Bild: Hofreiter : Wikimedia Commons, Wikipedia-Bundestagsprojekt 2014, Foto: Gerd Seidel, Lizenz: Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 de (Link: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:WLP14-ri-0085-_Anton_Hofreiter_(Bündnis_90-Die_Grünen),_MdB.jpg) Monsanto im Hintergrund : Wikimedia Commons, Foto: Karen Eliot, Bildquelle: https://www.flickr.com/photos/kareneliot/5149268342/ Bildlizenz: Attribution-ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)

Anton Hof­reiter auf der „Monsanto-Spit­zel­liste“ gefunden!

Dass Monsanto überall die Finger drin hat, Heere an gut bezahlten Lob­by­isten in allen Ecken und Enden der Welt den Her­steller einer der schlimmsten Gift­brühen (Gly­phosat, aka „Roundup“) ver­treten, ist selbst Lieschen Müller vom Dorfe bekannt. Auch in der EU wurde auf allen mög­lichen Ebenen von­seiten Monsanto Druck gemacht, geschmiert und argu­men­tiert, Strippen gezogen, des­in­for­miert… um doch noch einmal die Wie­der­zu­lassung des skan­dal­um­wit­terten Gly­phosats in der EU allen Pro­testen zum Trotz durch­zu­drücken. Mit Erfolg. Die Zulassung wurde noch 2017 einmal um fünf Jahre verlängert.
Eine inter­na­tionale Anwalts­kanzlei namens Sidley Austin LLP erhielt von Bayer im Mai 2019 den Auftrag, eine ominöse Liste von „Stake­holdern“ (Mei­nungs­ma­chern) für oder gegen Monsanto zu erstellen, um Vor­würfe auf­zu­klären, die fran­zö­sische Medien  Anfang 2019 gegen Monsanto erhoben hatten: Monsanto habe eine PR-Agentur (Fleish­m­anHillard) beauf­tragt, Listen mit Namen sowie per­sön­lichen und pri­vaten Daten von Per­sonen zu erstellen, die als Kri­tiker oder Befür­worter des höchst umstrit­tenen Her­bizids Gly­phosat auf­ge­fallen waren.
Diese Listen stammen von Ende 2016 und 2017, ins­gesamt waren darin 1.475 Per­sonen aus ver­schie­denen Ländern Europas auf­ge­führt: Poli­tiker, Beamte, Wis­sen­schaftler und Jour­na­listen. Die Namen wurden nach einem „Ampel­system“ geordnet von starken Gegnern (rot), mög­li­cher­weise beein­fluss­baren, gemä­ßigten Kri­tikern und vor­sich­tigen Befür­wortern (gelb) und wohl­ge­son­nenen Befür­wortern (grün). Im Mai war eine solche Über­sicht mit Per­sonen in Frank­reich auf­ge­taucht, die Monsanto erstellt haben soll, um diese später zu beein­flussen. Es wurden Vor­würfe erhoben, diese Sammlung von per­sön­lichen und pri­vaten Daten sei geset­zes­widrig. Fran­zö­sische Medien hatten berichtet, dass sogar Hobbies und rein private Inter­essen dieser „Inter­es­sen­ver­treter“ in den Listen ver­merkt worden seien. Die Staats­an­walt­schaft in Paris nahm Ermitt­lungen auf.
Der Chef­lob­byist der neuen Monsanto-Eigen­tü­merin Bayer, Mat­thias Ber­ninger, räumte ein, Monsanto habe vor 2015, vor der Über­nahme durch Bayer, ein „sehr aggres­sives Lob­bying“ betrieben. Wie diese Lob­by­arbeit „tat­sächlich“ aussah, habe Bayer vor der Über­nahme nicht gewusst.
Das mit den Listen wohl auch nicht. Aus Deutschland waren über 200 Per­sonen aus Politik, Behörden, Mit­ar­beiter des Land­wirt­schafts­mi­nis­te­riums und sogar Jour­na­listen als Mei­nungs­macher für oder gegen Mons­antos Gly­phosat in diesen Listen zu finden, auch Volks­ver­treter in den soge­nannten Volks­par­teien halfen mit, dafür zu sorgen, dass Gly­phosat weiter zuge­lassen werden würde. Und das, obwohl sich die Ablehnung im Volk durch alle Par­teien zieht. In der SPD wurde Lob­by­isten-Tätigkeit und andere Arten von Inter­es­sen­ver­tretung oder uner­wünschte Kritik oder Unter­stützer für Monsanto – laut Tages­spiegel – wie bei­spiels­weise Ex- Bun­des­um­welt­mi­nis­terin Barbara Hendricks (SPD) gesammelt, eben­falls ihre Par­tei­ge­nossen, wie Karl Lau­terbach oder Mat­thias Miersch. Bei den Linken gab es sehr unwill­kom­mende Kri­tiker, die man auch gleich auf die Liste setzte: Dietmar Bartsch und Kirsten Tackmann. Eine Liste mit deut­schen Jour­na­listen liege nur anony­mi­siert vor.
