Der US-Dollar regiert die Welt, aber nicht mehr lange

Prä­sident Donald Trump wünscht sich einen nied­ri­geren US-Dollar. Er beklagt sich über die Über­be­wertung der ame­ri­ka­ni­schen Währung. Liegt er dennoch richtig, andere Länder der „Wäh­rungs­ma­ni­pu­lation“ zu beschul­digen? Ist die Position des US-Dollars im inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­umfeld nicht eine eigen­ständige Mani­pu­lation? Inwieweit haben die Ver­ei­nigten Staaten von der glo­balen Rolle des Dollars pro­fi­tiert und endet dieses „exor­bi­tante Pri­vileg“? Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, müssen wir die monetäre Seite des Auf­stiegs des ame­ri­ka­ni­schen Empire betrachten.
(von Anthony P. Mueller)
Trump liegt richtig. Der ame­ri­ka­nische Dollar ist über­be­wertet. Laut der neu­esten Ausgabe des „Big Mac Index“ vom Eco­nomist sind bei­spiels­weise nur drei Wäh­rungen höher bewertet als der US-Dollar. Der Haupt­grund dafür ist jedoch nicht die Wäh­rungs­ma­ni­pu­lation, sondern die Tat­sache, dass der US-Dollar die wich­tigste inter­na­tionale Reser­ve­währung ist.

Macht­beben von Dirk Mueller

Dies ist sowohl ein Segen als auch ein Fluch. Es ist ein Segen, denn das Land, das die füh­rende inter­na­tionale Reser­ve­währung emit­tiert, kann Han­dels­de­fizite auf­weisen, ohne sich über eine wach­sende Aus­lands­ver­schuldung Gedanken machen zu müssen. Da die ame­ri­ka­ni­schen Aus­lands­schulden in der Lan­des­währung emit­tiert sind, kann die Regierung ihren Aus­lands­ver­pflich­tungen jederzeit nach­kommen, da sie jede beliebige Menge Geld in ihrer Lan­des­währung pro­du­zieren kann.
Der inter­na­tionale Reser­ve­status geht jedoch auch mit dem Fluch einher, dass nämlich die anhal­tenden Han­dels­de­fizite die indus­trielle Basis des Landes schwächen. Anstatt für den Import aus­län­di­scher Waren mit dem Export ein­hei­mi­scher Pro­dukte zu bezahlen, können die Ver­ei­nigten Staaten einfach Geld exportieren.
Ame­ri­ka­nische Vorherrschaft
Die Ent­wicklung der US-Wirt­schaft im 20. Jahr­hundert ist in hohem Maße auf die vor­herr­schende Rolle des US-Dollars im inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­system zurück­zu­führen. Ein großer Teil dieser Rolle war das Ergebnis der poli­ti­schen und mili­tä­ri­schen Vor­macht­stellung, die die Ver­ei­nigten Staaten nach dem Ersten Welt­krieg erlangt hatten. Und noch heute ist die Position des US-Dollars in der Finanzwelt ein wesent­licher Grund für den Wohl­stand im Inland und bildet die Grundlage für den Ausbau der US-Mili­tär­präsenz rund um den Globus.
Nach jedem der beiden Welt­kriege im 20. Jahr­hundert wurden die Ver­ei­nigten Staaten zum größten Gläu­bi­gerland, während der Krieg die Wirt­schaft der Kriegs­feinde und die der großen Ver­bün­deten rui­nierte. Nach dem Ende des Kalten Krieges sollte sich dieses Muster wie­der­holen. Die Ver­ei­nigten Staaten, so scheint es, waren seitdem die einzige ver­blei­bende Supermacht.
In den neun­ziger Jahren erlebte der Dollar eine neue Blüte und die US-Wirt­schaft erlebte eine magische Ver­jüngung. Diesmal unter­stützten die wirt­schaft­lichen und poli­ti­schen Grund­lagen die Rolle des Dollars in der Welt jedoch weitaus weniger. Im Gegensatz zur Phase nach dem Zweiten Welt­krieg war die Grundlage für die globale Expansion des Dollars in den neun­ziger Jahren nicht die wirt­schaft­liche Stärke, sondern die Schaffung von Schulden. Die seit Kriegsende rück­läufige Staats­schul­den­quote begann sich 1982 zu drehen und ist seitdem stetig gestiegen (Abbildung 1).

