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Besonders anschau­liches Bei­spiel für anti-rus­sische Pro­pa­ganda in der NZZ

Die Neue Züricher Zeitung (NZZ) aus der Schweiz mausert sich zuse­hends zu einem Pro­pa­ganda-Arm der Nato. In dieser Woche ist dort ein Artikel über Russland erschienen, der vor pro­pa­gan­dis­ti­schen Halb­wahr­heiten und sogar ein­deu­tigen Lügen, die den Leser des­in­for­mieren, anstatt ihn zu infor­mieren, nur so strotzt.
Schon vor einigen Tagen ist mir die NZZ negativ auf­ge­fallen, als ein Pro­pa­gandist den Men­schen erklären durfte, warum Deutschland lieber mehr Geld für Waffen, als für Kitas aus­geben solle. So lautete sogar sinn­gemäß die Über­schrift. Und auch in dem Artikel nahm es der Ver­fasser mit der Wahrheit nicht allzu genau.
Nun gibt es in der NZZ also einen Artikel über Russland, der nach dem gleichen Muster gestrickt ist. Die Über­schrift gibt den Weg vor: „Russ­lands Oppo­sition befindet sich in der poli­ti­schen Ver­bannung
Und die Lügen beginnen schon im ersten Absatz, wo der Autor behauptet, in Moskau hätten kürzlich 60.000 Men­schen für die Oppo­sition demons­triert. In Wirk­lichkeit haben sogar die Orga­ni­sa­toren der Demons­tration nur von 50.000 Teil­nehmern gesprochen, die Polizei sprach von 20.000. Und wer sich den Ort anschaut, der stellt fest, dass die Demons­tration auf gerade mal ca. 13.000 Qua­drat­meter statt­ge­funden hat. Wenn dort 50.000 Men­schen gewesen sein sollen, dann wären das ca. vier Men­schen pro Qua­drat­meter gewesen, das ist schon sehr ambi­tio­niert. Ich habe das hier für jeden nach­prüfbar auf­ge­zeigt.
Aber der Autor bei der NZZ schreibt von 60.000 Teil­nehmern, wahr­scheinlich werden wir dem­nächst auch irgendwo etwas von 100.000 Teil­nehmern lesen.
Bei der NZZ kann man dann aus­führlich lesen, dass Russland ganz und gar keine Demo­kratie ist. Es gipfelt in dem Satz:

„Wahlen wurden ent­spre­chend orga­ni­siert oder ganz abgeschafft.“

Natürlich ist der Autor nicht ins Detail gegangen, denn es wurden in Russland keine Wahlen abge­schafft. Ich würde den Autoren gerne fragen, welche Wahlen in Russland abge­schafft worden sind, alle poli­ti­schen Amts­träger werden in Russland in direkter Wahl vom Volk gewählt.
Danach lernen wir, wie schlecht es der Oppo­sition in Russland angeblich geht:

„So wird Plu­ra­lismus nur vor­ge­gaukelt. Oppo­si­tio­nelle Par­teien mit radi­ka­leren Ideen zur Umge­staltung der Politik wurden spä­testens seit 2007 aus dem offi­zi­ellen System hinausgedrängt.“

Zunächst einmal wurde niemand „aus dem offi­zi­ellen System hin­aus­ge­drängt„, keine Partei, die es vor 2007 in Russland gab, ist ver­boten worden. Wenn eine Partei keine Wähler mehr begeistern kann und in der Ver­senkung ver­schwindet, ist das kaum die Schuld der anderen Parteien.
Aber man muss den Satz ana­ly­sieren, um ihn zu ver­stehen. Der Autor spricht von „radi­kalen Ideen zur Umge­staltung„. Wenn das Vor­han­densein von Par­teien, die „radikale Ideen zur Umge­staltung der Politik“ haben, ein Zeichen für Demo­kratie sein soll, dann ist es um die Demo­kratie in den west­lichen Ländern aber sehr traurig bestellt. Oder können Sie mir eine Partei in Deutschland, Frank­reich, England, den USA und so weiter nennen, die „radikale Ideen zur Umge­staltung der Politik“ hat?
Natürlich nicht. Mehr noch: Eine solche Partei würde in Deutschland als ver­fas­sungs­widrig ver­boten werden, denn eine „radikale Umge­staltung der Politik“ würde zwangs­läufig gegen die „Werte des Grund­ge­setzes“ ver­stoßen. Aber für Russland findet der Autor etwas völlig in Ordnung, was ihm in Deutschland in heftige Schnapp­atmung ver­setzen würde.
Dann erklärt uns der Autor, warum Russland auf keinen Fall eine Demo­kratie sein kann:

