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Sparer brauchen keine solche Show

01Seit Jahren lässt die Politik – vor allem auch die deutsche – die EZB allein in ihrem Kampf um den Euro. Statt an den Ursachen anzu­setzen, wird Sym­bol­po­litik betrieben. Neu­estes Bei­spiel: die Idee des Verbots von Nega­tiv­zinsen. Tut endlich wirklich was für die Sparer!
Nachdem Finanz­mi­nister Olaf Scholz die Abschaffung des Soli­da­ri­täts­zu­schlags auf Kapi­tal­erträge ver­hindert hat und plant, den Kauf von Aktien mit der Finanz­trans­ak­ti­ons­steuer zu belegen, ver­sucht er sich nun als Anwalt des kleinen Sparers. Banken soll es untersagt werden, bis zu einem bestimmten Betrag den Kunden Nega­tiv­zinsen zu belasten. Was sind Nega­tiv­zinsen? Es sind Zinsen, die Banken an die Euro­päische Zen­tralbank bezahlen müssen, dafür, dass sie ihr Geld dort anlegen. Bisher waren die meisten Banken davor zurück­ge­schreckt, diese Nega­tiv­zinsen, an ihre klei­neren Kunden wei­ter­zu­geben. Aber Groß­an­leger, wie bei­spiels­weise Pen­si­ons­fonds, müssen schon heute mit ent­spre­chenden Straf­zinsen rechnen.