US-Schul­den­quote (Ver­schuldung in Prozent des Brut­to­in­lands­pro­dukts), 1940–2018. Quelle: US Bureau of Public Debt, tradingeconomics.com

Mit dieser Ver­schuldung kam eine neue Phase der glo­balen Expansion des Dollars. Die Ver­breitung des Dollars bildete die Grundlage für die Wirt­schafts­leistung und die mili­tä­rische Position der Ver­ei­nigten Staaten. Doch nun scheint die Struktur, die ent­standen ist, zwar mächtig, ist aber von Natur aus zer­brechlich. Es ist nicht die wirt­schaft­liche Stärke, die die Grundlage für die Rolle des US-Dollars im inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­system bildet, sondern die finan­zielle Rolle des US-Dollars, die die Grundlage für die Auf­recht­erhaltung und Aus­weitung der glo­balen Akti­vi­täten der USA bildet.
Während nach 1919 und nach 1945 die Ver­ei­nigten Staaten nicht nur als größter inter­na­tio­naler Gläu­biger, sondern auch als wich­tigste Indus­trie­macht her­vor­gingen, sind die USA seit den 1980er Jahren ein inter­na­tio­naler Schuldner und sehen sich mit einer sich abschwä­chenden indus­tri­ellen Basis kon­fron­tiert. Auch im Gegensatz zu den frü­heren Welt­kriegen und den anderen Kon­flikten lagen die Volks­wirt­schaften Russ­lands, West­eu­ropas und Süd­ost­asiens nach dem Ende des Kalten Krieges nicht in Trümmern. In Bezug auf ihre Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zität und ihre finan­zi­ellen Res­sourcen sind diese Regionen mit den Ver­ei­nigten Staaten inzwi­schen auf Augenhöhe.
Für eine Weile schien es, als könne das inter­na­tionale Wäh­rungs­system, das in den 1990er Jahren ent­stand, als eine neue Version des älteren Bretton Woods-Systems inter­pre­tiert werden, dessen Struktur eine zen­trale Rolle für den US-Dollar in der Zeit nach dem Zweiten Welt­krieg vorsah. Während die Par­al­lelen insofern passen, als das gegen­wärtige System den Teil­nehmern ähn­liche Vor­teile bietet, ist die gegen­wärtige Struktur noch feh­ler­hafter als das ältere Schema, das auf­grund seiner inneren Wider­sprüche zusam­men­ge­brochen ist.

Bretton Woods

Wie das frühere Bretton Woods-System (BW1) ist das aktuelle System (BW2) gekenn­zeichnet durch die Bindung von Fremd­wäh­rungen an den US-Dollar oder die Ver­wendung des Dollars als Refe­renz­währung. Dieses Mal prak­ti­zieren haupt­sächlich süd­ost­asia­tische Länder, ins­be­sondere China, diese Politik auf infor­melle Weise. Durch diese Ver­ein­barung erhalten diese Volks­wirt­schaften in Süd­ost­asien einen ähn­lichen Vorteil wie einst die west­eu­ro­päi­schen Länder, als ihre unter­be­wer­teten Wäh­rungen ihnen einen Wett­be­werbs­vorteil ver­schafften, der zum Wie­der­aufbau ihrer indus­tri­ellen Basis nach dem Zweiten Welt­krieg beitrug. Nach Abschluss dieser Umbau­phase zerfiel das BW1-System und die Europäer begannen, ein eigenes Wäh­rungs­system auf­zu­bauen. Die Abkopplung der euro­päi­schen Wäh­rungen vom Dollar kam schritt­weise voran und führte schließlich zur Ein­führung des Euro 1999. Der Euro ent­spricht in seiner internen Ver­wendung dem US-Dollar, doch als globale Währung und ins­be­sondere als inter­na­tionale Reser­ve­währung domi­niert der US-Dollar nach wie vor geradezu majes­tä­tisch (Abbildung 2).