„Wie wenig es vor­ge­sehen ist, dass selbst Expo­nenten der drei loyalen Oppo­si­ti­ons­par­teien – die Kom­mu­nisten, Wla­dimir Schi­ri­no­wskis Libe­ral­de­mo­kraten sowie die Partei Gerechtes Russland – Wahlen gewinnen, zeigte sich bei den Regio­nal­wahlen vor einem Jahr.“

Die Oppo­si­ti­ons­par­teien, die es in Russland wirklich gibt und die auch gegen manches von der Regierung ein­ge­brachte Gesetz stimmen, nennt er „loyale Oppo­si­ti­ons­par­teien„. Auch hier haben wir wieder eine Gemein­samkeit mit Deutschland gefunden: Sind die Grünen oder die FDP in Deutschland etwa fun­da­mentale Oppo­si­ti­ons­par­teien? Nein, sie stimmen bei den meisten Gesetzen fröhlich zusammen mit der Regierung ab. Die Par­teien in Deutschland haben sich inzwi­schen so sehr anein­ander ange­nähert, dass sie kaum noch zu unter­scheiden sind und auch alle mit­ein­ander in Koali­tionen treten können. Die pro­gram­ma­ti­schen Unter­schiede der eta­blierten Par­teien in Deutschland sind nicht mehr größer, als sei­nerzeit bei den Block­par­teien der DDR.
Bei Fragen der Bildung, von Sozi­al­pro­grammen und so weiter sind die Posi­tionen der rus­si­schen Par­teien oft sehr unter­schiedlich und sie streiten sich heftig. Aber bei den zen­tralen Fragen der Politik sind sie sich einig. So wie in Deutschland keine eta­blierte Partei die Nato-Mit­glied­schaft Deutsch­lands in Frage stellen würde, so würde keine Partei in Russland die rus­sische Sou­ve­rä­nität in Frage stellen, seine eigene außen­po­li­tische Agenda zu haben.
Danach kommt der NZZ-Artikel zu den Wahlen letztes Jahr:

„In vier Regionen erzwangen Gou­ver­neurs­kan­di­daten aus deren Reihen einen zweiten Wahlgang; das war zuvor nie vor­ge­kommen. Die Über­legung, schwache Bewerber dieser Par­teien seien ohnehin keine Gefahr für den offi­zi­ellen Kan­di­daten, stellte sich als Fehler heraus. In drei von vier Regionen nahm der Kreml schliesslich mit Zäh­ne­knir­schen den Sieg des «Fal­schen» an.“

Auch das müssen wir genau lesen, denn erstens gibt der Autor unfrei­willig zu, dass es in Russland eben doch eine Demo­kratie gibt, wenn Kan­di­daten der Oppo­sition gegen Kan­di­daten der Regie­rungs­partei Wahlen gewinnen können. Und zweitens lügt er, denn von „Zäh­ne­knir­schen“ konnte keine Rede sein. Es war vor einem Jahr sogar so, dass die Wahl­kom­mission eine Wahl wegen Unre­gel­mä­ßig­keiten für Ungültig erklärt hat, nachdem dort der Kan­didat der Regie­rungs­partei gewonnen hat. Die Wahl musste wie­derholt werden. Übrigens ist die Lei­terin der Wahl­kom­mission, Ella Pam­filowa, eine Kri­ti­kerin von Putin. Ihre Ernennung haben die west­lichen Medien damals gefeiert, aber nun erinnern sie sich daran nicht mehr, wenn sie über die anste­henden Wahlen in Russland und die Pro­teste der Oppo­sition berichten. Es wäre den Lesern ja auch schwer zu ver­mitteln, dass eine aus­ge­wiesene Putin-Geg­nerin nun die Kan­di­daten der Oppo­sition nicht zur Wahl zulässt.
Weiter kann man in der NZZ lesen:

„Die eigent­liche Oppo­sition – eine, die ihrem Namen als Her­aus­for­derin der Staats­macht und von deren poli­ti­schen Vor­stel­lungen gerecht wird – befindet sich gleichsam in der Verbannung.“

