Die AfD zeigt in Cottbus Flagge (c) David Berger

Die AfD im Wandel der Zeit

Bei einer Wahl­ver­an­staltung von Bernd Lucke in Erfurt im Herbst 2013 lernte ich einige thü­rin­gische AfD-Gründer kennen bzw. ich sah sie dort zum ersten Mal. Unter diesen poli­ti­schen Neu­lingen waren fünf Rechts­an­wälte, ein ehe­ma­liger Landrat, ein Lehrer, ein Her­bergswirt, ein Fach­schul­pro­fessor, eine Zahn­ärztin, ein pen­sio­nierter Poli­zei­prä­sident, ein ehe­ma­liger Lan­des­bank­prä­sident, ein Bun­des­wehr­of­fizier, ein Ange­stellter der Stadt Erfurt sowie einige Per­sonen, an die ich mich jetzt nicht mehr deutlich erinnere. Es überwog ganz klar das Per­sonal des Staats­ap­parats ein­schließlich der im staat­lichen Vorfeld arbei­tenden Frei­be­rufler. Diese Schichten werden und wurden von den Alt­par­teien eigentlich aus­rei­chend repräsentiert.
Tempi passati. Vor ein paar Tagen war ich bei einer Mit­glie­der­ver­sammlung der Partei an einem geheim­ge­hal­tenen Ort. Dabei fiel mir ins Auge, dass die sozio­lo­gische Kom­po­sition sich doch sehr gewandelt hat. Die Mit­glie­derzahl ist seit 2013 gewachsen. In dem besuchten Kreis­verband waren 2013 sieben Leute aktiv, inzwi­schen ist die Mit­glie­derzahl auf über 140 hochgeschnellt.

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Die Beamten und Staats­an­ge­stellten sind schon lange nicht mehr in der Mehrzahl. Die AfD hat vor allem aus dem gewerblich-tech­ni­schen Bereich viele Mit­glieder und noch mehr Anhänger gewonnen. Das ist insofern erfreulich, weil die Arbeiter und Gewer­be­trei­benden seit zwei Jahr­zehnten in den herr­schenden Medien und im poli­ti­schen Getriebe kaum noch vor­kamen. Sieht man die neu gewählten Abge­ord­neten der Kreistage in Thü­ringen durch, so hat die AfD für diese Kli­entel fast die Allein­ver­tretung. Das ist wie­derum die eherne Basis der Stammwählerschaft.
In diesem Meer des Erfolgs und der Zufrie­denheit gibt es natürlich bei genauerer Beob­achtung auch einige Tröpfchen Gift. Die noch im Berufs­leben ste­henden Sym­pa­thi­santen treten in der Regel erst in die AfD ein, wenn sie kurz vor der Rente stehen, weil sie nicht unbe­gründet beruf­liche Nach­teile fürchten, wenn sie sich offen zur AfD bekennen. Das Durch­schnitts­alter der Mit­glieder ist deshalb deutlich höher, als das der Anhänger und Wähler.
Auch trauen sich Bür­ger­meister nicht in die Partei ein­zu­treten, was die Kom­petenz in kom­mu­nalen Ange­le­gen­heiten senkt.
Willi Bredel hatte 1941 im Roman „Die Väter“ rück­bli­ckend das Milieu der spät­kai­ser­zeit­lichen SPD beschrieben, das Buch war in der Rus­senzeit in der Abitur­stufe Pflicht­lektüre und ist dem Autor dieser Zeilen deshalb geläufig. Das Par­tei­leben der SPD wurde durch eine klein­bür­ger­liche relativ uni­forme Kultur bestimmt, die gemein­samen Gar­ten­feste und Aus­flüge über­wu­cherten fast die poli­tische Agenda. Bredel stellte diese Klei­ne­leu­te­kultur – er schrieb ja unter den strengen Augen von Väterchen Stalin – kri­tisch dar, in der Kom­intern war in den 30ern und 40ern gerade der Kampf gegen die Ver­bür­ger­li­chung der Arbei­ter­klasse angesagt. Deshalb mag Bredel auch etwas über­zeichnet haben. Wir mussten als Schüler das Weinert-Gedicht vom Post­be­amten Emil Pelle, der in seiner Klein­gar­ten­par­zelle den Klas­sen­kampf aus den Augen ver­liert, aus­wendig lernen, um uns gegen den klein­bür­ger­lichen Teufel – wie er von Bredel beschrieben wurde – und seine seichten Ver­su­chungen zu wappnen.
Diese unter­ge­gangene Kultur der Events und der Gar­ten­feste wird in einigen Kreis­ver­bänden der AfD wieder gepflegt. Im Bur­gen­land­kreis findet auch jedes Jahr eine Wan­derung im Saa­letal statt, an der neben Mit­gliedern Anhänger und Sym­pa­thi­santen teil­nehmen. Willi Bredels Welt der Gesin­nungs­ge­nos­sen­schaft der Schaf­fenden ist wieder am Erblühen, wenn auch nicht unter roten, sondern unter blauen Fahnen.
Die SPD hatte während der Zeit der Sozia­lis­ten­ge­setze 1878 bis 1890 manche Drang­sa­lie­rungen des dama­ligen Main­streams zu über­stehen. Das stärkte letztlich den Zusam­menhalt in der Partei und führte in eine Bun­ker­men­ta­lität, die sich nach Auf­hebung der Gesetze nur langsam ver­flüch­tigte. Ähn­liche Ver­hält­nisse herr­schen in der AfD. Es liegt immer ein Hauch von Aben­teuer, Revo­lu­ti­ons­ro­mantik, Kon­spi­ration und Unter­grund in der Luft, egal ob man pla­ka­tiert, Flug­schriften steckt, einen Stand betreibt oder auch nur eine Ver­sammlung besucht. Der von den hys­te­ri­schen Medien gezüchtete Odem der Ver­ruchtheit hat auch seine guten Seiten. Die AfD wird von ängst­lichen Anpassern nicht gerade über­laufen und der Wähler belohnt immer wieder den Mut und die Opfer­be­reit­schaft der AfD. Die Mit­glieder der AfD fühlen sich als Helden, schon bevor die unter­be­lichtete faschis­toide Merkel-Demo­kratur zusam­men­ge­brochen ist.

Quelle: prabelsblog.de