Anteile der wich­tigsten Wäh­rungen am inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­system, Quelle: European Central Bank

Vor allem die Zen­tral­banken in Süd­ost­asien, allen voran China, haben in der jün­geren Ver­gan­genheit US-Dollar als inter­na­tionale Reserven ange­sammelt. Es besteht jedoch kaum ein Zweifel daran, dass ihre Bereit­schaft, US-Defizite zu finan­zieren und an einer schwä­chelnden Währung fest­zu­halten, nicht ewig anhält. Wie zuvor in Europa wird Süd­ost­asien aus der Dollar-Bindung aus­steigen, sobald das vor­rangige Ziel dieser Länder erreicht ist – indus­trielle Ent­wicklung auf der Grundlage von Exporten mit Hilfe unter­be­wer­teter Währungen.
Das Bretton-Woods-System, wie es am Ende des Zweiten Welt­kriegs ein­ge­führt wurde, verlieh den Ver­ei­nigten Staaten ein „exor­bi­tantes Pri­vileg“, als der Dollar nach dem Bretton-Woods-Abkommen zum Bezugs­punkt für das inter­na­tionale Wäh­rungs­system wurde. Da die anderen Mit­glieds­länder ihre Wäh­rungen an den US-Dollar banden und der US-Dollar offi­ziell auf 35 USD je Feinunze Gold fixiert war, schien es, als wäre eine ideale Kon­struktion gefunden worden, um inter­na­tionale Wäh­rungs­stö­rungen zu ver­meiden und den Rahmen für eine globale wirt­schaft­liche Expansion zu schaffen.

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Der Gold­anker sollte eine über­mäßige Pro­duktion von US-Dollar durch die US-Regierung ver­hindern. Wenn das Ausland einen Han­dels­über­schuss hatte, durfte es laut Bretton Woods Accord die über­schüs­sigen Dollars formell gegen Gold des ame­ri­ka­ni­schen Finanz­mi­nis­te­riums ein­tau­schen. Bei einer sta­bilen Parität zwi­schen Dollar und Gold hätte dies die Dol­lar­schöpfung ein­ge­schränkt. Frank­reich nahm das Abkommen wörtlich und for­derte Gold von den Ver­ei­nigten Staaten, anstatt Dollar als inter­na­tionale Reserven anzu­sammeln. Wieder andere Über­schuss­länder wie Japan und West­deutschland ver­zich­teten auf diese Option. Mit wett­be­werbs­fä­higen Wech­sel­kursen ver­folgten Japan und West­deutschland eine export­ori­en­tierte Wachs­tums­stra­tegie, die ihre wirt­schaft­liche Erholung beschleu­nigte und sie wieder zu Indus­trie­mächten machte.
Für die Ver­ei­nigten Staaten stellte das BW1-System ein beson­deres Pri­vileg dar, und es dauerte nicht lange, bis die Ver­ei­nigten Staaten es miss­brauchten. Die Ver­ei­nigten Staaten ver­folgten das Ziel, den Wohl­fahrts­staat zusammen mit immer akti­veren aus­län­di­schen Mili­tär­ein­sätzen aus­zu­bauen, und erwei­terten die Geld­menge dras­tisch. Die Dis­krepanz zwi­schen dem Gold­be­stand in den Tre­soren der Federal Reserve und dem Dollar, der in der Welt im Umlauf war, nahm zu. Es stellte sich heraus, dass die US-Regierung nicht mehr über die Mittel ver­fügte, um die ursprüng­liche Ver­ein­barung zu erfüllen, aus­län­dische Wäh­rungen in Gold umtauschbar zu machen. In den späten 1960er-Jahren hatte sich der Dollar-Mangel der 1950er-Jahre zu einem Dollar-Über­an­gebot ent­wi­ckelt. Es kam weltweit zur Preisinflation.
Ursprünglich war im BW1-Vertrag fest­gelegt, dass die Änderung von Wäh­rungs­pa­ri­täten eher die Aus­nahme als die Regel sein sollte. In den sech­ziger Jahren geriet das inter­na­tionale Wäh­rungs­system jedoch in eine Phase hoher Insta­bi­lität, als die Fest­setzung und Neu­fest­setzung der Fremd­wäh­rungen gegenüber dem Dollar zu einem großen Problem wurde. Das ent­ste­hende per­verse Wäh­rungs­system schuf eine Gold­grube für Wäh­rungs­spe­ku­lanten. Die Kan­di­daten für eine Wech­sel­kurs­auf­wertung – wie Deutschland oder Japan – waren leicht zu iden­ti­fi­zieren. Durch Auf­nahme eines Dol­lar­kredits und Umtausch des Geldes zu einem festen Zinssatz in Deutsche Mark oder Japa­nische Yen und die anschlie­ßende Depo­nierung des Betrags konnten Hebel­ef­fekte ange­wendet und Gewinne garan­tiert werden, wenn es zur Auf­wertung der Fremd­wäh­rungen kam – wie es nicht schwer vor­aus­zu­sehen war.

