Ton­do­kument belegt: Es gibt Pläne in der AfD, Meuthen zu stürzen

In der AfD tobt lange schon ein Macht­kampf und Rich­tungs­streit. Und dieser ist lange noch nicht beendet, wie das nun auf­ge­tauchte illegal auf­ge­nommene, aber doch sehr auf­schluss­reiche Ton­do­kument belegt. Wäre es irgend­einer aus den hin­teren Reihen könnte man das noch als letztlich wenig relevant abtun. Doch dem ist nicht so. Denn die Schlüs­sel­person in dieser Affäre ist keine geringere als einer der beiden AfD-Lan­des­vor­sit­zenden von Baden-Würt­temberg, just dem Lan­des­verband, aus dem Jörg Meuthen, einer der beiden Bun­des­sprecher der Partei, selbst stammt.
Der völlig zer­rüttete baden-würt­tem­ber­gische Landesverband

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Der AfD-Lan­des­verband Baden-Würt­temberg ist, wie so viele andere Lan­des­ver­bände auch, voll­kommen zer­stritten, teil­weise kaum noch arbeits­fähig. Eigentlich sollten beim Lan­des­par­teitag Ende Mai in der AfD-Hochburg Pforzheim nur Bei­sitzer für den Vor­stand und ein paar weitere Funk­ti­ons­träger gewählt werden. Doch es kam ganz anders, wie die WELT aus­führlich berichtete. Sieben Mit­glieder erhoben im Vorfeld des Par­teitags schwere Vor­würfe gegen den Co-Lan­des­vor­sit­zenden und Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten Dr. Dirk Spaniel sowie Schatz­meister Frank Kral. Die Vor­stands­mit­glieder rund um den Lan­des­vor­sit­zenden Bernd Gögel warfen Spaniel und Kral rüdes Ver­halten vor. „Gebrüll, Pöbe­leien, Anschul­di­gungen und der­gleichen mehr gehörte zum üblichen Voka­bular der beiden Herren“, so war in dem Schreiben zu lesen, das unter anderem von Gögel sowie seinen Stell­ver­tretern Marc Jongen und Thilo Rieger unter­zeichnet war. Und weiter: „Sie hin­ter­lassen eine Spur der kol­le­gialen und mora­li­schen Ver­wüstung.“ Spaniel und Kral seien nicht team­fähig und über­wiegend nicht an einer Sach­arbeit inter­es­siert: „Wir sehen einer wei­teren Zusam­men­arbeit mit großer Sorge entgegen.“
Kral und Spaniel wurde vor­ge­worfen, dass sie „ab dem ersten Tag ihre ganze Kraft nicht dem Wohl der Gesamt­partei und den Auf­gaben eines Lan­des­vor­standes innerhalb ihrer Zustän­digkeit wid­meten, sondern im Wesent­lichen dem Bemühen, Lan­des­vor­stand und Lan­des­ge­schäfts­stelle unter ihre Kon­trolle zu bringen, ihnen nicht genehme Beschäf­tigte los­zu­werden, ein durch strafbare Hand­lungen auf­ge­fal­lenes ehe­ma­liges Lan­des­vor­stands­mit­glied vor Strafe zu bewahren und Falsch­be­haup­tungen zu ver­breiten“. Der Par­teitag möge als „höchstes Organ der Partei unseres Landes gerecht darüber befinden“.
Die Strei­te­reien eska­lierten in dem Vorwurf, man habe eine Mail-Intrige gegen den Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten Martin Hess betrieben, gegen den Dirk Spaniel sich dann bei der Wahl zu einem der beiden Lan­des­vor­sit­zenden durch­ge­setzt hatte. Die Mail war an Tau­sende AfD-Mit­glieder im Süd­westen gegangen. In dem Schreiben wurde Gerüchte gestreut bezie­hungs­weise spe­ku­liert, ob Hess – der Poli­zei­be­amter ist und einer Arbeits­gruppe angehört, die der AfD-Bun­des­vor­stand im Herbst ein­ge­setzt hatte und die sich mit dem Thema einer mög­lichen Beob­achtung durch den Ver­fas­sungs­schutz befassen soll – selbst für den Ver­fas­sungs­schutz arbeite, also ein U‑Boot sei.  Gögel hatte wegen der der Mail-Intrige sogar Straf­an­zeige wegen Daten­miss­brauchs gestellt. Ins­be­sondere Dirk Spaniel wird von seinen Vor­stands­kol­legen unter anderem vor­ge­worfen, dass er die straf­recht­liche Auf­ar­beitung der Mail-Affäre behindere und die Lan­des­ge­schäfts­stelle unter seine Kon­trolle bringen wolle.