Und wieder habe ich ein Frage zu Deutschland: Können Sie mir in Deutschland eine Partei nennen, die „ihrem namen als Her­aus­for­derin der Staats­macht gerecht wird„? Sollen das etwa die Oppo­si­ti­ons­par­teien Grüne und FDP sein? Das trifft doch nicht einmal auf AfD und Linke zu!
Es sind so griffige For­mu­lie­rungen der anti-rus­si­schen Pro­pa­gan­disten in den deut­schen Medien, die gut klingen, aber wenn man sie einmal hin­ter­fragt, dann brechen sie in sich zusammen.
Und um den Leser emo­tional gegen Russland in Stellung zu bringen, folgen danach regel­recht wirr anein­ander gereihte Vor­würfe der Oppo­sition und Kritik am bösen Russland:

„Oppo­si­ti­ons­ver­treter werden – wie jetzt auch bei den Mos­kauer Pro­testen – oft gleich mehrmals hin­ter­ein­ander in Poli­zeihaft genommen; Straf­ver­fol­gungs­be­hörden und Gerichte arbeiten gegen sie und kri­mi­na­li­sieren sie. Gegen Demons­tra­ti­ons­teil­nehmer sind sogar Ver­fahren zum Entzug des Für­sor­ge­rechts für die Kinder ein­ge­leitet worden. Selbst Staats­be­triebe und Pri­vat­un­ter­nehmen werden gegen sie ein­ge­setzt: Die Mos­kauer Ver­kehrs­be­triebe, Restau­rants und Taxi­be­triebe haben wegen der mit den unbe­wil­ligten Pro­testen ver­bun­denen Umsatz­ein­bussen Zivil­klagen gegen mehrere Oppo­si­ti­ons­po­li­tiker in Höhe von ins­gesamt 14 Mil­lionen Rubel (200 000 Franken) eingereicht.“

So geballt klingt das alles ganz schrecklich, aber wenn man es einmal näher anschaut, bleibt nicht viel übrig.
Würde der Autor zum Bei­spiel berichten, dass die Leute nicht in „Poli­zeihaft“ waren, sondern lediglich ein paar Stunden auf der Wache waren, wo ihre Per­so­nalien fest­ge­stellt wurden und dass sie danach alle wieder mit einem Buß­geld­be­scheid über ca. 40–50 Euro wieder nach Hause gehen durften, würde es schon nicht mehr so dra­ma­tisch klingen.
Und wenn der Autor erwähnt hätte, dass den Eltern, denen ein Ver­fahren zum Entzug des Sor­ge­rechts droht, ihren Säugling dazu benutzt haben, damit einer der Ein­peit­scher einer ille­galen Demons­tration in der Rolle als angeb­licher Vater den Ort des Geschehens zu ver­lassen konnte, ohne von der Polizei kon­trol­liert zu werden, dann klingt das auch schon etwas anders. Immerhin hätte es auch zu Aus­schrei­tungen kommen können und das ist nicht unbe­dingt ein Ort, wohin man seinen Säugling mit­nimmt. Und wenn der Autor dann auch noch erwähnt hätte, dass die Men­schen­rechts­be­auf­ragte des Kreml den Eltern bei dem Ver­fahren Unter­stützung zuge­si­chert und die Staats­an­walt­schaft auf­ge­fordert hat, das Ver­fahren ein­zu­stellen, dann klingt die Geschichte noch einmal ganz anders.
Und dass sich Geschäfte und Restau­rants, die wegen der nicht geneh­migten Pro­teste mit Scha­dens­er­satz­for­de­rungen an die Orga­ni­sa­toren wenden, ist kaum die Schuld des Staates. Das wäre in Deutschland kaum anders, wenn jemand zu einer Demons­tration auf­rufen würde, die, warum auch immer nicht genehmigt, aber trotzdem abge­halten wird und dadurch den Restau­rants die Besucher weg­bleiben. Wenn man den oder die Ver­ant­wort­lichen greifen kann, würde man ihn oder sie natürlich auf Scha­dens­ersatz verklagen.
Aber so funk­tio­niert das Russland-Bashing in den west­lichen Medien: Ent­schei­dende Infor­ma­tionen weg­lassen, dafür mög­lichst emo­tional berichten, damit sich bei den Lesern das gewünschte Bild im Kopf festsetzt.
Das nennt man in Deutschland „Qua­li­täts­jour­na­lismus“.
 


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“