindest erste Schritte unter­nommen werden. Es scheint, dass es für Frau May sogar ein­facher sein könnte, sie hat bereits ange­kündigt, dass sie geht, so dass sie jetzt frei ist, das zu tun, was sie für richtig, wichtig und not­wendig hält, ohne über innen­po­li­tische Kon­se­quenzen nachzudenken.
Barber: Manche Leute mögen sagen, dass das mensch­liche Leben mehr als fünf Kopeken wert ist, aber Sie denken, Herr Präsident…
Wla­dimir Putin: Ist jemand gestorben?
Barber: Ja. Dieser Herr, der ein Dro­gen­problem hatte. Er starb, nachdem er Novitschok auf einem Park­platz ange­fasst hatte. Es gab eine Person, die starb, und es war nicht Skripal. Sie dachten, es sei eine Flasche Parfüm.
Wla­dimir Putin: Glauben Sie, dass Russland daran schuld ist, oder was?
Barber: Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, ein Mann ist gestorben.
Wla­dimir Putin: Das haben Sie nicht gesagt. Aber wenn es nichts mit Russland zu tun hat… Ja, der Mann ist tot, das ist schlimm, da stimme ich zu. Aber was hat das mit uns zu tun?
Barber: Lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen, und dann möchte ich über die rus­sische Wirt­schaft sprechen. Glauben Sie, dass das, was in Salisbury pas­siert ist, eine unmiss­ver­ständ­liche Bot­schaft an jeden gewesen ist, der daran denkt, den rus­si­schen Staat zu ver­raten, dass er mit Strafe zu rechnen hat?
Wla­dimir Putin: Verrat das größte Ver­brechen, das es auf der Erde gibt, und Ver­räter müssen bestraft werden. Ich sage nicht, dass sie so bestraft werden sollten, wie es in Salisbury pas­siert ist, ganz und gar nicht. Aber Ver­räter müssen bestraft werden.
Dieser Herr Skripal Geige wurde bereits bestraft. Er wurde ver­haftet, zu einer Haft­strafe ver­ur­teilt und hat sie abge­sessen. Er wurde bereits bestraft. Er wart für uns von kei­nerlei Interesse mehr. Er wurde bestraft: Er wurde fest­ge­nommen, ver­haftet, ver­ur­teilt und ver­büßte fünf Jahre im Gefängnis. Dann haben wir ihn gehen lassen, das ist alles.
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Was Verrat betrifft, so muss er natürlich strafbar sein. Es ist das abscheu­lichste Ver­brechen, das man sich vor­stellen kann.
Ende der Übersetzung
Bleibt noch hin­zu­zu­fügen, dass Verrat, Hoch­verrat oder Lan­des­verrat in jedem Land der Welt hat bestraft wird.
Der sechste Teil des Inter­views wird am späten Sonn­tag­nach­mittag erscheinen.
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“