Dirk Spaniel kon­terte in einer Gegen­dar­stellung, in welcher er erklärte, die Anschul­di­gungen von sieben Mit­gliedern des Lan­des­vor­stands seien „von Des­in­for­mation und Dif­fa­mierung geprägt“. Die Aktion des Pam­phlets kurz vor dem Lan­des­par­teitag habe offen­sichtlich nur ein Ziel: „Es geht darum, mich zu dis­kre­di­tieren, weil ich gemeinsam mit meinem Kol­legen Frank Kral einen Sumpf in der Lan­des­ge­schäfts­stelle auf­ge­deckt habe und dort auf­räumen wollte. Als Vor­sit­zender der Lan­des­partei ist es meine Aufgabe, die Partei sauber zu führen und vor­an­zu­bringen.“ Wenn der Par­teitag trotz Kenntnis der Umstände dem alten Vor­stand das Ver­trauen aus­spreche, werde er, Spaniel, zurück­ziehen. Denn eine ver­trau­ens­volle Zusam­men­arbeit halte er nicht mehr für möglich.
„Sie halten uns nicht nur für Nazis, sie halten uns für kor­rupte Nazis“
Nun ist diese Woche eine illegal auf­ge­nommene Ton­auf­nahme von just diesem Dirk Spaniel auf­ge­taucht, die tief blicken lässt. Das Ton­do­kument ist etwa sieben Minuten lang und kann hier angehört werden. Das Gespräch fand statt zwi­schen Spaniel und drei Par­tei­freunden bei einem pri­vaten Treffen in Bran­denburg. In dem Dokument ist klar zu hören, wie ins­be­sondere Spaniel den Sturz von Bun­des­sprecher Jörg Meuthen plante. Was die Gruppe jedoch nicht wusste: Jemand, wahr­scheinlich einer der vier, nahm das bri­sante Gespräch heimlich und ille­galer Weise auf. Anschließend wurde die Ton­auf­nahme der Frank­furter All­ge­meinen Zeitung (FAZ) zuge­spielt. Spaniel selbst hat die Echtheit der illegal ent­stan­denen Ton­auf­nahme gegenüber der FAZ bereits bestätigt, streitet also weder das Gespräch selbst noch den Inhalt und auch nicht das Gesagte ab. In der Ton­auf­nahme ist zu hören, wie Spaniel sagt:
„Ich halte es für die cle­verste Lösung, Paz­derski als Meuthen-Nach­folger zu instal­lieren“.
Georg Paz­derski ist der Ber­liner Lan­des­vor­sit­zende und einer von drei stell­ver­tre­tenden Bun­des­spre­chern der AfD. Spaniel erklärte seinen Par­tei­freunden vom Flügel, dass Paz­derski „von seinen Zielen her ein bein­harter Flügler“ sei und erläutert, warum er Paz­derski dem zur Zeit amtie­renden Meuthen vor­ziehe. Ein Grund sei, dass der frühere Nato-Offizier Paz­derski im Falle einer Macht­über­nahme der AfD in Deutschland auf­seiten der Ame­ri­kaner zu weniger Bedenken führen würde als ein Ver­treter des russ­land­freund­lichen rechten AfD-Flügels. Weiter ist zu hören, wie Spaniel sagt:
„Paz­derski ist kein Mann, um Deutschland in die Freiheit zu führen. Muss er auch nicht. Paz­derski ist aber der Mann, der uns die Legi­ti­mation auch der Ame­ri­kaner gibt als AfD. Einem Paz­derski würden sie wahr­scheinlich ein Stück weit ver­trauen. Paz­derski könnte uns auf dem Weg zur Macht nützlich sein. (…) Paz­derski steht momentan im Prinzip ohne Haus­macht da und auf dünnem Eis. (…) Paz­derski weiß, bin Bun­des­vor­sit­zender geworden – man muss ihn ja nicht erpressen, aber man kann ihm ja sagen: ‚Du hast den Auftrag zu einen‘. Der weiß ja, warum er nichts wird. Ich halte es für viel klüger, einen Paz­derski als einen Meuthen zum Bun­des­vor­sit­zenden zu haben. Vor allen Dingen weil der Meuthen nicht von alleine gehen wird.
