Deutschland ver­schleudert seine Erspar­nisse im Ausland

Eine zen­trale und immer wieder erläu­terte Kern­these von mir ist, dass wir Deut­schen unser Geld falsch anlegen und deshalb kei­neswegs ein reiches Land sind. Dazu gehört auch die Fest­stellung, dass die Export­über­schüsse nicht so vor­teilhaft sind, wie immer gedacht. Sie wären es nur, wenn wir die damit spie­gel­bildlich, wie bei der dop­pelten Buch­führung, zusam­men­hän­genden Kapi­tal­ex­porte gut anlegen würden. Doch das tun wir nicht, wobei die TARGET2-Salden nur ein besonders extremes Bei­spiel für unsere Dummheit sind. Wie groß die Ver­luste sind, die wir erleiden, zeigen die For­scher Fran­ziska Hün­nekes und Christoph Tre­besch vom Kieler Institut für Welt­wirt­schaft (IfW) sowie Moritz Schul­arick von der Uni­ver­sität Bonn in einer neuen Studie, über die die NZZ berichtet: 
  • „Deutschland hat in den letzten Jahren so viel Geld im Ausland angelegt wie keine andere Nation. 300 Mrd. € sind es jährlich. Das ist das Spie­gelbild seiner hohen Export­über­schüsse. Die Frage ist aller­dings, ob sich diese Anlagen auch gelohnt haben. (Ein) Ver­gleich von zwölf Staaten (führt) zu einem ernüch­ternden Ergebnis: Seit 1975 hat Deutschland unter den großen sieben Indus­trie­ländern am schlech­testen abge­schnitten.“ – Stelter: Und das ist nicht nur theo­re­tisch ärgerlich, sondern für jeden von uns auch prak­tisch. Ein wich­tiger Grund, weshalb wir zu den Ärmsten in der Eurozone gehören. Wir könnten das Geld viel besser im Inland anlegen.

Quelle: NZZ

  • „Während etwa die Ame­ri­kaner auf ihren Aus­lan­d­enga­ge­ments eine nominale jähr­liche Rendite von 10,6% ein­ge­strichen haben, kam Deutschland gerade mal auf 4,9%. Auch im Ver­gleich mit euro­päi­schen Ländern hat Deutschland einen Rück­stand von 3 Pro­zent­punkten. Das Bild ver­bessert sich etwas, wenn man die Inflation berück­sichtigt. Dann ist Deutschland an neunter Stelle von 13 Staaten.“ – Stelter: Das klingt auf den ersten Blick für Laien – also die Deut­schen – nicht dra­ma­tisch. Aber wenn man Jahr für Jahr mit Zin­ses­zins­effekt fünf Pro­zent­punkte mehr erzielt, führt das zu einem mas­siven Unter­schied. Bei 4,9 Prozent werden aus 100 Euro über 42 Jahre 746 Euro, bei 10,6 Prozent aber 6882 Euro!
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  • „Nun könnte man ver­muten, dass die Deut­schen ihre Mittel einfach kon­ser­va­tiver anlegen als die Bewohner anderer Länder. Wer weniger Aktien und mehr Anleihen kauft, muss mit einer gerin­geren Rendite rechnen, da er auch weniger Risiken eingeht. Doch das ist nicht der Haupt­effekt. Vielmehr schneiden die Deut­schen innerhalb der Risi­koklassen schlecht ab, und hier sticht das Akti­en­en­ga­gement negativ hervor. Der Ren­di­te­rück­stand gegenüber anderen Ländern liegt bei 4 Pro­zent­punkten.“ – Stelter: Wir haben also schlechtere Geld­ma­nager als andere Länder. Viel­leicht sollten wir den Briten unser Geld anvertrauen?
  • „Die Analyse legt ferner nahe, dass es besser gewesen wäre, deutsche Firmen und Private hätten sich stärker am Heim­markt enga­giert. Wenn man den Berech­nungen ein Port­folio von deut­schen Anleihen, Aktien und Immo­bilien zugrunde legt, ren­tierte dieses über die letzten zehn Jahre um 4 Pro­zent­punkte mehr als ein im Ausland inves­tiertes Ver­mögen.“ – Stelter: Es wäre ohnehin besser, mehr im Inland zu inves­tieren! Neben­effekt wären geringere Han­dels­über­schüsse, was gut wäre. Eine wichtige Rolle könnte dabei auch der Staat spielen, aber der kon­su­miert ja lieber.
  • Theo­re­tisch ist es ange­sichts der demo­gra­fi­schen Ent­wicklung richtig in anderen Regionen, vor allem den Schwel­len­ländern zu inves­tieren. „Doch für dieses Motiv sehen die Autoren kaum Evidenz: 70% der Aus­land­gut­haben kon­zen­trieren sich auf Indus­trie­länder, die vor den gleichen demo­gra­fi­schen Her­aus­for­de­rungen stehen wie Deutschland. Dagegen flossen in den letzten zehn Jahren weniger als 10% der Mittel in dyna­mische Schwel­len­länder, obwohl diese Länder mitt­ler­weile für die Hälfte der welt­weiten Wirt­schafts­leistung stehen.“ – Stelter: Wir werden ein sehr sehr armes Land sein in den kom­menden Jahr­zehnten. Ich emp­fehle in meinen Kom­men­taren zur Geld­anlage immer ein global diver­si­fi­ziertes Port­folio, das sich am BIP ori­en­tiert und damit einen höheren Anteil an Schwel­len­ländern hätte.
Schmankerl am Ende: „Hätte man das Geld so erfolg­reich wie die Nor­weger inves­tiert, hätte man allein seit der Finanz­krise eine zusätz­liche Rendite von grob 30 000 € pro Person erzielen können (…)“ – Stelter: was für ein Armuts­zeugnis! Denn unser Median-Haus­halts­ver­mögen liegt in Deutschland bei nur rund 60.000 Euro. Was wir hier sehen, ist ein hart arbei­tendes und spa­rendes Land, das die Früchte seiner Arbeit verschenkt.

Dr. Daniel Stelter – www.think-beyondtheobvious.com