Es lebe der Dollar

In den späten 1960er Jahren hatte sich das inter­na­tionale Wäh­rungs­system zu einer Quelle glo­baler Liqui­di­täts­schöpfung ent­wi­ckelt, die aus den Ver­ei­nigten Staaten stammte, aber auch andere Nationen dazu zwang, diese Inflation zu impor­tieren. Gegen Inflation ankämp­fende Zen­tral­banken wie die Deutsche Bun­desbank konnten restriktive Instru­mente nicht effektiv anwenden. Ange­sichts der Tat­sache, dass die Zins­dif­ferenz der Haupt­ri­si­ko­faktor für Wäh­rungs­spe­ku­lanten war, hätte eine restriktive Geld­po­litik mit höheren Zins­sätzen noch mehr heißes Geld ange­zogen und Spe­ku­la­tionen noch weniger riskant gemacht. Zen­tral­banken im Ausland, ins­be­sondere die Deutsche Bun­desbank und die Bank of Japan, akku­mu­lierten massiv US-Dollar als inter­na­tionale Reserven, als sie ihre Wech­sel­kurse zum Dollar bei der unter­be­wer­teten Parität hielten.
1971 wurde mit dem soge­nannten „Smit­h­sonian Agreement“ ein letzter Versuch unter­nommen, das alte System zu retten, als die Ver­ei­nigten Staaten ihre Währung gegenüber Gold und einer Reihe anderer Wäh­rungen abge­wertet hatten. Bald danach wurde jedoch klar, dass es für das alte Regime keine Chance auf Wie­der­be­lebung gab. 1973 wurde das Bretton-Woods-System offi­ziell für tot erklärt, als die neue Regel ver­ab­schiedet wurde, dass jedes Land seine eigene Wäh­rungs­ver­ein­barung treffen konnte.
Seitdem befindet sich der US-Dollar im Rückgang, unter­brochen von zwei Epi­soden. Unter der Prä­si­dent­schaft Reagans trat der Kalte Krieg in seine End­phase ein, und der Dollar wurde für einige Zeit zur Zufluchts­währung. Der Sieg der USA in dieser Schlacht war eine Wie­der­holung des Endes des Ersten und Zweiten Welt­krieges, als die Ver­ei­nigten Staaten zum dritten Mal an der Welt­spitze auf­tauchten. In den neun­ziger Jahren schien der Drei­klang der glo­balen Dominanz für die Ver­ei­nigten Staaten gut ver­ankert zu sein: unüber­troffene mili­tä­rische Macht, eine boo­mende und inno­vative Wirt­schaft und der Status eines unan­ge­foch­tenen Emit­tenten der Welt­währung. Der US-Dollar erlebte eine weitere Phase der Stärke. Seit 2002 ist jedoch der lang­fristige Trend zu einem schwä­cheren Dollar wieder erkennbar, unter­brochen durch nied­rigere Höchst­stände (siehe Abbildung 3).