Und weil Meuthen „nicht von alleine gehen“ werde und der leichter zu kon­trol­lie­rende Paz­derski, der zudem zehn Jahre älter sei, so dass man ihn auch schneller los­werden könne, – er sei vom Prinzip her „keine Gefahr mehr“ – sei dieser die bessere Lösung an der Parteispitze.
„Es wird sehr viel schwerer, einem Paz­derski die ganzen Schwei­ne­reien anzu­hängen, und diese Russ­land­the­matik ist dann auch raus. Was ist der Grund, warum uns das Bür­gertum nicht wählt? Sie ver­trauen uns nicht, dass wir einen Weg in den Westen gehen. Und: Sie halten uns nicht nur für Nazis, sie halten uns auch für kor­rupte Nazis.“
Und weiter erläutert Spaniel, warum der bran­den­bur­gische AfD-Vor­sit­zende Andreas Kalbitz, ein sehr Höcke-naher Flü­gelmann, als Bun­des­vor­sit­zender nicht in Frage komme: denn der sei im Westen „nicht ver­mit­telbar“. Und eines sei klar:
„2020 wird der­jenige, der Bun­des­vor­sit­zender geworden ist, den Anspruch erheben, Frak­ti­ons­vor­sit­zender der nächsten Bun­des­tags­fraktion zu werden.“
Meuthen wäre hierfür aber nicht geeignet und es würde „sehr hässlich werden“, Meuthen davon abzu­halten, Frak­ti­ons­vor­sit­zender werden zu wollen, wenn er nochmals zum Bun­des­vor­sit­zenden gewählt werden sollte. Hier ist das gesamte Ton­do­kument zu hören.
Wer zieht in der AfD in Wahrheit die Fäden?
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Spaniel scheint übrigens nach wie vor zu seinen Aus­sagen bezüglich Meuthen zu stehen, wie ver­schiedene Medien melden. Der FAZ soll Spaniel gesagt haben, das mit­ge­schnittene Gespräch habe in pri­vaten Räumen in Bran­denburg statt­ge­funden. Von den drei damals anwe­senden Par­tei­freunden seien zwei bereit, eides­staatlich zu erklären, mit der Ton­auf­nahme nichts zu tun zu haben. Der dritte habe nach dem Treffen sein Handy als ver­loren gemeldet. Sein Ver­hältnis zu Paz­derski habe mitt­ler­weile einen „Knacks“ erlitten, sagt Spaniel. Zu seinen Aus­sagen über Meuthen stehe er aber weiter. Er habe sich „für nichts zu ent­schul­digen und ich stehe zu jedem Wort in der Aufnahme.“
Meuthen ließ dagegen ver­laut­baren, Spaniel, der wie gesagt, einer der beiden baden-würt­tem­ber­gi­schen Lan­des­vor­sit­zenden ist, sei „hoch­gradig toxisch“ und habe sich mit seinen Aus­sagen noch weiter dis­qua­li­fi­ziert: „Genau diese Typen will ich in der Partei nicht haben“, so Meuthen.
Die inter­es­santere Frage ist aber viel­leicht, wer Meuthen oder Paz­derskis als Bun­des­vor­sit­zenden haben möchte und aus welchen Gründen? Und die zweite inter­es­sante Frage dürfte sein: Wer zieht in der AfD in Wahrheit die Fäden und wer wird nur deshalb auf bestimmte Posi­tionen gesetzt, weil er dem Bür­gertum besser ver­mit­telbar ist und man ihn eine Zeit lang für seine Zwecke nutzen möchte?

Jürgen Fritz — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog des Autors www.juergenfritz.com