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Ange­sichts der bevor­ste­henden nächsten Welle bil­ligen Geldes der EZB ist absehbar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch in Deutschland Banken dazu über­gehen müssen, die Straf­zinsen, die für das Halten von Liqui­dität bei der EZB anfallen, an ihre Kunden wei­ter­zu­geben. Dann genügt es nicht mehr, wie bisher die Gebühren für Kon­to­führung und andere Dienst­leis­tungen zu erhöhen.
Popu­lismus pur
Ein Verbot der Wei­tergabe der Nega­tiv­zinsen der EZB an die End­kunden ist mit dem Ber­liner Mie­ten­deckel ver­gleichbar. Will man im Bei­spiel des Woh­nungs­marktes ver­hindern, dass gestiegene Grund­stücks­preise und Bau­kosten sich in den Mieten nie­der­schlagen und senkt so die Rendite der Inves­toren, will man im Bei­spiel der Banken ver­hindern, dass die gestie­genen Kosten für die „Lagerung“ der Erspar­nisse auf dem Bank­konto an den Kunden wei­ter­ge­geben werden. Die Banken können diesen Ein­griff nach der bis heute nicht ver­wun­denen Finanz- und Euro­krise und der seit Jahren unzu­rei­chenden Ertrags­kraft aller­dings deutlich weniger ver­kraften. Sicht­bares Warn­signal ist die Ent­wicklung der Akti­en­kurse, die laufend neue Tiefst­stände markieren.
Der Ruf nach einem gesetz­lichen Verbot von Nega­tiv­zinsen ist wie Mie­ten­deckel und Miet­preis­bremse eine popu­lis­tische Maß­nahme, die vom eigent­lichen Ver­sagen der Politik ablenken soll. Ist es im Bereich der Mieten der zu geringe Neubau, ist es im Bereich der Banken die unter­lassene Sanierung des Ban­ken­systems und der Eurozone in den letzten Jahren.
Hätten wir den Euro nicht
Ohne Mario Draghis Ver­sprechen, „alles Erdenk­liche zu tun“, der dras­ti­schen Zins­senkung und dem Aufkauf von Wert­pa­pieren in gigan­ti­schem Umfang, wäre die Eurozone schon längst zer­fallen. Die EZB hat den rapide um sich grei­fenden Ver­trau­ens­verlust in den Euro gestoppt, der kurz davor war, völlig außer Kon­trolle zu geraten. Im Klartext: Die EZB hat der Politik Zeit gekauft – die diese aber nicht genutzt hat.
Damit trägt gerade auch die deutsche Politik die Haupt­ver­ant­wortung für die tiefen Zinsen. Denn hätten wir den Euro nicht – bekanntlich ein rein poli­tisch moti­viertes Projekt, das gegen die Emp­fehlung fast aller Öko­nomen durch­ge­setzt wurde – oder hätten wenigstens gehandelt, um die offen­sicht­lichen Fehl­ent­wick­lungen durch den Euro zu berei­nigen, müsste die EZB nicht das Geld immer bil­liger machen und Nega­tiv­zinsen wären kein Thema. So gesehen ist der Ruf nach einem Verbot der Nega­tiv­zinsen für Bank­kunden ein besonders schönes Bei­spiel für bil­ligen Popu­lismus, der – leider wohl zurecht – darauf setzt, dass die Bürger das Spiel nicht durchschauen.
Die Alter­native ist der Alb­traum der Politik
Wer eine andere Geld­po­litik fordert, der muss die Alter­native nennen und dies kann nur die Politik: Schul­den­schnitte akzep­tieren, Reform­an­stren­gungen inten­si­vieren und die euro­päische Inte­gration vor­an­treiben – oder, falls diese nicht rea­lis­tisch ist, die Zusam­men­setzung der Eurozone anpassen. Nicht allen Ländern passt das Korsett des Euros und das sollten wir endlich eingestehen.
Doch hier finden wir die per­verse Situation vor, dass die EZB den poli­ti­schen Druck in den Kri­sen­ländern durch ihre Maß­nahmen mindert und es zugleich der deut­schen Regierung ermög­licht, die Illusion einer erfolg­reichen Euro­ret­tungs­po­litik auf­recht­zu­er­halten, obwohl diese auf voller Linie gescheitert ist. Für die Poli­tiker ist das Handeln der EZB ein Segen, weil sie sich vor höchst unpo­pu­lären Ent­schei­dungen drücken können: dras­tische Reformen im Süden und For­de­rungs­ver­zichte im Norden.
Für uns Bürger wird die Wei­gerung der Politik im Desaster enden. Auf Dauer wird es nämlich nicht genügen, nur Schmerz­mittel zu ver­teilen. Die Schul­denlast der Länder wächst weiter an, die Real­wirt­schaft kommt nicht wieder auf Kurs, die erheb­lichen Unter­schiede in der Wett­be­werbs­fä­higkeit ver­fes­tigen sich.
Das Grauen für die Sparer beginnt erst
Dabei ist die Eurozone nicht die einzige Region der Welt, die unter den Folgen einer jahr­zehn­te­langen Ver­schul­dungs­po­litik leidet. Auch in Japan und den USA wird die Geld­po­litik immer aktiver im Versuch, die Real­wirt­schaft zu beleben und zugleich die Schul­denlast tragbar zu halten. Nicht zufällig mehren sich die Vor­schläge, die nach Wegen für eine noch aggres­sivere Geld­po­litik suchen:
  • Kampf gegen das Bargeld: Schon seit Jahren läuft eine Kam­pagne gegen die Nutzung von Bargeld. Nun kam der IWF mit der Idee, Bargeld zu ver­steuern für den Fall, dass es auf dem Bank­konto Nega­tiv­zinsen gibt. All dies passt zu dem Sze­nario einer geplanten Ent­wertung von Geld und damit von For­de­rungen und Schulden.
  • Kampf gegen das Gold: Passend dazu erklärt der IWF in einem wei­teren Arbeits­papier, dass Gold ein desta­bi­li­sie­render Faktor für die Wirt­schaft sei. Dies ist natürlich richtig, wenn man ein System unter­stützt, in dem beliebig viel Liqui­dität geschaffen werden kann und soll, um die Wirt­schaft zu beleben.
  • Kapi­tal­ver­kehrs­be­schrän­kungen: Passend dazu werden Beschrän­kungen des freien Kapi­tal­ver­kehrs in Abhän­gigkeit vom Umfeld als geeig­netes Instrument gesehen, um Krisen vor­zu­beugen und Finanz­märkte zu sta­bi­li­sieren. Dabei sind sie unver­meidbar, wenn man die Flucht der Sparer ver­hindern will. Fallen Bargeld und Gold als Aus­weich­mög­lich­keiten weg, muss nur noch die Flucht in aus­län­dische Wäh­rungen abge­wendet werden, um die Sparer unter Kon­trolle zu bekommen.
  • Mone­ta­ri­sierung der Schulden: Sind Aus­weich­re­ak­tionen unter Kon­trolle gebracht, kann man sich auf die „Lösung“ des Schul­den­pro­blems kon­zen­trieren. Da ist zunächst die schon länger dis­ku­tierte „Mone­ta­ri­sierung“ der Schulden. Gemeint ist, dass die Noten­banken die auf­ge­kauften Schulden von Staaten und Pri­vaten einfach annullieren.
  • Heli­kopter-Geld: Das Ent­sorgen der Alt­schulden über die Bilanzen der Noten­banken dürfte zur Lösung der Pro­bleme nicht genügen. Die Antwort darauf liegt in staat­lichen Kon­junk­tur­pro­grammen, direkt von den Noten­banken finan­ziert. In Anlehnung an Milton Friedman spricht man von „Heli­kopter-Geld“. Mitt­ler­weile hat sich sogar der welt­größte Ver­mö­gens­ver­walter BlackRock in den Kreis jener ein­ge­reiht, die hierin die Lösung aller Pro­bleme sehen.
  • Modern Monetary Theory (MMT): Wäre es nicht ohnehin besser, wenn man den Staat dau­erhaft und groß­zügig direkt von der Notenbank finan­zierte, anstatt wie heute den Umweg über die Geschäfts­banken zu gehen? Vor­reiter dieser Über­le­gungen, bezeichnen es als „Modern Monetary Theory“. Als Skep­tiker müsste man anführen, dass es so „modern“ nicht ist, wurde es doch schon in der Wei­marer Republik aus­pro­biert. Die Befür­worter sehen das natürlich ganz anders.