US Dollar Index, 1965–2019. Quelle: tradingeconomics.com

Der Dollar und die US-Außenpolitik

In den neun­ziger Jahren wurde die Geld­po­litik der Ver­ei­nigten Staaten zum Instrument eines großen geo­stra­te­gi­schen Unter­nehmens. Die neo­kon­ser­vative Bewegung nahm diese Kon­stel­lation in den neun­ziger Jahren als selbst­ver­ständlich an und führte eine Politik ein, die auf einer Phi­lo­sophie basierte, die mit fast reli­giöser Zuver­sicht annahm, dass es die Pflicht und das Recht der Ver­ei­nigten Staaten war, der Hegemon im 21. Jahr­hundert zu sein. Im Gegensatz zur Phase nach den beiden Welt­kriegen lag der Rest der Welt außerhalb der USA jedoch nicht in Trümmern. Während nach den beiden Welt­kriegen die US-Indus­trie­basis den Grund­stein für die Rolle des US-Dollars legte, war es jetzt nicht die Über­le­genheit der US-Indus­trie­basis, die die Grundlage für die globale Rolle der Ver­ei­nigten Staaten bildete, sondern ihr unstill­barer Appetit auf pri­vaten und öffent­lichen Konsum. Die aktuelle Grundlage für das geo­stra­te­gische Über­le­gen­heits­spiel der Ver­ei­nigten Staaten ist der US-Dollar selbst in seiner Rolle als wich­tigste inter­na­tionale Reserve- und Han­dels­währung. Es ist ein System ohne ange­messene Grundlage, das Tra­di­tionen ähnelt, die über einen län­geren Zeitraum wei­ter­leben, auch wenn die Gründe für ihre Existenz ver­schwunden sind.

Wach­ab­lösung

Die lockere Geld­po­litik der Ver­ei­nigten Staaten hat die Deindus­tria­li­sierung im Inland beschleunigt und die Indus­tria­li­sierung im Ausland gefördert (vor allem in China und im übrigen Süd­ost­asien). Sie hat eine Situation geschaffen, die in scharfem Kon­trast zum Ende des Ersten und Zweiten Welt­kriegs steht. Mit dem neuen BW2-System sind die USA nicht mehr der größte Gläu­biger mit der größten indus­tri­ellen Basis, sondern der größte inter­na­tionale Schuldner. Die impe­riale Politik erfordert eine expansive Geld­po­litik, die sich in anhaltend hohen Han­dels­de­fi­ziten und einer sich ver­schlech­ternden Position der Aus­lands­in­ves­ti­tionen nie­der­schlägt (Abbildung 4).

US-Netto-Aus­lands­in­ves­ti­tionen, 1976–2019 (in Mil­lionen US-Dollar). Quelle: tradingeconomics.com

Der Emittent einer glo­balen Währung zu sein, bietet enorme Vor­teile, die mit einem Fluch ver­bunden sind. Gestei­gerte Mög­lich­keiten für den pri­vaten und öffent­lichen Konsum ergeben sich aus dem Pri­vileg, Waren aus dem Ausland zu beziehen, ohne dass eine ent­spre­chende Menge han­del­barer Export­güter her­ge­stellt werden muss. Während andere Länder expor­tieren müssen, um für ihre Importe auf­zu­kommen, ist der Sou­verän, der eine globale Währung emit­tiert, von der Ein­haltung des grund­le­gendsten Gesetzes des wirt­schaft­lichen Aus­tauschs befreit. Dadurch werden inlän­dische Res­sourcen für die Aus­weitung des Staates, ins­be­sondere der Mili­tär­macht, frei. Je mehr eine solche impe­riale Macht ihre mili­tä­rische Präsenz ausbaut, desto mehr wird ihre Währung zu einer glo­balen Währung, und dadurch können neue Expan­si­ons­schritte finan­ziert werden. Expansion wird zur Notwendigkeit.
Mit der Zeit ver­größert sich jedoch die Divergenz zwi­schen der schwä­chelnden indus­tri­ellen Basis im Inland und der erwei­terten glo­balen Rolle. Mit Gütern aus dem Ausland, für die nicht sofort mit Schweiß und Mühe bezahlt werden muss, wandelt sich die hei­mische Kultur von einer Ethik der Pro­duktion zu Hedo­nismus. Eine schlei­chende Kor­rup­tions-Vet­tern­wirt­schaft unter­gräbt das poli­tische System. Da durch Importe Res­sourcen frei­ge­setzt werden, ver­lagert sich die Pro­duktion von Waren zu Hause auf extra­va­gante Phan­ta­sie­ak­ti­vi­täten. Der Kreislauf von „panem et cir­censes“ war das Schicksal aller Reiche.