Der neue Eigen­tümer von Monsanto, die Firma Bayer (Kauf­preis 55 Mil­li­arden Euro), beendete bei Bekannt­werden der Listen die Zusam­men­arbeit mit jener Agentur Fleish­m­anHillard und beauf­tragte die Anwalts­kanzlei Sidley Austin LLP zu unter­suchen, ob diese Listen mit den per­sön­lichen Daten gegen Gesetze ver­stoßen. Die Kanzlei wertete im Zuge der Unter­su­chung mehr als 25.000 Doku­mente aus und sichtete über 2,5 Mil­lionen elek­tro­nische Dateien aus Quellen von Monsanto, dar­unter auch Mails, Ver­träge und Buchungen. Dar­unter wird sich mög­li­cher­weise auch das eine oder andere Erpres­sungs­ma­terial finden, was die Ampel­ein­ordnung des Betref­fenden viel­leicht in die Kate­gorie „grün“ ver­schieben konnte.
Den kom­pletten Bericht (49 Seiten) mit juris­ti­scher Bewertung findet man hier.
Die dies­be­züg­liche Pres­se­mit­teilung von Bayer stellt klar:
„Der Abschluss und die Ver­öf­fent­li­chung der Unter­su­chung sind ein wei­terer wich­tiger Schritt, um Trans­parenz zu schaffen“, sagt Mat­thias Ber­ninger, Leiter Public Affairs und Nach­hal­tigkeit bei Bayer. In ihrem Bericht stellt Sidley Austin LLP fest:„Es steht außer Frage, dass […] die erstellten Stake­holder-Listen detail­liert, metho­disch und darauf aus­ge­richtet waren, Mons­antos Posi­tionen gegenüber Inter­es­sen­gruppen und der Öffent­lichkeit deutlich zu ver­treten. Aber […] wir haben keine Beweise gefunden, die die Behaup­tungen der fran­zö­si­schen Medien unter­stützen, dass die Stake­holder-Listen illegal waren.“
Es gab auch keine Hin­weise, dass die Listen auf einer ille­galen „Über­wa­chung“ von Per­sonen basierten, wie von Medien behauptet wurde. Die Inhalte der Listen, die Sidley Austin LLP vor­liegen, stammen haupt­sächlich aus öffentlich zugäng­lichen Infor­ma­tionen wie Pres­se­ar­tikeln oder Social-Media-Accounts.“
Das Dokument zu den Hobbies und pri­vaten Akti­vi­täten der Per­sonen auf der Liste sei jedoch nicht auf­findbar gewesen, schreibt Sidley Austin in seinem Bericht. Man habe die fran­zö­si­schen Medien kon­tak­tiert und gebeten, das Dokument ein­sehen zu können, habe aber keine Antwort erhalten.
Damit betrachtete Bayer die gesamte „Stake­holder-Listen-Affäre“ als beendet und reif zum Abheften. Ein wenig zu früh, so scheint es.
Die Anwalts­kanzlei war wohl ein wenig eif­riger als Bayer sich das wünschte und fand „zusätz­liche Listen“. Und auf einer davon tauchte der Name des Günen-Poli­tikers Anton Hof­reiter auf. Der will nun etwas mehr wissen als nur, dass sein Name auf einer der Monsanto-Listen stehe. „Mit einem solchen Brief werde ich mich nicht abspeisen lassen und auf die Her­ausgabe wei­terer über mich gesam­melter Infor­ma­tionen drängen“, sagte er dem Tages­spiegel. Er fordert die Offen­legung aller Listen, sowohl für Deutschland, als auch für alle anderen euro­päi­schen Länder. Aber plötzlich fängt Bayer an zu mauern: „Die von Bayer beauf­tragte Kanzlei hat bis August alle Per­sonen auf den Stake­hol­der­listen kon­tak­tiert. Insofern gibt es weder neue Listen noch einen neuen Sach­stand, der über das hin­aus­ginge, was wir bereits am 5. Sep­tember kom­mu­ni­ziert haben”, sagte ein Sprecher von Bayer dem Tages­spiegel am Mittwoch.
Das Unter­nehmen Bayer ließ zwar wissen, dass die Anwälte zwar keine Beweise für geset­zes­wid­riges Ver­halten von Monsanto bezüglich der Listen gefunden haben, dass man diese Ver­fah­rens­weise von Monsanto im Hause Bayer aber dennoch als „kom­plett unan­ge­messen“ beur­teile. Auch die anwalt­liche For­mu­lierung, es handle sich bei den Details zu den in der Liste auf­ge­führten Per­sonen um „haupt­sächlich“ öffentlich zugäng­liche Infor­ma­tionen, klingt wenig beruhigend.
Es ist für die meisten infor­mierten Men­schen von Anfang an nicht nach­voll­ziehbar gewesen, wie Bayer die als skru­pellos ver­schriene Firma Monsanto ein­kaufen konnte, die allein in den USA von mehr als 18.000 Geschä­digten ver­klagt wird, weil diese das von Monsanto (immer noch) ver­kaufte Her­bizid „Roundup“ wegen des darin ent­hal­tenen Gly­phosat für ihre Krebs­er­krankung ver­ant­wortlich machen. Die ersten drei Pro­zesse haben die Kläger bereits medi­en­wirksam gewonnen.