Wie man es dreht und wendet. Die Umver­teilung von Gläubiger/Sparer zu Schuldner läuft auf vollen Touren und nimmt weiter Fahrt auf.
Tut was für die Sparer!
Wenn sich nun gerade der Bun­des­fi­nanz­mi­nister, der allein in den letzten zehn Jahren Zins­er­spar­nisse von rund 140 Mil­li­arden ein­kas­siert hat, hin­stellt und als Retter der Sparer posi­tio­niert, ist das eine Belei­digung für alle Bürger dieses Landes. Denn schon heute zahlt jeder Inhaber von Lebens­ver­si­che­rungen oder Pen­si­ons­an­sprüchen für das Ver­sagen der Politik. Wollte Herr Scholz wirklich etwas für die hie­sigen Sparer tun, gäbe es einige Möglichkeiten:

  • Mehr Auf­klärung über ver­nünftige Geld­anlage: mehr Aktien, Immo­bilien, weniger Sparbuch und Lebensversicherung.
  • Steu­er­liche För­derung dieser Art von Ver­mö­gens­bildung: keine Akti­en­steuer, geringere Grunderwerbssteuer.
  • Mehr Inves­ti­tionen im Inland und Abkehr von der „schwarzen Null“: Dann haben wir bessere Infra­struktur und bei stei­gender Ver­schuldung dürfte man auch mehr Zinsen bekommen. Im Neben­effekt würde auch weniger Geld ins Ausland fließen.
  • Umsetzen der schon lange vor­lie­genden Idee eines Staats­fonds nach dem Vorbild Nor­wegens. Damit ließe sich auch die Rendite der Erspar­nisse der nor­malen Bürger mit geringem Risiko steigern.
  • Echtes Angehen der Pro­bleme des Euro: untragbare Ver­schuldung in einigen Ländern, Sanierung des ange­schla­genen Ban­ken­systems, Neu­ordnung der Mit­glieder, sprich: geordnete Aus­tritte von Ländern wie Italien, die im Euro nicht wett­be­werbs­fähig werden.

Das wäre doch mal ein Pro­gramm für einen Finanz­mi­nister! Aller­dings müsste man da auch arbeiten, statt mit popu­lis­ti­schen und letztlich untaug­lichen Maß­nahmen an den Sym­ptomen zu doktern.


Dr. Daniel Stelter – www.think-beyondtheobvious.com