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Die der­zeitige globale Position der Ver­ei­nigten Staaten ähnelt der Spa­niens in der Zeit ihres Nie­der­gangs. Spanien war bereits wirt­schaftlich schwach und ver­suchte ver­zweifelt, an seinen Außen­posten und „Besitz­tümern“ rund um den Globus fest­zu­halten, während sich die Bin­nen­wirt­schaft in eine gemein­nützige und mili­ta­ri­sierte Wirt­schaft ver­wan­delte. Am Ende gaben die Ver­ei­nigten Staaten dem spa­ni­schen Imperium den Gna­denstoß, indem sie ihm Kuba, Puerto Rico und die Phil­ip­pinen weg­nahmen. Eine neue Phase der geo­gra­fi­schen Expansion und Dominanz der USA begann und im Jahr 1898 wurde die Vor­aus­setzung dafür geschaffen, dass die Ver­ei­nigten Staaten die impe­riale Macht des 20. Jahr­hun­derts werden sollten.
Die Geschichte und ins­be­sondere die Wirt­schafts­ge­schichte zeigen immer beides: Gemein­sam­keiten und Unter­schiede, und tat­sächlich unter­scheidet sich das ame­ri­ka­nische Imperium von einigen der frü­heren Imperien. Gemeinsam ist den Ver­ei­nigten Staaten jedoch, dass die mili­tä­rische Erwei­terung zu komplex wird, um effi­zient gehandhabt zu werden, und damit zu kost­spielig wird.
Die Dis­krepanz zwi­schen der rela­tiven Position der US-Wirt­schaft in der Welt einer­seits und der rela­tiven Position der Ver­ei­nigten Staaten in Bezug auf ihre mili­tä­rische Präsenz und der Rolle des US-Dollars ande­rer­seits nähert sich einem Knack­punkt. Dies führt zu dem Schluss, dass in einer Welt, in der die wirt­schaft­liche Stärke der Ver­ei­nigten Staaten im Ver­gleich zu anderen Ländern und Regionen abnimmt, das US-Dollar-Pri­vileg immer weniger Platz haben wird.
Anders als die Fak­toren, die die Erwartung eines bevor­ste­henden Nie­der­gangs des Dollars im Jahr 2007 recht­fer­tigten, hat die ame­ri­ka­nische Währung auf­grund der Finanz­krise im Jahr 2008 einen neuen Frühling erlebt. Da kaum etwas anderes als Schutz geboten ist, diente der US-Dollar als sicherer Hafen. Es bleibt abzu­warten, ob dies auch bei der nächsten finan­zi­ellen Krise der Fall sein wird.
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Antony P. Mueller hat jüngst bei Amazon die Taschen­bücher „Kapi­ta­lismus ohne Wenn und Aber“ und „Feinde des Wohl­stands“ ver­öf­fent­licht. Im Juli dieses Jahres ist eine erwei­terte Ausgabe seines Traktats „Prin­ciples of Anarcho-Capi­talism and Demarchy“ erschienen.

Dr. Antony P. Mueller (antonymueller@gmail.com) ist habi­li­tierter Wirt­schafts­wis­sen­schaftler der Uni­ver­sität Erlangen-Nürnberg und derzeit Pro­fessor der Volks­wirt­schafts­lehre, ins­be­sondere Makro­öko­nomie, an der bra­si­lia­ni­schen Bun­des­uni­ver­sität UFS (www.ufs.br), wo er am Zentrum für ange­wandte Wirt­schafts­for­schung und an deren Kon­junk­tur­be­richt mit­ar­beitet und im Dok­to­rats­pro­gramm für Wirt­schafts­so­zio­logie mit­wirkt. Er ist Mit­glied des Ludwig von Mises Institut USA, des Mises Institut Bra­silien und Senior Fellow des Ame­rican Institute of Eco­nomic Research (AIER). Außerdem leitet er das Web­portal Con­ti­nental Eco­nomics (www.continentaleconomics.com).


Quelle: misesde.org